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USA-Taliban-Abkommen steht bevor

Der Krieg in Afghanistan ist der längste in der Geschichte der USA. Nun gibt es vielleicht bald einen Abzug der US-Truppen aus dem Land.

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Donald Trump, Präsident der USA.
Donald Trump, Präsident der USA. © AP

Von Veronika Eschbacher, Lena Klimkeit und Can Merey

Washington/Kabul/Doha. Der Abschluss eines Abkommens zwischen den USA und den Taliban zur Vorbereitung eines Truppenabzugs aus Afghanistan steht kurz bevor. US-Präsident Donald Trump bestätigte am Freitag (Ortszeit) die anstehende Unterzeichnung eines Abkommens mit Vertretern der militant-islamistischen Gruppe. US-Außenminister Mike Pompeo werde an der dafür vorgesehenen Zeremonie teilnehmen, erklärte Trump kurz nach dem Ende einer vereinbarten einwöchigen Deeskalationsphase. Verteidigungsminister Mark Esper werde seinerseits mit der afghanischen Regierung eine Erklärung abgeben. Die Unterzeichnung des Abkommens wurde für Samstag in Doha erwartet.

Die USA hatten nach mehr als eineinhalb Jahren Verhandlungen die Verringerung der Gewalt zur Vorbedingung für das Abkommen gemacht, das einen schrittweisen Abzug der US-Truppen herbeiführen und innerafghanische Friedensverhandlungen einleiten soll. Die Taliban sollen Garantien geben, dass das Land kein sicherer Hafen mehr für Terroristen wird. Die Woche war als Test angesehen worden, ob die Taliban ihre Reihen kontrollieren können. Pompeo sagte am Freitag, in den vergangenen sechs Tagen habe es eine signifikante Verringerung der Gewalt gegeben.

Trump brüstet sich

Der Krieg in Afghanistan ist der längste in der Geschichte der USA. Im Wahlkampf habe er dem amerikanischen Volk versprochen, "dass ich damit beginnen würde, unsere Truppen nach Hause zu bringen und zu versuchen, diesen Krieg zu beenden", erklärte Trump am Freitag. "Wir machen erhebliche Fortschritte bei der Einlösung dieses Versprechens."

Aus Trumps Sicht ist das Abkommen mit den Taliban - noch dazu im Wahljahr - eine Errungenschaft, bei dem er sich auch der Zustimmung seiner Gegner sicher zeigt. "Jeder ist glücklich darüber", sagte er noch am Dienstag. Zudem brüstet der Republikaner sich damit, dass es niemandem zuvor gelungen sei, im Afghanistankrieg ein Abkommen zu erzielen.

In der Deeskalationsphase spielten sich in dem Krisenland ungewohnte Bilder ab: Im nördlichen Kundus organisierten Taliban-Kämpfer Wrestling-Wettkämpfe und Buskaschi-Wettbewerbe - ein beliebtes Reiterspiel mit einem kopflosen Kalb als Trophäe. In der Hauptstadt Kabul lief der Kommandeur der US-Truppen, General Austin Scott Miller, zu Fuß durch die belebte Chicken Street. Mit einer Pistole bewaffnet, aber ohne Helm und Schutzweste, erlaubte er Bewohnern Kabuls, Selfies mit ihm zu schießen. Aus anderen Städten kamen Videos freudig auf der Straße tanzender Menschen.

In der zuletzt unruhigen Provinz Balch habe es in den vergangenen sechs Tagen lediglich zwei Angriffe auf Sicherheitskräfte gegeben, sagte ein Provinzrat am Freitag. Davor seien es mehrere täglich gewesen. Aus Nangarhar im Osten hieß es von einem Provinzrat, es habe kein einziger Angriff stattgefunden. In den Monaten davor seien dort jede Woche 20 Sicherheitskräfte ums Leben gekommen.

Vorbereitungen für die Unterzeichnung

Das Innenministerium machte die Taliban am Freitag für drei Angriffe in drei der 34 Provinzen verantwortlich, bei denen ein Polizist getötet worden sei und es drei Verletzte gegeben habe. Einen Überblick über die gesamte Woche wolle man am Samstag geben, hieß es.

Im Golfemirat Katar liefen die Vorbereitungen für die Unterzeichnung auf Hochtouren. Erwartet werden dort Vertreter aus mehr als 20 Ländern, darunter mehrere Außenminister. Erste Gäste wie der pakistanische Außenminister Shah Mehmood Qureshi seien bereits in Doha eingetroffen, berichteten afghanische Medien am Freitag.

Vertreter der US-Regierung hatten sich wie die Taliban in den vergangenen Wochen zunehmend zuversichtlich gezeigt, dass es zu der Unterzeichnung kommen wird. Die Taliban kommen damit ihrem Langzeitziel ein bedeutendes Stück näher: dem Ende der "ausländischen Besatzung", wie sie es nennen, also dem Abzug der US-amerikanischen und internationalen - auch deutschen - Truppen. Die Taliban waren 2001 von einer US-geführten Militärkoalition von der Macht vertrieben worden, nachdem sie den Terrorpaten Osama bin Laden beherbergt hatten.

Genaue Details der Einigung sind noch nicht bekannt, aber schmerzliche Zugeständnisse mussten die Islamisten in den Verhandlungen mit den USA kaum machen. In den vergangenen Jahren waren die Taliban militärisch zunehmend aggressiv aufgetreten und hatten sich eine starke Verhandlungsposition aufgebaut. Sie überrannten immer mehr Gebiete. Taliban-Kämpfer töteten eine Zeit lang durchschnittlich 35 Sicherheitskräfte am Tag. Auch Provinzhauptstädte überfielen die Islamisten immer wieder - konnten sie allerdings nicht lange halten.

Ungelegener Zeitpunkt

Bei den Verhandlungen zwischen Vertretern der Taliban und den USA war die Regierung in Kabul lediglich Zaungast. Die Taliban beharrten darauf, frühestens mit Kabul zu sprechen, wenn der Abzug der internationalen Truppen geregelt ist. Mit der Unterzeichnung des USA-Taliban-Abkommens sollen die innerafghanischen Gespräche möglicherweise schon binnen zwei Wochen beginnen.

Der Zeitpunkt kommt für die politische Elite in Kabul höchst ungelegen. Vor zwei Wochen erklärte die Wahlkommission den bisherigen Präsidenten Aschraf Ghani zum Wahlsieger. Sein wichtigster Herausforderer, Abdullah Abdullah, erkennt das Ergebnis jedoch nicht an und erklärte sich selbst zum Sieger. Für diese Woche hatten beide Politiker separate Amtseinführungszeremonien geplant - bis Ghani, offenbar auf US-Druck, seine Einführung auf Mitte März verschob.

Vor diesem Hintergrund betrachten Beobachter es als große Herausforderung, ein von allen Seiten gefordertes inklusives Verhandlungsteam zu bilden, das schlagkräftig ist und geeint auftritt. Dabei würde es bei den innerafghanischen Gesprächen um die entscheidende Frage gehen: Wie soll ein zukünftiges Afghanistan mit Taliban-Beteiligung aussehen? Viele bezweifeln, dass sich die Taliban in das bestehende demokratische System, das sie so lange abgelehnt haben, integrieren. Die Taliban sprechen von einem "islamischen System", das sie aufbauen möchten.

Völlig unklar ist gleichzeitig, wie es nach den sieben Tagen Gewaltreduzierung weitergehen soll. Es herrscht Skepsis, dass das Land wirklich zur Ruhe kommt. Viele Afghanen drücken aber auch die Hoffnung aus, dass die Gewaltverringerung zu einem dauerhaften Waffenstillstand und in der Folge zu Frieden führt. (dpa)