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Verbotene Karibik

Hitzezeit ist vor allem Badezeit. Beliebter Anlaufpunkt sind hier in der Region in diesen Tagen die Baggerseen des Ottendorfer Kieswerks.

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© Thorsten Eckert

Von Rainer Könen

Ottendorf-Okrilla. Ob ich etwa beabsichtige, auf dem Seitenstreifen der Kieswerkstraße zu parken, will der Polizist wissen. Als ich verneine und darauf hinweise, dass ich als Pressevertreter sozusagen in dienstlicher Mission unterwegs bin, entspannen sich die strengen Gesichtszüge des Ordnungshüters.

Rings um die Ottendorfer Baggerseen gibt es viele Dreckecken wie hier.
Rings um die Ottendorfer Baggerseen gibt es viele Dreckecken wie hier. © Thorsten Eckert
Die Schilder, die auf das Badeverbot hinweisen, sie werden schlichtweg ignoriert.
Die Schilder, die auf das Badeverbot hinweisen, sie werden schlichtweg ignoriert. © Thorsten Eckert

An diesem Vormittag ist gerade nicht viel los an den Baggerseen des Ottendorfer Kieswerks, nur eine Handvoll Autos sind am Straßenrand abgestellt. Lohnt sich also kaum für die Polizisten, Knöllchen zu verteilen. Aber man habe gerade „auftragsfreie Zeit“, wie einer der beiden Ordnungshüter es beschreibt, ergo nutze man die, um hier mal wieder nach dem Rechten zu schauen. „30, hier darf man nur 30 Stundenkilometer fahren“, ruft einer der beiden Polizisten einem Lkw-Fahrer zu. Der bremst sofort ab. Was auf dieser Straße derzeit los sei, er schüttelt den Kopf, das sei unglaublich. Diese auch von den Einheimischen als Schleichweg genutzte Straße, die Hirschkurve ist gesperrt, sei mittlerweile zu einer „Rennpiste“ geworden. Und dann die vielen Menschen an den Wochenenden, er könne es nicht nachvollziehen, „das Baden ist doch verboten“, meint er. Aber Gesetz und Ordnung, das seien für die meisten wohl einfach Fremdworte.

Es ist drückend-heiß, 30 Grad sind es bereits um diese Vormittagszeit. Das ganze Gelände rings um die Kiesgruben sei knochentrocken, erzählt einer der Polizisten. Ein einzelner Funke reiche, sein Gesicht bekommt hilflose Züge „dann war es das“, habe man hier ein Inferno.

Viel Müll im Gelände

Auf dem Weg hinunter zu den Seen stolpert man häufig über Müll. Ein paar dunkel-gebräunte nackte Gestalten stehen am Ufer. Ältere Menschen, die der Freikörperkultur frönen. In etlichen Strandnischen liegen Scherben, Abfall, verkohlte Holzstücke. Maschinenlärm liegt in der Luft. Im nahe liegenden Kieswerk wird gearbeitet, Lastwagen fahren über eine staubige Schotterpiste dorthin. Die Luft beginnt allmählich zu flirren. Schattige Plätze? Fehlanzeige an diesem Ort. Im Wasser, unweit des Ufers, steht eine vierköpfige Rentnergruppe. Gesprächsthema: der Tod durchs Ertrinken. „Mensch, hier haben sie vor zehn Jahren zwei vom Grund des Sees geholt“, erzählt einer. Ein Blick aufs Wasser, es schimmert grün, wirkt klar, kleine Fische sind zu sehen. Bringt das Wasser Abkühlung? In einer Eistonne scheint man besser aufgehoben. Das Wasser hat Badewannentemperatur. Was macht den Reiz aus? „Kostet nix“, meint ein Ottendorfer Rentner. Vormittags sei auch nicht viel los. Und meist bleibe er nur zwei Stunden ...

An den Wochenenden im Sommer sind die Baggerseen für etliche eine Art Zuhause. „Die machen Party“, erfährt man von den Polizisten. Zu Spitzenzeiten, und dazu gehören Samstagabende, sind es in diesen Tagen bis zu Tausend Menschen, die an den Ottendorfer Baggerseen Sommerferienfeeling tanken. In den sozialen Medien werde mächtig viel Werbung für die Baggerseen gemacht, erfährt man von den Ordnungshütern. Schwärmten etliche davon, dass es in Ottendorf wie in der Karibik sei. Der Unterschied: Dort kann man überall ins Wasser springen, hier ist es verboten. Offiziell jedenfalls Überall weisen Schilder darauf hin, Schilder, mit dem Hinweis, dass ein Aufenthalt im und am Wasser lebensgefährlich werden kann. Todesfälle hat es einige gegeben. 2017 war ein fast 90-jähriger Mann ertrunken. „Den See haben wir damals abgesperrt, wegen der Spurensicherung“, so der Polizeibeamte. Doch der Tod dieses Menschen habe viele „kaltgelassen“. Also sei man in einem der anderen Baggerseen baden gegangen. Es ist kurz vor zwölf Uhr, die Hitze ist brennend. Immer noch liegen Menschen auf kieseligen Strandabschnitten. Ohne Sonnenschirm.

Allmählich verändert sich die Badeklientel. Etliche der älteren Besucher packen ihre Handtücher ein, gehen. Junge Leute kommen, Familien mit Kind und Kegel und Kühltasche. Den Lärm des Kieswerks, den höre sie schon lange nicht mehr, sagt eine junge Königsbrückerin. Am Abend sei es ohnedies ruhiger, in diesem verbotenen Badeparadies, das für manchen karibisches Flair verströmt.