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„Beweislast gleich null“

Nach dem Tod eines Mannes in Chemnitz verlangen zwei Tatverdächtige ihre Freilassung. Jetzt meldet sich einer ihrer Anwälte zu Wort - mit Vorwürfen gegen die Staatsanwaltschaft.

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© Gerald Hähnel

Chemnitz. Knapp drei Wochen nach dem gewaltsamen Tod eines 35-jährigen Mannes in Chemnitz verlangen zwei Tatverdächtige ihre Freilassung aus der Untersuchungshaft. Beide Männer haben über ihre Anwälte Anträge auf Haftprüfung gestellt, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz, Ingrid Burghart, am Freitag sagte. Die Haftprüfungstermine am Amtsgericht Chemnitz seien für kommende Woche anberaumt.

Der Strafverteidiger Ulrich Dost-Roxin, Anwalt eines 22 Jahre alten Beschuldigten, erklärte, dass sich ein Tatverdacht gegen seinen Mandaten nicht belegen lasse. Die Beweislast in dem Haftbefehl sei „gleich null“. Der Mann bestreite, an der tödlichen Attacke beteiligt gewesen zu sein. Er habe einige Meter abseits gestanden. Das belege auch eine Zeugenaussage. Mehrere Medien hatten zuvor berichtet.

Dost-Roxin erhob in einer Erklärung Vorwürfe gegen die sächsischen Behörden. Er habe „Grund zu der Annahme, dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Amtsgericht Chemnitz wider besseres Wissen und somit vorsätzlich meinen Mandanten seiner Freiheit beraubten und noch berauben“, teilte er am Freitag mit.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hatte unmittelbar nach der tödlichen Attacke Haftbefehle gegen den 22-Jährigen und einen 23-jährigen Mann beantragt. Sie sollen aus dem Irak und Syrien stammen, allerdings gibt es Zweifel an ihrer Identität. Nach einem weiteren 22 Jahre alten mutmaßlichen Iraker wird international gefahndet. Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftlichen Totschlag.

Zum Hergang der tödlichen Attacke am Rande des Chemnitzer Stadtfests Ende August machen die Behörden bislang keine genauen Angaben. Es soll einen Streit gegeben haben, der in den tödlichen Messerstichen gegen den 35 Jahren alten Deutschen gipfelte. Ein weiterer Mann wurde mit einem Stich in den Rücken schwer verletzt.

Laut Dost-Roxin wurde die mutmaßliche Tatwaffe, ein größeres Klappmesser, von der Polizei gefunden. Daran seien Blutspuren des Getöteten und des Schwerverletzten gewesen. Fingerabdrücke oder andere verwertbare Spuren seines Mandanten seien an dem Messer dagegen nicht gefunden worden, sagte der Anwalt.

Der Tod des 35-Jährigen hatte zu Demonstrationen und fremdenfeindlichen Übergriffen in Chemnitz geführt. Für den Freitagabend hatte das rechtspopulistische Bündnis pro Chemnitz erneut zu einer Demonstration aufgerufen.

In Chemnitz könnte unterdessen möglicherweise eine Waffenverbotszone eingeführt werden. Ordnungsbürgermeister Miko Runkel kündigte am Freitag an, dass die Stadt die Einführung eines solchen Gebietes prüfe, wie die Stadtverwaltung Chemnitz bestätigte. Die Stadt werde dazu an das Sächsische Innenministerium herantreten. In welchen Straßen der Stadt ein Waffenverbot gelten könnte, sei noch unklar. Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet. (dpa)