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Verfassungsschutz schaut nach rechts und links

Die Dresdner Anti-Islam-Proteste sind für die Rechtsextremen ein Problem. Leipzig bleibt Hochburg der Autonomen.

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© dpa

Von Karin Schlottmann

Nach ihrem Scheitern bei der Landtagswahl im vorigen Jahr ist die sächsische NPD in große Bedrängnis geraten. Interne Machtkämpfe und Unklarheit über die künftige strategische Ausrichtung machen der rechtsextremistischen Partei schwer zu schaffen, sagte Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath gestern in Dresden. Zahlreiche Parteimitglieder, darunter auch ehemalige Funktionäre, hätten sich inzwischen anderen Parteien aus dem rechten Spektrum angeschlossen. Dazu zählen etwa „Die Rechte“ und „Der III. Weg“, eine Gruppierung, die überwiegend im Vogtland aktiv ist. Die NPD gibt ihre aktuelle Mitgliederzahl mit 719 an. Meyer-Plath: „Ihre künftige Entwicklung ist nur schwer zu prognostizieren“.

Von den Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik kann die NPD bisher nur punktuell profitieren. Sie habe insbesondere im Landtagswahlkampf versucht, eigene Anti-Asyl-Kampagnen zu starten – mit allerdings eher mäßigem Erfolg. Zum Teil agierten sie offen unter ihrem Parteinamen, zum Teil beteiligten sich die Rechtsextremisten an entsprechenden regionalen Bürgerinitiativen und versuchten, diese zu unterwandern. Beispiele für Anti-Asyl-Proteste mit erkennbaren und relevanten rechtsextremistischen Bezügen, sind laut Verfassungsschutz unter anderem in Ottendorf-Okrilla, Bautzen und Chemnitz zu finden.

Anti-Asyl-Proteste ohne NPD

Rechtsextreme Propaganda gegen Flüchtlinge findet auf den Straßen, aber auch im Internet statt. Dutzende Facebook-Aktionen hat der sächsische Verfassungsschutz zu diesem Thema registriert. Allein in Zwickau konkurrieren fünf verschiedene Facebook-Seiten um die öffentliche Aufmerksamkeit. Soziale Medien seien ein wichtiges Instrument zur Mobilisierung der Anhänger, hieß es.

Der große Anti-Asyl-Protest finde allerdings ohne die NPD statt, sagte Meyer-Plath. „Pegida ist eher ein Problem als eine Chance für die NPD.“ Weder die Organisatoren noch die große Zahl der Teilnehmer an den Pegida-Märschen in Dresden seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtsextrem geprägt. Deren Aktivitäten würden daher nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

In Leipzig sei die Lage anders. Dort gebe es Anhaltspunkte, dass die sogenannten Legida-Demos von rechtsextremen Kräften maßgeblich beeinflusst werden. Die Abgrenzung zwischen extremistischem und nicht-extremistischem Protest bleibe in den nächsten Monaten die große Herausforderung für den sächsischen Verfassungsschutz, kündigte Meyer-Plath an.

Weiterer Schwerpunkt des neuen Verfassungsschutz-Berichts, der im Frühjahr erscheinen soll, ist die Eskalation linksextremistischer Gewalt in Leipzig. Im Gegensatz zur bundesweiten Entwicklung ist in Sachsen die Zahl der Autonomen im vorigen Jahr gestiegen. Das Landesamt zählt aktuell 750 Personen zu diesem Spektrum.

50 Anschlagsziele der Autonomen

Nach einem „Aufruf zur Gewalt gegen jene, die diese gewalttätige Welt wollten“ haben sich in den Monaten Dezember und Januar bisher sechs Straftaten in Leipzig ereignet, darunter Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Jüngstes Beispiel ist die Attacke von etwa 50 vermummten Tätern auf eine Leipziger Polizeistation am Mittwochabend.

In einem im Internet veröffentlichten Bekenner-Schreiben werden die Polizisten im typischen Jargon der einstigen Rote Armee Fraktion (RAF) als „Schweine“ bezeichnet, deren Aufenthaltserlaubnis erloschen sei. Zu den 50 erklärten und veröffentlichten Anschlagszielen der Leipziger Autonomen gehören außer Polizeistationen Ausländer- und Sozialbehörden, Arbeitsagenturen, Bank-Filialen, Immobilienfirmen, Parteizentralen sowie Zeitarbeitsfirmen.

Eine besondere Gefährdung in Sachsen durch islamistische Terroristen ist nach Ansicht des Verfassungsschutzes zurzeit nicht erkennbar. 190 Menschen werden in Sachsen der Szene zugerechnet. Generell stellen selbst ernannte Gotteskrieger, die aus Syrien oder dem Irak heimkehren, eine Bedrohung dar, sagte Meyer-Plath. Der Fall des zurückgekehrten mutmaßlichen Dschihadisten aus Dippoldiswalde zeige, „dass es auch in Gegenden, in denen der Islamismus nicht so gegenwärtig ist wie anderswo, solche Fälle geben kann.“