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Verwitterte Erinnerung

Das Gefallenendenkmal neben der Lutherkirche soll saniert werden. Die Erinnerungsstätte war für ihre Zeit sehr besonders.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Ihr Blick ist nach unten gerichtet, die Mundwinkel hängen, ihre Augen scheinen ausdruckslos. Das Kind auf dem Arm drückt sich ans Gesicht der Mutter, ein zweites klammert sich an ihrem Bein fest. Trauer, Schmerz und Ungewissheit sprechen aus diesem Bild. Das macht das Gefallenendenkmal neben der Radebeuler Lutherkirche besonders. Dargestellt sind die Hinterbliebenen eines toten Soldaten. „Die trauernde Heimat 1914 – 1918“ steht unter der Figurengruppe.

Das war seinerzeit untypisch für ein Kriegerdenkmal, sagt der Radebeuler CDU-Stadtrat Sven Eppinger. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Erinnerungsstätten an die gefallenen Soldaten meist nationalistisch geprägt. Soldaten mit Stahlhelm und Waffen sollten Stärke symbolisieren. Die 1927 in Radebeul eingeweihte Figurengruppe hingegen zeichnet ein ganz anderes Bild. Hier ist das Leid dargestellt, das der der Krieg über die Bevölkerung gebracht hat.

Eppinger setzt sich für den Erhalt des Denkmals ein. Er möchte, dass die Gedenkstätte grundhaft saniert wird. „Im Moment ist das Denkmal in einem katastrophalen Zustand“, sagt er. Grünspan zieht sich über den Bronzeguss. Die Namen der Gefallenen auf den Sandsteintafeln darunter sind kaum noch zu erkennen, so stark ist der Stein nachgedunkelt. Die Stufen sind verwittert.

Das Denkmal und der dazugehörige Ehrenhain befinden sich nicht auf städtischem Grund, sondern auf dem Gelände der Lutherkirche. Deshalb ist die Kirche auch für die Sanierung zuständig und muss den Großteil der Instandsetzungskosten übernehmen. Pfarrer Christof Heinze berichtet, dass es im Dezember letzten Jahres schon einen Begehungstermin gegeben habe. Mit dabei war auch Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack, Sachsens oberste Denkmalschützerin.

„Wir wollen in diesem Jahr eine Initiative starten, um das Denkmal zu sanieren“, so Heinze. 2018, hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, soll es zumindest einen Auftakt für das Restaurierungsvorhaben geben. Wirklich umgesetzt wird die Sanierung wohl erst in den Folgejahren. Denn zunächst muss Geld eingesammelt werden. Die Gemeine braucht Fördermittel und sie hofft auch auf Unterstützung von den Bürgern. „Wir werden uns mit einem Spendenaufruf an die Bevölkerung wenden“, sagt der Pfarrer.

Momentan hat die Kirche noch ein anderes Großprojekt zu stemmen. Der Neubau des Gemeindehauses kostet ordentlich: knapp zwei Millionen Euro. Am ersten Juniwochenende, zwei Wochen nach Pfingsten, soll das Gebäude eingeweiht werden. „Das neue Haus und der Ehrenhain in seinem jetzigen Zustand passen nicht gut zusammen“, so Heinze.

Einen Zuschuss für das Denkmal könnte es von der Stadt geben aus dem Jahresbudget für Kunst im öffentlichen Raum. „Die Sanierung ist eine ganz schöne Last für die Kirche. Das muss man offen zugeben“, sagt Oberbürgermeister Bert Wendsche. Auch der Stadt sei daran gelegen, dass der Ehrenhain aufgewertet wird. Bisher werde die Anlage kaum wahrgenommen, weil sie von der Straße auch nicht sichtbar ist. Noch hinzu kommt, dass die Erinnerungsstätte nicht von jedem geachtet wird. Manchmal finden sich dort die Hinterlassenschaften von Hunden und Zigarettenstummel, berichtet der Pfarrer. Die Gemeinde habe aber nicht das Personal, um das Areal ständig zu überwachen. Neu hergerichtet, würde das Gelände vielleicht weniger verschmutzt, ist die Hoffnung. Außerdem soll künftig auf einer Bronzetafel auch an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges erinnert werden.

Der Entwurf des Denkmals auf dem Ehrenhain stammte von dem Architekten Emil Högg, der auch mit der Restaurierung der Hoflößnitz beauftragt wurde. Geschaffen wurde die Figurengruppe von Georg Wrba, einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Die Anlage ist als Kulturdenkmal geschützt.