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Viele Hürden stoppen Radfahrer

Kommunen warten teils Jahrzehnte lang auf neue Radwege. Das nötige Geld ist da oftmals das geringste Problem.

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© Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak Und Eva Marie Stegmann

Region Döbeln. Sei 22 Jahren wird geredet, geplant, angehört, verworfen, abgelehnt und wieder umgeplant – der Ausbau des Striegistalradwegs zwischen Hainichen und Gersdorf im Striegistal lässt weiter auf sich warten. Entlang der früheren Bahntrasse Hainichen-Roßwein soll ein Radweg an der B 169 durch Gersdorf und Falkenau entstehen, der in die Staatsstraße 201 nach Hainichen mündet. Doch Hainichen ist nicht die einzige Stadt, die Probleme hat, Radwege durchzuboxen. Woran liegt das?

Kein Geld vom Freistaat für den Bau von eigenständigen Radwegen

Für den Bau von eigenständigen Radwegen hat der Freistaat 2014 und 2015 insgesamt rund 1,7 Millionen Euro ausgegeben. In Mittelsachsen wurden aus dieser gleichnamigen Haushaltsstelle keine Vorhaben realisiert. In Radwege entlang von Staatsstraßen wurden dagegen in Mittelsachsen 2014 und 2015 insgesamt 1,3 Millionen Euro investiert. Dabei wurden bei Straßenbauvorhaben Radwege angelegt. Es handelt sich dabei um Projekte, die aus dem EU-Fonds für regionale Entwicklung (Efre) finanziert wurden. Beispiele sind die Staatsstraße 36 nördlich von Hartha oder der Ausbau der Staatsstraße 31 nördlich von Polkenberg.

Nur reichlich acht Kilometer Radweg innerhalb von zwei Jahren angelegt

Im deutschlandweiten Vergleich steht Sachsen schlecht da: 10,8 Prozent der Staatsstraßen haben Radwege, der Bundesdurschnitt liegt bei 25 Prozent. 850 Kilometer Staatsstraße brauchen einen Radweg, sagt Nicole Wernicke vom Landesstraßenbauamt Lasuv. In Mittelsachsen wurden 2014 und 2015 8,3 Kilometer fertiggestellt. Zur Einordnung: Im Landkreis Bautzen sollten 2015 und 2016 22 Kilometer ausgebaut werden, was von Sachsens Grünen als „lächerlich“ bezeichnet worden war.

Natur- und Umweltschutz können den Bau verzögern oder ganz verhindern

Der Weiterbau des Striegistalradwegs scheitert am Großen Wiesenknopf. Weil auf einer Wiese, die die gewünschten Radwege kreuzen würden, diese Pflanze wächst, die einen seltenen Schmetterling anziehen könnte, liegt ein Teil des Weges auf Eis. Naturschutz kann den Bau von Radlerstrecken verhindern. Ein Schwarzstorch, ein seltener Schmetterling oder ein paar Bäume, die gefällt werden müssten, können Bauprojekte kippen. Kathleen Brühl, Sprecherin beim Sächsischen Wirtschaftsministerium: „Die Umweltrechtssprechung ist aus dem europäischen in den nationalen Kontext übertragen. Dies bedeutet, dass für Radverkehrsanlagen die gleichen Verfahren angewandt werden müssen, wie sie auch für Straßenbau- oder sonstige Großvorhaben anzuwenden sind.“ Daher seien diese Planungen ähnlich komplex und dauerten im Schnitt fünf Jahre.

Mehr als zehn Jahre Wartezeit auf einen Radweg

Auch zwischen Waldheim und Gebersbach wird es in naher Zukunft einen Radweg geben – so wird es seit Jahren proklamiert. Eigentlich sollte der Weg ab Herbst dieses Jahres gebaut werden. Doch das 1,3 Kilometer lange Stück wird nun erst im Frühjahr 2017 errichtet. Neue Hürde diesmal: der Baugrund. Seit Februar 2015 besteht das Baurecht für die Trasse. Bis dahin war es ein weiter Weg: Es lief ein langwieriges Planfeststellungsverfahren, weil der Radweg an ein strenges Naturschutzgebiet (FFH-Gebiet) grenzt.

Auf einem 800 Meter langen Umweg von Leisnig nach Brösen

Ebenfalls seit Jahren kämpft die Stadt Leisnig um einen straßenbegleitenden Radweg in Richtung Brösen. Bis zum Abzweig ins Gewerbegebiet existiert er. Die restlichen Kilometer müssen Fahrradfahrer die Staatsstraße 44 nutzen. Immer wieder ist dieser Wunsch Thema im Stadtrat. Doch es wird wohl bei einem Wunsch bleiben. Das Lasuv erteilte dem Vorhaben eine Abfuhr. Begründung: Die Straße ist im Radwegenetzplan nicht ausgewiesen. Vor reichlich vier Jahren war die S 44 ausgebaut worden. „Bereits in der Planungsphase habe ich eine Unterschriftensammlung initiiert und mich mit meinen Mitstreitern für den Radwegbau eingesetzt. Mehr als 700 Unterschriften kamen zusammen“, sagt Mathias Voigtländer. Für den CDU-Stadtrat ist das Thema noch nicht vom Tisch. Denn gerade in Brösen und Gorschmitz würden viele junge Familien mit Kindern wohnen. Das frisch sanierte Freibad wäre vom Ort aus in kurzer Zeit zu erreichen.

Um von Leisnig nach Brösen zu kommen, müssen Radfahrer derzeit öffentliche Straßen nutzen – egal, welchen Weg sie einschlagen. „Sie könnten vom Gewerbegebiet durch die Gorschmitzer Siedlung weiter nach Brösen fahren. Das ist aber ein Umweg von 700, 800 Metern“, sagt Mathias Voigtländer. Die Stadt könnte den Radweg nicht auf eigene Kosten bauen lassen. Dafür fehlt das Geld. „Aber wir sind ständig auf der Suche nach verschiedenen Fördertöpfen von Land und Bund“, ergänzt der Stadtrat. Außerdem sei der Ausbau der Straße von Brösen in Richtung Skoplau (Landkreis Leipzig) vorgesehen. „Dann stehen wir vor derselben Herausforderung“, erklärt Mathias Voigtländer.

Innerörtliche Radwege könnten prinzipiell schneller errichtet werden

An kommunalen Straßen geht es flotter voran. Die Gemeinden müssen nicht erst herausfinden, wer zuständig ist, weil sie es selbst sind. Nachbarkommunen mischen nicht mit, und Umweltrechtsprechung ist keine Hürde, wenn keine Wiesen und Bäume für einen Weg geopfert werden müssen. Es könnten beispielsweise Fahrradschutzstreifen angelegt werden. In zahlreichen mittelsächsischen Kommunen ist das allerdings schwierig, weil Straßen dort oft schmaler als 7,50 Meter sind – was ein Ausschlusskriterium ist.

Drei Radwegkonzepte sind auf einen Nenner zu bringen

Das Haupt-Radwege-Netz in Mittelsachsen ist etwa 500 Kilometer lang. Bisher hatten die drei Altkreise Döbeln, Freiberg und Mittweida eigenständige Radwegeverkehrskonzepte. Die Kreisbehörde fasst sie zusammen und aktualisiert sie. Sie sind eine Grundlage dafür, dass Kommunen Geld für Bauvorhaben beim Freistaat oder Bund beantragen können. (mit FP)