Von Thomas Walther
Niesky. Das Jahr 2016 ist für den Nieskyer Fahrzeug-Instandhaltungsbetrieb Günter Schuster schon jetzt ein sehr gutes Jahr. Nicht nur, weil der Betrieb seit dem Frühjahr bereits 25 Jahre besteht. Viel wichtiger ist für Inhaber Günter Schuster, dass er seit Langem wieder in diesem Jahr alle vier Lehrstellen besetzen konnte. So beginnen mit dem neuen Lehrjahr in der Instandhaltung am Weidmannsheim eine Büromanagerin und drei Fahrzeugmechatroniker ihren Einstieg ins Berufsleben „Wir bilden seit Gründung unseres Unternehmens 1991 aus“, so Günter Schuster Bisher haben weit mehr als 20 junge Leute hier ihren Beruf erlernt.
Es könnten noch mehr sein. Doch vor allem in den letzten Jahren wurde es zunehmend schwerer, Lehrlinge zu finden. So gab es auch Jahre, in denen die Ausbildungsplätze leer blieben. Sehr zum Leidwesen des Unternehmers, zu dessen Credo es auch gehört, jungen Menschen eine Chance nach dem Abschluss der Schule zu geben. „Wir haben da auch eine Verantwortung gegenüber der Jugend“, so Schuster. Darüber hinaus sieht er in der Ausbildung auch eine Chance, die jungen Leute in der Region zu halten.
Im Kulturhotel Fürst Pückler in Bad Muskau kennt man die Probleme mit den leeren Lehrstellen reichlich. In diesem Jahr verfährt man daher nach der Devise, besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Personalchefin Angela Worbs: „Eigentlich hätten wir sechs Lehrlinge einstellen können. Aber wir sind schon sehr zufrieden, dass wir für alle drei Bereiche, Koch, Restaurant- und Hotelfachmann, jeweils einen Lehrling haben.“
Was allerdings sehr zum Leidwesen der Hotelbetreiber in diesem Jahr wieder nicht geklappt hat, jemanden für den Bereich Tourismuswirtschaft und Hotelmanagement zu finden. Angela Worbs: „Wir haben da eine Partnerschaft mit der Berufsakademie Breitenbrunn im Erzgebirge und dürfen diese Lehrstelle anbieten.“ Voraussetzung für den Bewerber ist aber der Abschluss des Abiturs. Noch hoffen die Verantwortlichen auf einen verspäteten Bewerber.
Günter Schuster und Angela Worbs stehen mit ihren Nachwuchs-Sorgen beileibe nicht allein in der Region da. In vielen Berufsbereichen des Landes bleiben auch in diesem Jahr wieder viele Lehrstellen unbesetzt. In einer aktuellen Erhebung beklagen zum Beispiel die drei Handwerkskammern des Freistaates, Dresden, Chemnitz und Leipzig, dass kurz vor dem Beginn des Lehrjahres am 1. September aktuell über 1 300 Lehrstellen im Bereich der Handwerksberufe noch immer nicht besetzt sind.
Im Landkreis Görlitz ist nach der Erhebung mit 147 unterschriebenen Lehrverträgen die Zahl der neu Auszubildenden in den letzten Jahren fast gleich geblieben. Dennoch drücken den Handwerksbetrieben im Land mächtig die Schuhe, so Daniel Bagehorn, Pressereferent der Handwerkskammer Dresden.
Vom Nachwuchsmangel besonders betroffen ist das Nahrungsmittelhandwerk. Gerade in den Bereichen Bäckereien und Fleischereien sieht es sehr düster aus. „Beispielsweise fehlen Bäckereien und Fleischereien die Lehrlinge. Im Bäckerhandwerk liegt dies unter anderem an für Jugendliche vergleichsweise unattraktiven Arbeitszeiten. Bäcker beginnen um etwa drei Uhr morgens und beenden ihre Arbeit, wenn andere auf dem Weg zum Job sind“, so Daniel Bagehorn. Aber er sieht das Problem auch genereller. Bagehorn begründet die Misere mit dem Trend zu höheren Schulabschlüssen und Studium sowie mit sinkenden Schulabgängerzahlen durch den demografischen Wandel. Nach offiziellen Erhebungen gibt es heute mindestens 10000 Schulabgänger weniger im Land als noch vor Jahren. Dazu kommt eben der Wunsch vieler Schulabgänger nach einem Studienplatz, um sich dann später bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt auszurechnen.
Aber es liege auch an der Qualifikation der Schulabgänger. Die habe in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. So müsse man im Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker auch Mathematik und Physik gut beherrschen. Doch da mangelt es bei vielen Schulabgängern. Die Ursache dafür sieht Bagehorn auch in den vielen Ausfallstunden an den Schulen, verursacht durch zu wenig Lehrer. Hier sieht die Handwerkskammer die Politik in der Pflicht, wieder mehr Lehrer einzustellen. Ob die diesjährige Rekordzahl von Quereinsteigern im Pädagogenberuf den Mangel an den Schulen beseitigen kann, sei fraglich.
Gerade für die ländlichen Regionen sieht Daniel Bagehorn ein weiteres Problem. „Viele Jugendliche bewerben sich inzwischen bundesweit. Dann suchen sie oft die Lehrstelle aus, wo es mehr zu verdienen gibt und die Karrierechancen höher sind, in Großstädten oder im Westteil des Landes.“ Angela Worbs macht da auch noch die mangelnde Infrastruktur verantwortlich. „Bei späten Arbeitszeiten kommen unsere Lehrlinge mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr nach Hause. Sie wären gezwungen, den Führerschein zu machen und sich ein Auto zu kaufen.“ Dafür fehle aber das Geld. Und so würden sie nach Lehrstellen in den Städten schauen.
Maria Friedrich und Robert Kurpiela, die beiden neuen Kollegen in der Firma Schuster, machen nicht nur ihren Chef glücklich. Denn beide haben nicht nur eine Lehrstelle direkt nach dem Schulabschluss bekommen. Die angehende Büromanagerin und der zukünftige Land- und Baumaschinenschlosser werden nach nur wenigen Bewerbungsversuchen in den nächsten zwei- bis drei Jahren sogar ihre Traumberufe erlernen können.