Dem Militärbündnis wird es in Teilen des Krisenlandes zu gefährlich. Auch Deutschland versetzt Truppen ins Ausland. Die Lage im Überblick.
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Der internationale Konflikt nach der Tötung von Irans Top-General Soleimani durch die USA hat Auswirkungen auf die Bundeswehr: Sie zieht ihre Soldaten aus den Standorten Bagdad und Tadschi im Irak vorerst ab. Aus den USA kommt überraschend eine andere Ansage.
Bei einer Massenpanik während des Trauerzugs für den iranischen General Ghassem Soleimani in der Stadt Kerman sind am Dienstag mindestens 56 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 200 Menschen wurden verletzt. Die Lage im Überblick:
Bundeswehr und Nato versetzen Truppen - US-Regierung dementiert Abzugspläne
Mindestens 56 Tote bei Massenpanik bei Soleimani-Trauerzug
Irans Außenminister darf nicht zum UN-Sicherheitsrat in New York
USA warnen vor möglichen iranischen Aktionen gegen Handelsschiffe
Pentagon distanziert sich von Trumps Drohungen
Soleimanis Tod eint den Iran
Auswärtiges Amt rät von Iranreisen ab
Nach der Bundeswehr hat wegen der Spannungen im Nahen Osten nun auch die Nato einen Teil ihrer Soldaten aus dem Irak abgezogen. Das bestätigte ein Sprecher des Militärbündnisses am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Die Nato habe sich zum Schutz der Soldaten entschlossen, einen Teil des Personals an andere Orte im Irak oder außerhalb des Landes, sagte der Sprecher. Man sei bereit, die Ausbildungsmission wieder aufzunehmen, wenn es die Lage vor Ort zulasse. Zuvor hatte der "Spiegel" darüber berichtet.
Angesichts der aktuellen Lage in der Region hatte die Nato bereits am Wochenende entschieden, die tägliche Ausbildungsarbeit zunächst auszusetzen. Die Mission laufe aber grundsätzlich weiter, hatte ein Sprecher betont.
Nachdem die USA in der Nacht zum Freitag den iranischen Top-General Ghassem Soleimani getötet hatten, hatten die Spannungen zwischen Teheran und Washington stark zugenommen. Am Sonntag stimmte das Parlament im Irak dann für eine Resolution, nach der die Regierung den Abzug aller ausländischen Truppen im Land einleiten soll, die Teil des US-geführten Bündnisses zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind. Die Bundeswehr zog ihre im Zentralirak eingesetzten Soldaten bereits ab. Sie wurden nach Jordanien und Kuwait geflogen.
Auch ein Teil des kroatischen Kontingents der Nato-Mission wurde von Bagdad nach Kuwait verlegt, wie das Verteidigungsministerium in Zagreb mitteilte. Dies betreffe 14 Soldaten. 7 weitere hätten ihre Mission abgeschlossen und seien zurück in die Heimat geflogen worden.
Der aktuelle Irak-Einsatz der Nato läuft seit Oktober 2018. Er soll die irakischen Streitkräfte in die Lage versetzen, ein Wiedererstarken der Terrormiliz IS zu verhindern. Dazu schulen mehrere hundert Ausbilder irakische Militärausbilder und helfen beim Aufbau von Militärschulen. Als Ausbildungsort wurde neben der Hauptstadt-Region Bagdad unter anderem der Militärkomplex in Tadschi ausgewählt. Die Bundeswehr ist an dem Nato-Einsatz nicht beteiligt.
In der Debatte um den Verbleib der Bundeswehr im Irak hat der CDU-Politiker Johann Wadephul unterdessen versichert, dass der Einsatz keineswegs beendet sei. "Die meisten deutschen Soldaten bleiben im Irak", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion am Dienstag im "Inforadio" des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb). Obwohl ein Teil der Truppe aus Sicherheitsgründen nach Jordanien verlegt werde, sei entscheidend, "dass der ganz große Teil des Kontingents in Erbil, also im Irak bleibt", erklärte er weiter.
Wadephul kritisierte die US-Regierung für ihr Vorgehen gegen den iranischen General Ghassem Soleimani: "Dieser Anschlag hat nicht für mehr Sicherheit, sondern für mehr Unsicherheit gesorgt. (...) Er gefährdet auch Europa und das zeigt für die Zukunft, dass wir uns sicherheitspolitisch von den Vereinigten Staaten unabhängiger machen müssen", sagte Wadephul.
Die Bundeswehr unterstützt den Kampf gegen den IS mit Tornado-Aufklärungsjets und Tankflugzeugen sowie mit Militärausbildern im Irak. Die Flüge über dem Irak und Syrien finden nach wie vor statt.
Massenpanik mit Toten bei Soleimanis Beerdigung
Bei einer Massenpanik während des Trauerzugs für den iranischen General Ghassem Soleimani in der Stadt Kerman im Südosten des Landes sind mindestens 56 Menschen ums Leben gekommen. Das berichtete das Staatsfernsehen am Dienstag unter Berufung auf die örtlichen Behörden. Außerdem wurden Dutzende Menschen verletzt.
Soleimani war in der Nacht zum Freitag in der irakischen Hauptstadt Bagdad bei einem US-Angriff getötet worden und sollte am Dienstag beigesetzt werden. Wegen der riesigen Menschenmenge musste die Beisetzung Suleimanis verschoben werden. Es bestehe keine Möglichkeit die Leiche zum Friedhof zu transportieren, hieß es zur Begründung.
In Kerman hatten sich nach Medienangaben Hunderttausende Menschen versammelt, um den Trauerzug durch den Geburtsort Soleimanis zu begleiten. Der Marsch führte am Dienstag durch das Zentrum der Stadt im Südosten des Landes zum Märtyrer-Friedhof. Die Zeremonie wurde erneut auf fast alle Fernsehkanälen live übertragen.
Anwesend am Trauerzug war auch der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), Hussein Salami. "Wir werden Rache nehmen und die wird konsequent und hart sein, so dass die Amerikaner ihre Tat bitter bereuen", sagte Salami. Die Masse erwiderte den Aufruf mit "Rache, Räche"- und "Allahu Akbar"-Rufen ("Gott ist der Größte").
Wegen des erwarteten Massenandrangs war der Dienstag in Kerman zum örtlichen Feiertag erklärt worden - wie zuvor schon der Montag in der Hauptstadt Teheran. Damit wollte die Regierung möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, sich von dem als Märtyrer verehrten General zu verabschieden.
Zuvor hatte es in mehreren iranischen Städten große Trauerzüge gegeben. Allein in Teheran nahmen am Montag nach Medienberichten Millionen Menschen Abschied von Soleimani. Zuvor hatten Hunderttausende an Trauerzeremonien in Ahwas, Maschad und Ghom teilgenommen. Die Bilder der von unzähligen Menschen gesäumten Straßen gingen um die Welt.
USA verweigern Visum für Reise zu UN
Unterdessen haben die USA dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nach dessen Angaben das Visum für eine Reise zu den Vereinten Nationen verweigert. "Der amerikanische Außenminister hat den UN angeblich mitgeteilt, dass sie keine Zeit hatten, für Sarif ein Visum auszustellen", sagte der iranische Chefdiplomat am Dienstag der Nachrichtenagentur Isna.
Dem Außenminister eines UN-Mitgliedstaates das Visum zu verweigern, sei ein Zeichen für den "politischen Bankrott" der derzeitigen US-Regierung, fügte er hinzu. Sarif war vom vietnamesischen Außenminister zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Donnerstag in New York eingeladen worden.
US-Militär bleibt im Irak
Das US-Militär hegt trotz der Forderung des irakischen Parlaments nach einem Truppenabzug aller ausländischen Streitkräfte nach eigenen Angaben keine entsprechenden Pläne. "Die US-Politik in Bezug auf unsere Truppenpräsenz im Irak hat sich nicht verändert", erklärte Pentagon-Sprecherin Alyssa Farah am Montagabend. Damit trat sie dem - durch einen Brief an das irakische Verteidigungsministerium entstandenen - Eindruck entgegen, das Militär habe Vorbereitungen für einen Abzug der US-Soldaten angekündigt. Generalstabschef Mark Milley bezeichnete den Brief später als Entwurf, der versehentlich publik geworden sei.
Die USA haben derzeit rund 5.000 Soldaten im Irak stationiert, vor allem als Teil des internationalen Militärbündnisses für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Das Parlament in Bagdad hat die irakische Regierung aufgefordert, alle ausländischen Truppen des Landes zu verweisen. Auch den irakischen Luftraum sollen ausländische Truppen künftig nicht mehr nutzen dürfen. Der Beschluss vom Sonntag war durch den tödlichen US-Luftangriff auf den iranischen Top-General Ghassem Soleimani in Bagdad ausgelöst worden.
Pentagon distanziert sich von Trumps Drohungen
Sollte es tatsächlich zu einem Abzug ausländischer Soldaten aus dem Irak kommen, wäre das ein großer Erfolg für Teheran. US-Präsident Donald Trump drohte dem Irak mit drastischen Sanktionen, falls das Land die US-Bedingungen für einen Abzug nicht akzeptieren würde. Trump forderte etwa die Rückerstattung von Kosten für von der US-Regierung finanzierte Infrastruktur im Irak.
Das Pentagon distanzierte sich von der Drohung Trumps, im Falle iranischer Angriffe auf US-Ziele auch bedeutende Kulturstätten im Iran zu attackieren. "Wir werden die Gesetze des bewaffneten Konflikts befolgen", hieß es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Verteidigungsminister Mark Esper und Generalstabschef Mark Milley. Trump hatte am Samstag mit Angriffen auf Dutzende iranische Ziele gedroht, darunter auch kulturell bedeutende Orte. Diese Drohung sorgte im In- und Ausland für Entrüstung.
USA warnen vor Aktionen gegen Handelsschiffe
Angesichts wachsender Spannungen zwischen Washington und Teheran hat die US-Regierung Handelsschiffe auf den für die globale Energieversorgung wichtigen Wasserstraßen im Nahen Osten vor möglichen iranischen Aktionen gewarnt. Die US-Seebehörde Marad sprach in einer auf ihrer Internetseite veröffentlichten Warnung von Berichten über mehrere Bedrohungen, unter anderem im Persischen Golf und in der Straße von Hormus sowie im Indischen Ozean. Die Warnung gelte seit Montag und bleibe eine Woche lang aktiv, hieß es weiter.
"Die iranische Reaktion auf diese Aktion ist, wenn sie überhaupt erfolgt, unbekannt, aber es besteht weiterhin die Möglichkeit eines iranischen Vorgehens gegen die maritimen Interessen der USA in der Region." Die US-Regierung überprüfe ständig die Sicherheitslage im Seeverkehr. Ziel sei, einen freien Handel und die Sicherheit von Menschen zu gewährleisten sowie US-Interessen zu schützen, hieß es weiter. US-Handelsschiffe wurden aufgefordert, Vorsicht walten zu lassen.
In der Straße von Hormus war es im Sommer 2019 zu mehreren Angriffen auf Öltanker gekommen, hinter denen die USA den Iran vermuten. (dpa)
Soleimanis Tod eint den Iran
Im November noch prügelten sich im Iran Anhänger und Gegner der Führung wegen einer Benzinpreiserhöhung. Nun stehen sie geschlossen nebeneinander. Der Tod von General Soleimani hat den Iran nach den politischen Querelen wieder geeint
Im iranischen Staatsfernsehen ist bei staatlich organisierten Kundgebungen öfter mal die Rede von Millionen von Teilnehmern. Ernst nimmt das jedoch meist keiner. Bei der Trauerzeremonie General Ghassem Soleimani in Teheran allerdings wurde dieses Mal nicht übertrieben. Fast die gesamte Stadtmitte und der Westen der Hauptstadt waren mit Menschenmassen gefüllt. "Es waren diesmal wirklich Millionen", konstatiert ein iranischer Fotograf.
Bei den Trauerfeierlichkeiten für Soleimani stehen Anhänger und Gegner der iranischen Führung erstmals seit Jahren - wenn nicht Jahrzehnten - wieder in aller Öffentlichkeit Seit an Seite. "Das hat mit Politik nichts zu mehr zu tun ..., es war ein Schlag gegen einen von uns", sagt der 26 Jahre alte Student Ehsan. Mit dem islamischen Regime hat Ehsan nichts am Hut, genauso wenig mit den Revolutionsgarden und der Al-Kuds-Einheit. "Aber sowas regeln wir unter uns ..., die Amerikaner geht das nichts an", fügt er hinzu.
Noch im November prügelten sich Demonstranten und Regimeanhänger im Iran wegen der Erhöhung von Benzinpreisen zu Tode. Ein paar Wochen später trauern sie nicht nur gemeinsam, sonder wollen sich auch gemeinsam auch an den USA rächen. "Anders als von den Amerikanern gedacht, führte der Tod von General Soleimani zur Solidarität innerhalb der iranischen Bevölkerung", sagt Präsident Hassan Ruhani.
Dieses Gefühl hatten nicht nur die Menschen in Teheran. Schon in Ahwaz in Südwesten des Landes und in Maschad in Nordosten nahmen an den ersten beiden großen Trauerzeremonien für den Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Einheit Hunderttausende teil. Ungefähr genauso viele Menschen kamen zur vierten Trauerzeremonie in Ghom.
"Soleimani war ein guter und treuer Soldat und hat unser Land jahrzehntelang verteidigt", sagte der 43 Jahre alte Behnam. Das habe mit Politik nichts zu tun. Was passiert wäre, wenn die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in den Iran eingedrungen wäre, wolle er sich nicht vorstellen. "Ghassem hat das verhindert und dafür sind wir ihm alle für immer dankbar," sagte er. Soleimani hatte den Kampf der iranischen Verbündeten gegen den IS koordiniert.
Auch Menschen, die eigentlich nichts gegen die USA und die Amerikaner haben, skandierten lautstark "Tod den USA". "Dieser Trump ist ein Vollidiot," sagte eine 39-Jährige. Der US-Präsident habe kein Recht, in einem anderen Land einen iranischen Soldaten zu töten, nur weil dieser andere Interessen verfolge als das Weiße Haus.
Ziel des US-Einsatzes gegen Soleimani in Bagdad war es, mit seinem Tod die Führung im Iran zu schwächen. Aber die Trauerzeremonien haben gezeigt, dass nun genau das Gegenteil eingetreten ist. Und alle, Anhänger und Kritiker, reden nur noch von Rache. Noch nie, nicht einmal am Anfang der islamischen Revolution von 1979, war ein amerikanischer US-Präsident so verhasst wie derzeit Donald Trump.
Außenminister Mohammed Dschawad Sarif machte sich auf Twitter sogar über Trump lustig und fragte ihn, ob er jemals in seinem Leben solch ein "Meer" an Menschen gesehen habe. Zudem fragte er, ob der US-Präsident weiter auf die "Clowns" hören wolle, die ihn über die Lage in der Nahost-Region berieten. Und er fragte auch, ob Trump wirklich immer noch glaube, dass er das iranische Volk mit Sanktionen und Drohungen in die Knie zwingen könne.
Auswärtiges Amt spricht Reisewarnung aus
Unterdessen hat das Auswärtige Amt vor Reisen in den Iran gewarnt. Iran-Urlauber sollten ihre Reisepläne überdenken. "Verschieben Sie nach Möglichkeit nicht erforderliche Reisen nach Iran", rät das Auswärtige Amt (AA) seit Montagabend in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen für das Land.
Die Sicherheitslage in der Region sei volatiler geworden und könne sich weiterhin sehr schnell verändern, erklärte das Ministerium. In vielen iranischen Städten hatte es nach dem tödlichen Drohnenangriff Großdemonstrationen gegeben. "Mit weiteren auch gegen Ausländer gerichteten und eskalierenden Protesten muss gerechnet werden", heißt es in den Reisehinweisen.
Die Besucherzahlen aus Deutschland waren im Iran nach Jahrzehnten der Flaute wieder spürbar gestiegen - es gab einen regelrechten Reiseboom. Sie brachen allerdings wieder ein, nachdem die USA im Jahr 2018 das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt hatten.
Auch die Informationen für Deutsche, die in die arabischen Golfstaaten reisen, wurden im Licht der jüngsten Entwicklung aktualisiert. In den Hinweisen für Saudi-Arabien, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Katar und Bahrain heißt es jetzt - mit Blick auf mögliche Folgen der Tötung des iranischen Generals - Reisende sollten "besonders aufmerksam" sein und sich "über die aktuellen Entwicklungen" informieren.
Vor Reisen in den Irak wird - mit Ausnahme des autonomen Kurdengebiets im Norden - schon lange gewarnt. Von nicht erforderlichen Reisen in die Region Kurdistan-Irak rät die Bundesregierung ab.