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Villenviertel werden unter Schutz gestellt

In den Dresdner Stadtteilen Blasewitz und Striesen wird es schwerer, Gründerzeit-Häuser abzureißen. Für viele Villen kommt das zu spät.

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© Eric Münch

Von Sandro Rahrisch

Riesige Trümmerberge, mehr nicht. Im Sommer 2014 liegt die Gründerzeitvilla an der Loschwitzer Straße in Schutt und Asche. Zwei Weltkriege hatte sie überstanden. Bis zuletzt lebten zwei Familien in dem Haus, das – wie so typisch für Blasewitz – von einem kleinen Park umgeben war. Doch gegen die Pläne von Investoren hatte der nicht denkmalgeschützte Zweigeschosser von 1890 keine Chance. An seiner Stelle stehen heute zwei viergeschossige Neubauten mit 14 Wohnungen.

Es ist ein Fall, der geradezu exemplarisch für den Nachwende-Bauboom in Blasewitz und Striesen steht. Investoren kaufen Grundstücke mit kleinen, nicht denkmalgeschützten Villen, reißen sie ohne amtlichen Widerspruch ab und bauen größere Häuser, in denen sich mehr Wohnungen vermieten lassen. „Es ist nicht das, was wir uns für diese architektonisch und geschichtlich wertvollen Stadtteile vorgestellt haben“, sagt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne). Durch den Verlust der historischen Bebauung veränderten Blasewitz und Striesen ihr Gesicht. Nicht unbedingt zum Guten, so der Bürgermeister. Er spricht von klassischer Investorenarchitektur, die eine andere, gestalterische Qualität besitze als die alten Villen. Außerdem fielen viele Vorgärten weg, da eben zwei Gebäude gebaut werden, wo früher nur eines stand.

Bislang hatte die Stadtverwaltung kein Instrument, um die Abriss-Neubau-Methode für ungeschützte Villen zu verhindern. Das soll sich nun ändern. In den letzten Monaten hat das Stadtplanungsamt die erhaltungswürdigen, architektonischen Besonderheiten für fünf Viertel zusammengefasst und niedergeschrieben. Etwa die Mansarddächer und die schmiedeeisernen Einfriedungen im Nordosten Striesens. Wollen Eigentümer in diesen Gebieten Häuser abreißen, neu bauen oder baulich verändern, so brauchen sie in Zukunft eine zusätzliche Genehmigung. Es sei nicht das Ziel, jegliche Veränderungen in Blasewitz und Striesen zu unterbinden, sagt Stefan Szuggat, der Leiter des Stadtplanungsamtes. Allerdings solle bei jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob die Immobilie erhaltungswürdig ist und ob sich ein geplanter Neubau mit der Eigenart des Stadtteils verträgt. Neben Striesen-Nordost haben der Süden und Osten Blasewitz‘ eine Erhaltungssatzung bekommen, außerdem die Areale zwischen Waldpark und Schillerplatz sowie Goetheallee und Käthe-Kollwitz-Ufer. Insgesamt geht es um eine Fläche von 3,6 Quadratkilometern und 1 970 Gebäude, die nicht einfach so abgerissen werden dürfen.

Und Szuggat macht auch die Konsequenzen klar, wenn Hauseigentümer gegen die Satzung verstoßen sollten. Es handle sich um eine Ordnungswidrigkeit, für die bis zu 25 000 Euro gezahlt werden müssen. „Auch wer Dachaufbauten plant, seinen Zaun verändern will oder Fenster und Türen austauschen möchte, sollte vorher einmal bei der Behörde nachfragen, ob das mit den Zielen der Erhaltungssatzung vereinbar ist“, sagt der Stadtplaner. Sollte ein Bauherr eine Villa verbotenerweise abreißen, habe die Stadt immerhin noch die Möglichkeit, den geplanten Neubau nicht zu genehmigen. Es spiele keine Rolle, ob ein Gebäude jahrelang vernachlässigt worden wäre. Der Besitzer müsse nachweisen, dass es nicht mehr erhaltungsfähig ist. In den Satzungen soll auch die Möglichkeit festgeschrieben werden, dass die Stadt Grundstücke kaufen kann, um einen Villenabriss zu verhindern. Trotz Erhaltungssatzung warnt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain vor der Hoffnung, dass alle Bauherren in Zukunft nur noch neue Häuser aus Sandstein bauen werden werden. Auf die Materialien hätte die Stadt nach wie vor nur begrenzten Einfluss.

Einige Hürden müssen die Satzungen aber noch nehmen. Bis zum 23. September liegen sie zunächst öffentlich aus. In dieser Zeit sind auch Widersprüche oder Verbesserungsvorschläge möglich. Nach deren Auswertung im Oktober entscheiden die politischen Gremien. „Mit den neuen Satzungen hätte sich in den vergangenen Jahren vieles anders entwickelt“, sagt Szuggat. Dreigeschosser, wo früher zweigeschossige Sommerfrischler-Häuser standen, hätten möglicherweise genauso verhindert werden können wie der Abriss an der Loschwitzer Straße vor zwei Jahren.

Die Satzungen: www.sz-link.de/Erhalten