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Vollbeschäftigung im Blick

Die neue Chefin des Jobcenters hat große Pläne. Dafür muss sie aber auch an die besonders harten Fälle ran.

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Übernimmt eine Männerdomäne: Die 42-jährige Susann Lenz möchte die erfolgreiche Arbeit ihrer Vorgänger im Jobcenter, Gerhard Rose und Hans-Richard Würkner, auf der Meißner Loosestraße weiterführen.
Übernimmt eine Männerdomäne: Die 42-jährige Susann Lenz möchte die erfolgreiche Arbeit ihrer Vorgänger im Jobcenter, Gerhard Rose und Hans-Richard Würkner, auf der Meißner Loosestraße weiterführen. © PR: Claudia Hübschmann

Meißen. Susann Lenz spart nicht mit Lob. Mit dem Jobcenter in Meißen dürfe sie eine der erfolgreichsten Behörden auf diesem Gebiet in Sachsen übernehmen, sagt sie am Dienstagvormittag auf einer Pressekonferenz.

Die 42-Jährige hat künftig das Sagen in der Zentrale auf der Meißner Loosestraße sowie in den über das Kreisgebiet verteilten Zweigstellen. Erfahrung dafür hat sie in verschiedenen Positionen im Bautzener Jobcenter gesammelt.

Tatsächlich können sich die aktuellen Meißner Zahlen sehen lassen. Der neusten Statistik vom Juli zufolge sind im Kreis knapp 4.500 Arbeitlosengeld-II-Empfänger registriert. Das entspricht einer Quote von 3,6 Prozent. Nur zum Vergleich: 2011 war die Zahl der Hartz-IV-Empfänger noch doppelt so hoch.

Der Leiter des Bereichs Eingliederung im Jobcenter, Enrico Münch, führt diesen Erfolg vor allem auf die große Basisnähe der Behörde zurück. Vor 14 Jahren hatte der Landkreis genau aus diesem Grund entschieden, sich künftig in eigener Regie um die Hartz-IV-Empfänger zu kümmern und dies nicht länger der stark zentralisierten Bundesagentur für Arbeit mit Sitz im fernen Nürnberg zu überlassen.

„So haben wir seit 2005 ein sehr enges Netzwerk mit den Unternehmen im Kreis, den Wirtschaftsförderern, den Schulen und vielen Partnern aufgebaut“, sagt die Erste Beigeordnete des Kreises Janet Putz. Schritt für Schritt konnten die Arbeitslosenzahlen immer weiter gesenkt werden. In den letzten Jahren half die Konjunktur. Fast könne von Vollbeschäftigung gesprochen werden. Allerdings eben nur fast, sagt Enrico Münch.

Coaches helfen bei Problemen

Die Quote jetzt weiter zu drücken, erfordert einen höheren Aufwand als manche größeren Statistik-Sprünge in der Vergangenheit. Der Grund dafür ist schnell benannt: Die verbliebene Kundschaft des Jobcenters lässt sich vergleichsweise schwer für den Arbeitsmarkt aktivieren. Wer motiviert und qualifiziert ist, hat längst eine Stelle gefunden. Übrig bleiben die, welche mit sozialen Defiziten zu kämpfen haben. Langzeitarbeitlose bilden typischerweise eine große Gruppe.

Genau aus diesem Grund freut sich Eingliederungsmanager Münch über eine Gesetzesänderung aus dem vergangenen Jahr. Bislang haben die Jobcenter viel mit Bundesprogrammen gearbeitet, die oft jedoch nur über zwei bis drei Jahre liefen. Danach folgte für einige der Teilnehmer ein Bruch.

Mit dem sogenannten Teilhabechancengesetz hat der Bund nachgebessert. Über einen Zeitraum von fünf Jahren fördert das Amt jetzt sozialversicherungspflichtige Jobs von Langzeitarbeitslosen mit einem Zuschuss von 100 Prozent. Dazu kommt die Möglichkeit, die Teilnehmer zu coachen. Mitarbeiter des Jobcenters widmen sich dabei einem Kunden besonders intensiv, betreuen ihn individuell und versuchen, mit ihm gemeinsam Schwierigkeiten im Alltag oder auf der neuen Arbeitsstelle zu beseitigen.

„Wenn es zum Beispiel Probleme mit der Pünktlichkeit am Morgen gibt, dann fährt der Coach vorbei und schaut, was sich machen lässt“, sagt Münch. Auf diese Weise wird nicht zuletzt der Arbeitgeber entlastet.

Die Betriebe seien mit solchen Problemen häufig alleingelassen worden, berichtet Susann Lenz. Den Mitarbeitern fehle die Zeit, sich über das normale Maß hinaus für die Integration eines neuen Kollegen zu engagieren. An dieser Stelle setze der Coach an.

Erste Erfolge haben sich eingestellt. 135 Teilnehmer konnten im Verlauf dieses Jahres über das Teilhabegesetz vermittelt werden. Knapp 60 Prozent von ihnen verdienen in ihrem neuen Job so viel Geld, dass sie keiner Hilfe vom Amt mehr bedürfen. Lediglich vier Kunden sind in den vergangenen knapp acht Monaten abgesprungen.

„Eine so niedrige Abbrecherquote ist wirklich bemerkenswert“, sagt Münch. Das Coaching helfe, auch schwierige Phasen – besonders in den ersten Wochen – zu überstehen. Wenn dann der erste Lohn auf dem Konto eintreffe, stelle sich oft ein sehr starkes Glücksgefühl ein.

Neue Aufgabe ruft

Hat Münch angesichts solch guter Nachrichten keine Angst, sich auf diese Weise selbst überflüssig zu machen? Nein, durchaus nicht. Längst hat der Jobcenter-Manager eine zweite wichtige Aufgabe auf dem Tisch: Innerhalb der sogenannten Fachkräfte-Allianz, die verschiedene Akteure aus dem Kreis umfasst, sucht er keine neuen Jobs für Arbeitslose, sondern andersherum Spezialisten für freie Stellen.