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Vom Single zum Paartänzer

Niklas hat sich den Semperopernball in Dresden erkämpft und dabei Valeria gefunden. Nun sind sie das 1 000. Debütantenpaar.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Da gehört schon Mut dazu. So ganz allein übers Parkett zu kreiseln. Paartanz als Soloauftritt – Niklas Deusing hat ihn gewagt. Im Oktober vergangenen Jahres erschien er beim Debütanten-Casting für den Semperopernball, ohne Tanzpartnerin unter all den Paaren. „Ich trainiere schon seit zwei Jahren Gesellschaftstanz, doch meine bisherige Tanzpartnerin hat aufgehört“, erzählt der 17-Jährige. Eine neue sei zwar gefunden. Doch die habe den Grundkurs gerade erst beendet und traue sich noch nicht zu, als Debütantin zu tanzen. Niklas wollte es wagen und dachte sich: Wenn es klappt, ist es toll. Wenn nicht, dann versuchen es meine Tanzpartnerin und ich nächstes Jahr zusammen.

Der Walzerschritt zunächst allein über den Tanzboden des MDR-Landesfunkhauses, wohin die Bewerber geströmt kamen, blieb Niklas nicht erspart. Dabei bewies er einen sicheren Walzerschritt, Rhythmusgefühl und Ausstrahlung. „Ich habe dann eine Partnerin zugeteilt bekommen, die auch allein gekommen war. Doch wir haben gar nicht harmoniert.“ Ein Okay von den Juroren gab es letztlich nicht, und Niklas hätte sein Vorhaben um ein Jahr verschieben können. Aber schnell aufzugeben, ist nicht sein Ding. Eine Chance sah er noch für sich, und die wollte er nutzen: Das letzte Casting in Leipzig.

Dreifarbiger Nervenkitzel

Auf das hatte sich Valeria Koriatchenko derweil schon gefreut. Dass sie keinen Tanzpartner mitbringen konnte, sollte sie nicht hindern. Die 19-Jährige war wild entschlossen, auf dem Semperopernball zu tanzen. Junge Damen haben es deutlich schwerer, nachträglich einen Partner zu finden, als junge Herren. Bei jedem Casting bewerben sich mehr Frauen als Männer. Nicht für alle Kandidatinnen gipfelt der Traum vom glitzernden Ballkleid im Tanz vor Tausenden Augen in der Oper und draußen auf dem Theaterplatz.

Für Valeria auf jeden Fall. Denn ihr gerader Weg zum Debüt kreuzte Niklas’ Umweg. Auf dem Leipziger Casting lernten sich die beiden kennen und wurden kurzerhand ein Tanzpaar – noch dazu das 1 000. der neueren Ballgeschichte.

Zwischen 80 und 100 Paare eröffneten zehn Jahre lang den Semperopernball. Nun steht der elfte kurz bevor. Nicht nur Valeria und Niklas freuen sich über diese runde Sache. Auch Modemacher Uwe Herrmann und die Profitänzer Sabine und Tassilo Lax sind stolz: So viele junge Tänzer haben sie auf ihrem Weg begleitet und dafür gesorgt, dass sie die Eröffnungszeremonie des Balles krönen. Während der Festmodenausstatter sie ausstaffiert, studieren die Tanzlehrer mit ihnen die etwa zehnminütige Choreografie ein. Die Proben beginnen am Montag. Bis zur Generalprobe bleiben nur vier Tage Zeit. Rappelvolle Tage, nach denen jeder Schritt, jede Drehung, jedes Lächeln sitzen muss. Vom blutigen Anfänger bis zum Fortgeschrittenen haben alle Debütanten nur diese knappe Chance, ein Wow-Effekt zu werden. Insgesamt 200 sind es in diesem Jahr. „Das wird eine große Überraschung, schließlich sehen wir sie nach dem Casting im Herbst zum ersten Mal wieder“, sagt Sabine Lax, die für ihre Aufgabe starke Nerven braucht. Manche Paare kennt sie nur vom Video. Wer zu weit weg vom Castingort wohnt, kann sich auch auf diese Weise bewerben.

Schnell-Lerner und Souveräne, Unsichere, Coole und schier Verzweifelnde erwartet die Tanzlehrerin. Und eine außergewöhnliche Herausforderung: Zum ersten Mal tanzen die Debütantinnen in drei verschiedenen Kleiderfarben: Pink, Melonenrot und Apricot. Die müssen in der Choreografie zu einem Bild verwoben werden. Außerdem bedeutete dies auch für den Debütantenausstatter Uwe Herrmann noch größere logistische Weitsicht, als bisher. Schließlich ordert er die Kleider schon ein Jahr vor dem Ball und doppelt so viele, wie letztlich Debütantinnen auftreten. Das muss sein, weil erst drei Monate vor dem Ball klar wird, welche Damen mit welchen Konfektionsgrößen die Castings bestehen.

Durchtanzte Nacht zu gewinnen

„Ich lasse die Kleider aus Kostengründen in China nähen“, gibt Uwe Herrmann freimütig zu, „Hier in Deutschland würde solch ein Kleid in der Herstellung rund 1 000 Euro kosten.“ Dafür gibt es kein Budget, und die Debütanten könnten das auch nicht zahlen. Auf sie kommt jeweils eine Gebühr von knapp 400 Euro zu. Darin enthalten sind die Leihgebühr für Kleid oder Smoking, außerdem Schmuck, Frisur und Make-up sowie das vorbereitende Training.

Valeria und Niklas sind besondere Glückspilze. Sie haben sich nicht nur gefunden und sind das 1 000. Paar. Sie haben zudem das Goldene Ticket gewonnen, das der MDR vergibt. Es ist der Freifahrtschein zu einem finanziell unbeschwerten Debüt. So hat es sich für zwei junge Leute mehrfach gelohnt, am Ball zu bleiben.