Von Kathrin Krüger-Mlaouhia
Großenhain. Fleischer, Bäcker, Friseur – auf der Berliner Straße hatten wir alles und noch viel mehr“, sagt Ansichtskartensammler Hartmut Jannasch, 1939 hier geboren. Jahrzehntelang gab es drei Fleischer, und auch die Schuhmacher waren lange Zeit zu dritt. Jannaschs Sammlung belegt, dass die Berliner eine belebte Geschäftsstraße war. Und dass jedes Haus ein bis zwei Geschäfte hatte. „Heute sind es weniger als die Hälfte, und da sind die Büros noch mitgezählt“, beklagt das Großenhainer Urgestein. Rund ein Dutzend Läden und Einrichtungen hat er gezählt.
Aus der Geschichte einer Straße
Geschäfte sind klein und schmal
Doch die Wandlung von der Straße zur Gasse – die bald aber komplett saniert wird – hat seit der Wende ihren Grund. „Die Geschäfte auf der Berliner Straße waren schon immer klein und schmal“, weiß Hartmut Jannasch. Viele Händler sind deshalb vermutlich auf andere Einkaufsmeilen gezogen bzw. haben sich erst gar nicht auf der Berliner Straße angesiedelt.
Die Berliner Straße hat bekanntlich ihren Namen deshalb, weil sie zum Berliner Bahnhof führt. Allerdings heißt sie erst seit 1991 wieder so. Namenstechnisch entwickelte sich die Magistrale von der Gasse zur Straße. 1745 ist sie nämlich Wildenhainer Gasse benannt, denn auf ihr gelangte man einst nach Wildenhain. Diese Direktverbindung gibt es heute nicht mehr.
Ab 1875 taucht die Bezeichnung Innere Berliner Straße auf, denn ab da gab es den Bahnhof. Zur Hotopstraße wurde ein Teilstück von 1930 bis 1933, benannt nach dem früheren Bürgermeister Max Hotop, der auf der Äußeren Berliner Straße gewohnt hat. Unter den Nazis war bis 1945 der Name Horst-Wessel-Straße gebräuchlich. Die Kommunisten tauften die Berliner in Ernst-Thälmann-Straße um.
Die ältesten Häuser der Innenstadt
Interessantes bringt auch die Denkmalliste zutage. Ein Dutzend Häuser stehen allein in der inneren Berliner Straße, die bis zum Stadtring reicht, unter Schutz. Davon ragen die Häuser Nummer 15 und 19a heraus. Beide haben den Stadtbrand von 1744 überstanden und stammen deshalb noch aus dem 16. Jahrhundert. Nicht von ungefähr ist daher im Wohn- und Geschäftshaus Nummer 15, das jetzt ein Frauenfitnessstudio wird, im ersten Stock eine wertvolle farbige Renaissance-Kassettendecke erhalten. 1993 war das Privathaus aufwendig saniert worden.
Auch bei der Nummer 19a, der Strießener Wohnungsverwaltung, stammen noch Grundmauern und eine Kassettendecke im Erdgeschoss aus der Zeit um 1550. Die Fassade im Stil der Neorenaissance wurde aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt. Dieses Eckhaus wurde 1998 saniert. Wie Hartmut Jannasch weiß, stehen auf der Berliner Straße einige der ältesten erhaltenen Gebäude der Innenstadt: Die Häuser Nummer 15 bis 19a und 20 bis 24. Sie konnten vor den Flammen des Stadtbrandes 1744 gerettet werden.
Schöner Schlussstein
Ist heute von der Berliner Straße innerhalb des Stadtrings die Rede, so denkt jeder an die Postfiliale, die Ende 2014 hier öffnete. Außerdem befindet sich die beliebte Pizzeria Veccie Mura in der Berliner Straße Ecke Franz-Schubert-Allee. Dort kann man noch Teile der originalen Stadtmauer sehen, und zwar nur hier. Dieses hohe Stück Stadtmauer zieht sich hinter den Häusern Berliner Straße 20 bis 24 entlang.
Gleich am Eingang der Berliner Straße, in der Nummer eins – Bäckerei Raddatz – befindet sich ein schöner Schlussstein. „In ihren Wapn und Schilden, ein Kron, sie sollen führn, die zwene Löwen hielten: damit sie triumphieren.“ Dieses Volkslied aus dem 17. Jahrhundert beschreibt das Wappen der Bäcker. Werner Raddatz hat es im Jahr 2000 nach der Sanierung des Hauses anbringen lassen.