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Von Liberec auf den Nordpol

Familie Jezek ist nach Hirschfelde gezogen, weil Wohnen dort günstiger ist. Aber es gibt auch andere Gründe.

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© Mario Heinke

Von Mario Heinke

Hana Jezkova, Ehemann Vladimir Jezek und die Kinder wollen das schöne Wetter an diesem Sonntag nutzen, an den Olbersdorfer See fahren, schwimmen und einfach zusammen sein. Seit die Familie von Liberec (Reichenberg) nach Hirschfelde gezogen ist, bleibt wieder mehr Zeit für das Familienleben, sagt Frau Jezkova.

Die Tschechin spricht gut Deutsch, arbeitet beim Paketdienst Hermes in Bautzen. Sie liefert dort Pakete im Umkreis und bis nach Pirna aus. In der Vergangenheit fuhr sie jeden Tag 88 Kilometer von Liberec (Reichenberg) nach Bautzen zur Arbeit und die gleiche Strecke am Abend zurück. Vladimir Jezek ist in einer Fernsehproduktionsfirma in Liberec (Reichenberg) tätig. Für das dort gemietete Haus, in dem die Familie bislang lebte, zahlte sie rund 1 000 Euro monatlich. „Viel zu teuer“, sagt Hana Jezkova. Sie ging deshalb im Internet auf Wohnungssuche und stieß auf die Angebote des Zittauer Immobilienbüros von Alexander Wittig. Dessen tschechische Mitarbeiterin Zdenka Marikova organisierte die Besichtigung der Fünf-Raum-Wohnung auf dem Nordpol in Hirschfelde. Familie Jezek war sofort von der Wohnung begeistert und unterschrieb bereits im März den Mietvertrag. Anfang Juli folgte der Einzug, weil die Wohnung bis dahin noch renoviert wurde.

Seit zwei Wochen leben die Jezeks nun in den neuen Räumen, die monatlich rund 600 Euro Miete kosten und viel näher am Arbeitsort der Mutter liegen. Lediglich der Internetanschluss fehlt noch. Für die 16-jährige Tochter eine Art Ausnahmezustand, erzählt Hana Jezkova. Bei den Formalitäten und der Bürokratie half Frau Marikova. Die größte Herausforderung für die Hirschfelder Neubürger ist inzwischen die Mülltrennung. Am Kühlschrank hängt deshalb ein großer Zettel, auf dem bildhaft erklärt wird, in welche Tonnen die Abfälle gehören. Vladimir Jezek nimmt seine Jungs jeden morgen mit nach Liberec, wo sie die zweite und vierte Klasse einer Sportschule besuchen. Nach dem Unterricht findet dort das Training statt, beide spielen Unihockey bei den „Liberecer Panthern“. Am späten Nachmittag geht es gemeinsam mit dem Vater zurück nach Hirschfelde. Das kommende Schuljahr sollen die Jungs noch in der Liberecer Schule absolvieren. Nach den Vorstellungen der Eltern werden sie im Jahr darauf aber in eine Zittauer Schule wechseln. „Die Männer müssen Deutsch lernen“, sagt Hana Jezkova. Für die Jungs sollte das nicht so schwierig werden, denn sie haben schon deutsche Freunde in der Nachbarschaft gefunden, so Frau Jezkova. Die Tochter muss nicht mehr wechseln, sie wird das Gymnasium in Liberec zu Ende bringen. Für Ehemann Vladimir wird es wohl am schwierigsten, er spricht bisher kein Wort Deutsch.

Familie Jezek ist glücklich im neuen Zuhause. „Die Nachbarn sind sehr nett und hilfsbereit“, sagt Hana Jezkova. Sie kommt täglich bei der Arbeit mit Deutschen in Kontakt, wenn sie Pakete anliefert. „Die Deutschen sind sehr freundlich. Bei der Hitze bieten mir manche Leute sogar Getränke an“, erzählt sie aus dem Arbeitsalltag. Bevor sie bei Hermes anfing, habe sie in Tschechien zwei Jobs gemacht. Trotzdem habe sie am Monatsende manchmal ohne Geld dagestanden, weil der Arbeitgeber den Lohn gar nicht oder später zahlte. Auch das sei einer der Gründe, warum sie nach Deutschland gezogen sei, so die ehemalige Liberecerin.

Für Makler Alexander Wittig ist Familie Jezek ein gelungenes Beispiel, aber eben ein Einzelfall. Er versucht, den Wohnungsmangel im Nachbarland und den Leerstand in Zittau zusammenzubringen. Er bietet offiziell übersetzte Mietverträge an und beschäftigt eine Tschechin, die bei der Bewältigung der Bürokratie hilft, die Wohnungsbesichtigungen durchführt. „Ich habe es mir leichter vorgestellt“, sagt Wittig etwas ernüchtert nach den ersten Monaten, seit er in Tschechien aktiv Zittauer Wohnungen vermarktet. Von 50 Kontakten, die bei ihm angefragt haben, konnten nur 40 Tschechen nachweisen, dass sie die Mieten überhaupt bezahlen können, erzählt er. Dabei sind die Mieten in Zittau inzwischen niedriger als im Raum Liberec. Die Sprachbarriere bleibt aber wohl das größte Hemmnis, so der Zittauer.

Trotz aller Schwierigkeiten ziehen mehr Menschen aus den Nachbarländern nach Zittau. Lebten 2013 noch 137 Tschechen und 147 Polen in Zittau, so waren 2017 bereits 228 Tschechen und 282 Polen gemeldet. Das geht aus dem Melderegister der Stadt Zittau hervor.