Von Franz Werfel
Kurort Hartha. Wer die Seilzuganlage funktionsunfähig schießt, bezahlt 50 Euro! Das markante Schild im Pistolenschießstand, im Keller des Erbgerichts in Kurort Hartha, ist nicht zu übersehen. „Das kommt immer mal wieder vor, dass uns ein Schütze den Zug zerschießt“, sagt Rolf Schrödl. Einer hat es in Geschichte des Vereins sogar geschafft, innerhalb von 30 Minuten gleich beide Seilzüge zu zerschießen. Der 72-jährige gebürtige Harthaer trägt als amtierender 1. Vorsitzender des Schützenvereins seines Ortes seit zwölf Jahren die Verantwortung für den Verein. Den Seilzug braucht der Verein, um in den beiden 25 Meter langen, unterirdischen Röhren seine Zielscheiben zu postieren. „Und weil ein neues Seil etwa 50 Euro kostet, muss der Schuldige das dann ersetzen.“
Im Harthaer Schützenverein ist vieles klar geregelt. Spätestens im Herbst erstellt Rolf Schrödl den Terminplan für das kommende Kalenderjahr. Für die 59 Mitglieder, die der Verein derzeit zählt, gibt es in jedem Jahr mehrere Höhepunkte. „Sehr beliebt ist etwa das Neujahrsschießen, wenn es um den Pokal unseres Ortsvorstehers André Kaiser geht“, sagt Rolf Schrödl.
André Kaiser war schon bei der Gründung des Vereins vor 25 Jahren dabei. „Anfangs haben wir die alten Luftgewehre von der abgewickelten Gesellschaft für Sport und Technik übernommen“, erinnert sich Kaiser. 20 Männer taten sich zusammen, um den Verein aus der Taufe zu heben. Der mittlerweile verstorbene Bürgermeister Peter Hammer begründete ihn mit und war der erste Vorsitzende, seither waren alle Bürgermeister Harthas oder Tharandts ebenfalls Mitglied. „Von Anfang an stand die Pflege der hiesigen Tradition im Mittelpunkt“, so Kaiser. Zu den Luftgewehren kamen schnell Vorderlader hinzu, Gewehre wie Pistolen, die mit Schwarzpulver befüllt werden konnten.
Trachten statt Uniformen
In den frühen 1990er-Jahren absolvierten fast alle Vereinsmitglieder Lehrgänge auf der Dresdner Sprengschule. „Die waren verpflichtend, um das Pulver überhaupt kaufen zu können“, sagt André Kaiser. Er stellt auch klar, dass die Gründungsmitglieder eher die waidmännischen als die militärischen Aspekte des Schießsportes in ihrem Verein leben wollten. „Deshalb tragen wir auch keine Uniformen wie andere Schützenvereine, vor allem in den alten Bundesländern, sondern Trachten“, so Kaiser. Diese orientieren sich an der Jagdtradition, gerade auch im Tharandter Wald.
Um den Sport vernünftig leben zu können, baute sich der Verein 1995 im Dachgeschoss des Harthaer Feuerwehrgebäudes die erste Schießanlage für Luftgewehre. Hier tragen die Schützen noch immer ihr jährliches Königsschießen untereinander aus. Seit 16 Jahren haben die Harthaer Schützen zudem ein neues Heim im früheren Heizungsraum des Erbgerichts gefunden. Dort können sie in der Pulverkammer ihre Feste feiern, sich am Pistolenschießstand messen – und auch ihre Waffen einlagern. Dafür steht eine gesicherte Waffenkammer bereit, die durch einen heißen Draht direkt mit der Polizei verbunden ist.
Nachwuchssorgen hat der Vorsitzende Rolf Schrödl nicht. „Wir haben zwar auch viele ältere Mitglieder, der älteste ist 87 Jahre alt, und leider nur vier Damen. Es kommen aber immer wieder neue Interessenten dazu.“ Erst vor einer Woche hat Schrödl eine 15-Jährige aufgenommen, sie ist das jüngste Mitglied des Schützenvereins. Damit hat sich die junge Frau ein besonderes Privileg erworben: Denn wenn sie Geburtstag feiert oder einmal heiratet, böllern die Schützenbrüder und -schwestern ihr zu Ehren.