Von Dominique Bielmeier
Landkreis Meißen. Dabei war es so eine schöne Meldung: Die Beschäftigten im Landkreis Meißen sind am fleißigsten, denn sie arbeiten die meisten Stunden im Vergleich zu den anderen sächsischen Landkreisen. Doch Lars Fiehler, Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer Dresden (IHK), lacht bei der SZ-Nachfrage zum Thema erst einmal herzlich. „Rankings gehen eben immer“, sagt er. Und natürlich würden sich Bürgermeister und Landräte freuen, wenn ihre Regionen für etwas Positives gelobt werden. „Aber man sollte nicht zu viel darauf geben.“
Schon allein, weil die Unterschiede bei den Arbeitsstunden, welche das Statistische Landesamt des Freistaates Sachsen am Donnerstag für das Jahr 2014 veröffentlicht hat, nicht so gravierend ausfallen: Zwar haben die Beschäftigten im Landkreis Meißen mit 1 447 Stunden pro Erwerbstätigen am längsten gearbeitet – doch in Mittelsachsen arbeiten die Menschen auch nur drei Stunden weniger, im Kreis Sächsische Schweiz–Osterzgebirge sind es vier.
Gerade der Krankenstand, der zwischen einzelnen Wirtschaftsbereichen stark variiere, könne da Auswirkungen haben. Vor allem in der Verwaltung oder dem öffentlichen Dienst gebe es traditionell viele Krankschreibungen. „Alles, was psychische Erkrankungen sind, Stresssymptome, das dominiert seit Jahren“, so Fiehler. Größere Firmen – Planeta in Radebeul oder Wacker Chemie in Nünchritz – würden auch mehr Wert auf ein betriebliches Gesundheitsmanagement legen, was wiederum zu weniger Ausfällen führe.
Flüchtlinge sind kein Allheilmittel
Dass im Landkreis weniger auf Teilzeit gesetzt wird, könne eine Erklärung für die hohe Zahl der Arbeitsstunden sein. „Das ist aber ein wenig zu eindimensional betrachtet.“ Wichtiger sei es, sich die genauen Wirtschaftsstrukturen anzusehen, welche Branchen in den einzelnen Kreisen dominieren. Der eher industriell geprägte Landkreis Meißen ist dann nicht ohne Weiteres mit Sächsische Schweiz–Osterzgebirge zu vergleichen, wo es viel mehr Dienstleistung und Tourismuswirtschaft gibt – und damit andere Arbeitszeiten wie Wochenend- oder Spätdienste.
Die Statistik zeigt nämlich auch, dass im produzierenden Gewerbe mit 1 563 Stunden pro Kopf 2015 in Sachsen deutlich länger gearbeitet wurde als im Dienstleistungsbereich (1 374 Stunden). Besonders lange Arbeitszeiten gibt es im Baugewerbe mit 1 650 Stunden.
Im Vergleich zum Jahr 2010, das zeigen die Zahlen des Statistischen Landesamtes auch, haben die Arbeitsstunden in ganz Sachsen sogar abgenommen. Ob dieser Trend weitergehen wird, kann Fiehler auch nicht voraussagen. Aber er verweist auf die Debatten, die gerade über die Digitalisierung der Wirtschaft geführt werden. „Das hat alles immer mit Freisetzung oder Reduzierung von Arbeit zu tun“, sagt er, „sodass man das Gefühl bekommt, als würden einen gleich die Roboter ablösen.“
Die jüngeren Generationen, die jetzt in den Arbeitsmarkt eintreten, brächten außerdem ihre ganz eigenen Vorstellungen mit: Sie legen mehr Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance, verzichten also lieber auf etwas Gehalt, um mehr Freizeit zu haben. Vieles deutet darauf hin, dass der Trend zu weniger Arbeit anhalten könnte.
Das Wort „Fachkräftemangel“ nimmt Fiehler trotzdem nicht gerne in den Mund, weil es nicht so genau trifft. Fakt ist aber, dass Bewerber in bestimmten Branchen heute in einer besseren Verhandlungsposition sind als früher – und es leichter haben, ihre Wünsche nach mehr Flexibilität, zum Beispiel beim Arbeitsort, durchzusetzen.
Asylbewerber, die jetzt nach und nach ihre Anerkennungen erhalten, sind für Fiehler – das hat sich mittlerweile gezeigt – kein Allheilmittel, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Es werde zwei, drei Jahre dauern, um die jungen Leute überhaupt für die Ausbildungen zu befähigen. „Da geht es um das Ausmerzen von massiven schulischen Defiziten.“
Es seien nur zehn bis 20 Prozent, bei denen man „auf eine vorhandene Qualifikation, welcher Couleur auch immer“ aufbauen könne. Denn, so Fiehler: „Unsere Wirtschaft, so wie sie strukturiert ist, braucht definitiv kein Heer an Helfern.“ Das sei „ein ganz dickes Brett“, was es noch zu bohren gelte.