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Dresden soll Vonovia auf die Finger schauen

Bahnt sich ein Rechtsstreit an zwischen der Stadt und Deutschlands größtem Vermieter? Die Linke macht Druck.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Die Vonovia-Hochhäuser in Zschertnitz.
Die Vonovia-Hochhäuser in Zschertnitz. © René Meinig

Wenn der Winterdienst plötzlich das 17-fache kostet, obwohl kaum Schnee gefallen ist, oder die Miete steigt, weil sich von einem Jahr auf das andere die Wohnlage verbessert haben soll, werden Mieter misstrauisch. Oft zu Recht. Immerhin gingen 94 Prozent der Fälle, in denen der Großvermieter Vonovia letztes Jahr vor Gericht höhere Mieten erstreiten wollte, für die Bewohner gut aus, rechnete der Dresdner Mieterverein kürzlich vor. Die Linke im Stadtrat spricht davon, dass die drastischen Betriebskostenerhöhungen und die fehlerhaften Einordnungen in hochwertigere Wohnlagen System hätten. Die Fraktion fordert daher, dass Vonovia von der Stadt umfassend überprüft wird.

„Viele Mieter scheuen einen Rechtsstreit mit großen Mietkonzernen und genau darauf setzten diese Unternehmen“, sagte Fraktionschef André Schollbach am Freitag. Wer die Rechnungen von Vonovia widerspruchslos anerkenne, liefere dem Konzern eine Rechtfertigung für weitere Mieterhöhungen, fügte Linke-Stadtrat Tilo Wirtz hinzu.

Anders als in anderen Städten hat die Dresdner Stadtverwaltung bei Vonovia-Wohnungen noch eine gewisse Handhabe, obwohl es sich eigentlich um ein Vertragsverhältnis zwischen dem Konzern und den Mietern handelt. Denn als die Landeshauptstadt ihren kompletten Wohnungsbestand 2006 an die Vonovia-Vorgängerin Gagfah verkaufte, wurde eine sogenannte Sozialcharta vereinbart. Gleich im ersten Satz heißt es dort, dass sich der Käufer, also die Vonovia, verpflichte, rechtliche und vertragliche Regeln nicht zu unterlaufen, die zugunsten der Mieter sprechen. Von mehreren Seiten ist die Charta in der Vergangenheit aber als zahnloser Tiger bezeichnet worden, da sie kaum mehr verlange, als die üblichen Mieterrechte. Allerdings, so Schollbach, befinde sich die Stadt in einer stärkeren Position als jeder einzelne Bürger, um die Einhaltung dieser Rechte zu überprüfen.

Zwar hatte die Stadt 2011 schon einmal gegen Gagfah geklagt, weil diese gegen die Charta verstoßen haben soll. Allerdings ging es damals um den Weiterverkauf von Wohnungen an Investoren, obwohl zuerst die Mieter hätten gefragt werden müssen, ob sie die Wohnungen zu einem günstigeren Preis hätten kaufen wollen. Letztlich einigten sich beide Seiten auf einen Vergleich: Gagfah, heute Vonovia, zahlt bis 2020 jährlich vier Millionen Euro an die Stadt, insgesamt 36 Millionen Euro. Außerdem ist etwa die Gültigkeit der Sozialcharta bis April 2021 verlängert worden.

Auch wenn es diesmal um Betriebskosten und Mieterhöhungen geht, könnte am Ende der Untersuchung eine Klage stehen, so Schollbach. Sollten Verletzungen des Woba-Privatisierungsvertrages von 2006 festgestellt werden, soll die Verwaltung zunächst darauf hinarbeiten, dass Vonovia damit aufhört. Anschließend müsse geschaut werden, ob rechtliche Schritte eingeleitet werden. „Eine Strafe muss wehtun“, so Schollbach. „Unser primäres Ziel ist es, dass damit die dubiosen Geschäftspraktiken unterbunden werden.“

Noch am Freitag äußerte sich Vonovia über die Pläne der Stadtratsfraktion. „Wir weisen den Vorwurf eines systematischen Betrugs bei Nebenkosten entschieden zurück“, sagte Sprecher Max Niklas Gille der Sächsischen Zeitung. „Wir wollen nicht gegen unsere Mieter arbeiten und sind immer offen für konstruktive Gespräche.“ Man sei sich der Verantwortung als Vermieter bewusst. „Kunden, die zu ihrer Nebenkosten-Abrechnung Fragen haben, können sich jederzeit melden.“

Vonovia besitzt in Dresden 38.600 Wohnungen. Im vergangenen Jahr gab es beim Mieterverein mehrere Beschwerden. So wurden 223 Mieterhöhungsankündigungen in einem Zeitraum von fünf Monaten geprüft, von denen sich lediglich 47 als korrekt herausstellten. Dabei ging es um die Einordnung der Wohnlage, die sich am Dresdner Mietspiegel orientiert. In anderen Fällen ging es um die Betriebskosten. So sollten Mieter einer 70 Quadratmeter großen Wohnung auf der Blochmannstraße in der Johannstadt allein für den Winterdienst 300 Euro im Jahr zahlen. Vonovia kündigte daraufhin an, das Gespräch mit Mietern und Mieterverein suchen zu wollen. Von mehreren Modernisierungsvorhaben rückte der Konzern ab. (mit SZ/noa)