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Vorsicht vor falschen Schlüssen

Das Meißner Amtsgericht hat entschieden, dass der Kabarettist Uwe Steimle unter Umständen als völkisch-antisemitischer Jammer-Ossi bezeichnet werden darf. SZ-Redakteur Peter Anderson über das Urteil im Beleidigungs-Prozess.

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© Claudia Hübschmann

Mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung ist das eine komplizierte Sache. Der Meißner Richter Andreas Poth hat ihm am Donnerstag in einer Gerichtsverhandlung Vorrang gegenüber dem verletzten Ehrgefühl des Dresdner Kabarettisten Uwe Steimle eingeräumt. Dieser war vergangenes Jahr im Internet von dem Klipphausener Andreas Vorrath als „völkisch-antisemitischer Jammer-Ossi“ bezeichnet worden. Bleibt dieses Etikett nun an Steimle hängen? Ist der Künstler tatsächlich ein Hetzer gegen Juden, der Deutschland nur für Deutsche reservieren möchte?

Genau dies sagt das Meißner Urteil eben nicht aus. Es lässt lediglich die vorrath'sche Ansicht als eine von mehreren möglichen Deutungen und Meinungen zu. Auch ganz andere Interpretationen der Aussagen von Steimle in Auftritten und Interviews sind vorstellbar. So könnte man ihm durchaus anti-kapitalistische und kommunistische Tendenzen unterstellen, zumal er sich zu dieser politischen Richtung ja mehrfach offen bekannt hat.

Im Nachgang des gestrigen Rechtsstreits wäre es deshalb falsch, von Siegern und Verlierern zu sprechen. Uwe Steimle hat keine Niederlage eingesteckt, Andreas Vorrath den Prozess nicht im eigentlichen Sinne gewonnen. Wirkliche Siegerin ist die Meinungsfreiheit, welche in Deutschland ein sehr weites Spektrum zulässt.

E-Mail an Peter Anderson.