Volkswagen nennt das einen Zukunftspakt: Bis zu 23 000 Arbeitsplätze von jetzt 282 000 in Deutschland fallen weg. Einige Konzernteile werden aber auch aufgestockt. Der Umbau der Gläsernen Manufaktur in Dresden ist schon bekannt, nun geht es in Sachsen um die Zukunft der großen Fabriken in Zwickau und Chemnitz. Beide bleiben erhalten, darüber zeigte sich am Freitag Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) erfreut. Das VW-Werk Zwickau, Sachsens größte Fabrik, darf das nächste Elektroauto nach dem E-Golf bauen. Es soll der Designstudie I.D nahekommen, die im September in Paris vorgestellt worden ist.
Weltweit werde VW bis zu 30 000 Jobs streichen, hieß es am Freitag in Wolfsburg. Über Monate war der „Zukunftspakt“ mit den Betriebsräten ausgehandelt worden. Der Stellenabbau solle ohne Kündigung erfolgen, etwa über Altersteilzeit. Zudem habe der Gesamtbetriebsrat Beschäftigungsgarantien bis Ende 2025 durchgesetzt. Der genaue Umfang der Kürzungen ist unklar – ebenso die Verteilung auf die Standorte. Klar ist aber: Es wird deutlich weniger Leiharbeit geben. Der Job-Abbau in Argentinien und Brasilien wird schmerzhaft.
Zugleich einigte man sich auf Investitionen, die VW fit für die Zukunft machen sollen. So sollen etwa 9 000 neue Stellen geschaffen werden, unter anderem für Software-Entwickler. Die Standort-Verteilung hängt auch an der Frage, wie viele Mitarbeiter sich für den Schritt in die Altersteilzeit entscheiden. Bereits bis 2020 sollen die jährlichen Kosten um 3,7 Milliarden Euro gedrückt werden.
VW in Sachsen
VW-Markenchef Herbert Diess sagte, dieser Pakt sei „für Volkswagen ein großer Schritt nach vorne, sicherlich einer der größten in der Geschichte des Konzerns.“ Bisher sei VW nicht gewappnet gewesen für den Wandel und habe bei der Produktivität an Boden verloren. Bei der Rendite sei der Konzern weit abgeschlagen. Volkswagen müsse schnell wieder Geld verdienen und sich für den „Zukunftssturm“ wappnen. Konzernchef Matthias Müller sagte in Wolfsburg, der Zukunftspakt sei „das größte Modernisierungsprogramm in der Geschichte unserer Kernmarke“. Er ermögliche einen Weg zu Elektromobilität und Digitalisierung.
Monatelang hatten Betriebsrat und Unternehmen um den Pakt gerungen, der Tarifvertragsstatus haben soll. Der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh wollte das Sparprogramm denn auch als Aufbruch verstanden wissen: „Mit dem Zukunftspakt schaffen wir den Einstieg in eine neue Ära.“ Der Kompromiss sei tragbar.
Für das Werk Zwickau mit seinen 7 800 Arbeitsplätzen bringt der Zukunftspakt auch Stellenabbau, die Menge ist noch offen. Der sächsische Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jens Rothe sagte, die Prozesse im Werk müssten effizienter gestaltet werden. Doch im Gegenzug sei der Belegschaft Vollauslastung zugesichert worden – und der Bau eines „E-Fahrzeuges der neuen Generation“. Gemeint ist ein Wagen nach Art der Designstudie I.D. Doch zunächst kommt der E-Golf, der ab April auch in Dresden montiert werden wird.
Siegfried Fiebig, Sprecher der Geschäftsführung von VW Sachsen, nannte noch ein technisches Detail: Das Werk Zwickau arbeitet bereits mit dem Modularen Querbaukasten, also mit gemeinsamen Modulen für die Montage von Passat, Golf und Golf Variant. Künftig soll Zwickau als erstes Werk auch einen „Modularen Elektrifizierungsbaukasten“ nutzen. Minister Dulig sprach von einem „tollen Signal für Sachsen“. Aus der Wiege der Autoindustrie werde die Zukunftsschmiede.
Für das Volkswagen-Motorenwerk in Chemnitz mit 1 700 Mitarbeitern kündigte Fiebig lediglich an, „mittelfristig“ ein Konzept zu erarbeiten. Auch das Motorenwerk müsse sich auf moderne Antriebssysteme umstellen.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der wie Osterloh im Aufsichtsrat von VW sitzt, würdigte die Einigung als klare Orientierung an der Elektromobilität. Wolfsburg werde im VW-Konzern das Zentrum für den Informationstechnologie-Bereich und strahle damit in die Region aus.
Alle VW-Standorte sollen erhalten bleiben. Mit der Vereinbarung wollen Betriebsrat und Unternehmen Reformen bei der gewinnschwachen Kernmarke VW-Pkw mit Absicherungen für die Belegschaft vereinen. Der Abschluss war die Voraussetzung für den Investitionsplan des Autobauers für die kommenden Jahre. Auch da gibt es Einschnitte: Die Sachinvestitionen sollen gemessen am Umsatz des Automobilbereichs von fast sieben Prozent im vergangenen Jahr auf sechs Prozent bis 2020 sinken. Bei zuletzt 184 Milliarden Euro Umsatz mit Autos sind das Milliardeneinsparungen.
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, dessen Gewerkschaft in der Belegschaft von VW traditionell stark verankert ist, sieht mit dem ausgehandelten Pakt „die Weichen für die Zukunft der Marke auf nachhaltiges Wachstum gestellt“. Auch wenn es in mittlerer Frist weniger Jobs geben werde, lasse sich dies „weitgehend durch die Ausnutzung der Altersfluktuation“ steuern. Der Kündigungsschutz bis 2025 gebe allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren Familien eine verlässliche Perspektive, ergänzte Hofmann. Dass Leiharbeiter gehen müssen, sei schmerzlich.
Volkswagen hat derzeit an vielen Stellen zu kämpfen. Der Abgas-Skandal zwingt den Autohersteller zum Sparen. Zugleich muss der Konzern viel Geld in die Trends der Branche stecken: Digitalisierung, Vernetzung, alternative Antriebe.
Das führt nun auch zum Umbau der drei Volkswagen-Betriebe in Sachsen. (dpa/SZ/mz)