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Wälder werden beobachtet

Die langanhaltende Hitze setzt den Wäldern in der Oberlausitz zu, in vielen Teilen herrscht höchste Waldbrandgefahr. Für die Überwachung werden Hightech-Kameras eingesetzt.

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© dpa/Monika Skolimowska

Hoyerswerda. Mit 36,8 Grad werden in diesen Tagen Hitzerekorde für den Raum Hoyerswerda gemeldet. Forstingenieur Thomas Sobczyk schickt einen sorgenvollen Blick in den makellos blauen Himmel. Er bleibt bei den braunen Nadeln der Kiefer in der Krone hängen. „Der vorzeitige Laubfall macht uns Sorgen. Durch die langanhaltende Hitze gibt es kaum noch Bodenvegetation. Diese Mischung aus abgefallenen Nadeln, trockenem Heidekraut und Gras kann schnell zum Brandherd werden“, sagt der Mitarbeiter der unteren Forstbehörde im Landkreis Bautzen und bohrt seinen Schuh in den Sand. Trocken staubt die Erde.

Der Forstingenieur steht in einem Waldstück bei Seidewinkel, drei Kilometer von Hoyerswerda entfernt. In großen Teilen seines Zuständigkeitsbereichs nördlich von Bautzen glühen die Wälder förmlich bei Waldbrandgefahrenstufe 4 oder 5. An 41 Tagen musste er für diese Region in diesem Jahr die Waldbrandgefahr mit den höchsten Klassen deklarieren. 2017 gab es im gesamten Jahr 15 solcher Tage. 28 Waldbrände stehen bis Ende Juli schon in der Statistik. Im Vorjahr waren es in zwölf Monaten 18. Ähnlich brenzlig wie im Bautzener Norden ist es nach Angaben des Staatsbetriebes Sachsenforst in den nördlichen Regionen der Landkreise Görlitz, Meißen und Nordsachsen.

Die langanhaltende Trockenheit sorgt für aufgeheizte Wälder. Zwischen Mai und Juli fielen insgesamt nur 108 Liter pro Quadratmeter an Niederschlägen im Norden des Landkreises Bautzen. „Im Juli 2017 waren es allein im Monat 117 Liter pro Quadratmeter. Neben dem März gehört aus der Erfahrung der August zu den Monaten mit der größten Waldbrandhäufigkeit“, sagt Sobczyk und bleibt an einem Feuerwachturm stehen. Der Forstingenieur schließt die Tür auf und klettert zehn Etagen über eine Holzsprossenleiter nach oben.

Der letzte Luftzug bleibt auf der letzten der Stufen kleben. In 32 Metern Höhe ist Egon Lubrich seit 10.00 Uhr im Dienst. Bis 20.00 Uhr muss er mit wachem Blick ausharren. Der Mini-Raum mit durchgehender Fensterfront hat Sauna-Temperaturen und der Brandwächter beste Laune. Das Thermometer zeigt über 40 Grad. Die Sonne scheint unerbittlich auf das schwarze Teerdach. Als Frührentner verdient Lubrich sich mit dieser Arbeit ein bisschen dazu. In der Mitte der Plattform ist eine Scheibe mit einer 360 Grad-Einteilung und einer Peileinrichtung.

Der Schwepnitzer greift nach dem Fernglas. „Alle zehn Minuten drehe ich meine Runde. Wenn ich fertig bin, beginne ich von vorn“, sagt der 62-Jährige. Das Telefon liegt griffbereit. Wenn er einen Brand entdeckt, meldet er die Koordinaten der Integrierten Regionalleitstelle (IRLS) Hoyerswerda. Derzeit gibt es keine Auffälligkeiten. Lediglich die Hitze lässt die Luft flirren. Im Norden erhebt sich hinter den Baumwipfeln das Kraftwerk „Schwarze Pumpe“, im Osten ist das Kraftwerk Boxberg und der Tagebau Nochten zu erkennen, gen Süden erstrecken sich die Kamenzer und Bautzener Berge, und im Westen schimmert der Geierswalder See.

Seine Arbeit beginnt Lubrich mit der Anmeldung in der Leitstelle in Hoyerswerda. Dort sitzen ab 10.00 Uhr Brandwächter an Monitoren und kontrollieren mit Hilfe von zwölf Kameras 180 000 Hektar Wald in den Landkreisen Bautzen, Görlitz und Meißen. Die Daten der anderen sächsischen Landkreise laufen in Eilenburg zusammen. Die bemannten Feuerwachtürme sind Auslaufmodelle - doch allein auf die Kameras des automatischen Waldbrand-Früherkennungssystems (AWFS), die größtenteils ebenfalls auf den Dächern unbesetzter Feuerwachtürme installiert sind, will sich die untere Forstbehörde aus dem Bautzener Landkreis noch nicht verlassen.

In Sobczyks Revier gibt es fünf Türme mit Kameras und vier bemannte Türme - sie sind bei höchster Waldbrandgefahr zehn Stunden besetzt. „Bei diesem Zusammenspiel geht es vor allem um eine schnelle Alarmierung. In den ersten 15 bis 30 Minuten entscheidet es sich, wie groß ein Waldbrand wird“, sagt er. Jahrhundertelang hätten verheerende Waldbrände zu den schlimmsten Katastrophen im Lausitzer Heideland gehört. Bis zur Wende habe es oft alle zwei Jahre größere Brände gegeben. Die Katastrophen inspirierten übrigens 1902 Forstmeister Walter Seitz in Muskau, jenen Feuerwachturm mit Signaleinrichtung zu konstruieren und ihn zum Patent anzumelden.

„Schon zehn Jahre später gab es in unserer Region ein ganzes Netz solcher Feuerwachtürme“, so der Forstingenieur. Das über 40 Jahre alte Exemplar auf der Seidewinkler Flur hat die frühere Baufirma Marusch aus Hoyerswerda entwickelt. 300 Stück des Modells standen einst in der DDR. Wie viele davon übrig geblieben sind, weiß Sobczyk nicht.

Beim Heruntergehen schwankt das Stahlskelett des Turms leicht. Mit dem Auto geht es etwa eine Viertelstunde in einen Wald südwestlich von Hoyerswerda. Wie aus dem Nichts taucht auf dem Gerichtsberg der Feuerwachturm auf. Auf ihm ist eine Kamera des AWFS installiert und scannt die Region.

Sensoren melden Rauchwolken in die Zentrale. Auch die dortigen Brandwächter schieben derzeit Zehn-Stunden-Schichten. Bei jedem Brandverdacht ploppt auf den drei Computern in der Regionalleitstelle ein Fenster auf. Die Spezialisten müssen dann unterscheiden, ob es sich lediglich um die Staubwolke einer Erntemaschine, das Flirren einer Windkraftanlage oder eben einen Brand handelt.

Sobczyk beendet seine Kontrollfahrt. „Bei diesem Wetter kann sich jeder Waldbrand schnell ausweiten - 94 Prozent entstehen bewusst oder unbewusst durch den Menschen“, sagt er - und nochmals geht der Blick gen Himmel. Er ist tadellos blau. Auch an diesem Tag wartet die Lausitzer Heide vergeblich auf das Ende der Trockenheit. (dpa)