Bautzen
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Wahlwerbung mit Vorurteilen

Eine Initiative aus der Oberlausitz will mehr Frauen in die Politik bringen. Dafür setzt sie auf praktische Hilfe und provokante Sprüche.

Von Miriam Schönbach
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Sie plädieren für mehr Frauen in den Parlamenten: Diana Schieback, Fränzi Straßberger und Andrea Spee-Keller engagieren sich in der Bautzener Fraueninitiative und werben mit originellen Postkarten.
Sie plädieren für mehr Frauen in den Parlamenten: Diana Schieback, Fränzi Straßberger und Andrea Spee-Keller engagieren sich in der Bautzener Fraueninitiative und werben mit originellen Postkarten. © Miriam Schönbach

Bautzen. Ihre Postkartenaktion hat schon mal für Aufsehen gesorgt. „Kratzbürste“, „Meckerziege“, „Dramaqueen“ „Kaffeetante“ und „Mannsweib“ steht auf den bunten Rechtecken. Doch es kommt vor allem auf das Kleingedruckte an. Unter Kratzbürste steht „Danke, dass Du kritisch bist“ und unter Meckerziege „Klasse, dass Du den Mund aufmachst“. „Diese Sprüche spielen bewusst mit weiblichen Klischees“, sagt Fränzi Straßberger. Die Bautzenerin ist Chefin der Bautzener Fraueninitiative und eine der Macherinnen des partei- und landkreisübergreifenden Netzwerkes „Frauen.Wahl.LOKAL“. Ihr Ziel: Sie wollen Frauen für die Politik fit machen, damit sie die Parlamente erobern können.

Von einer Übernahme der Parlamente durch Politikerinnen ist der Landkreis Bautzen indes derzeit noch weit entfernt. So werden zum Beispiel für den Bautzener Stadtrat am 26. Mai in sechs Parteien und einer Wählervereinigung 127 Kandidaten antreten, gerade einmal ein Viertel davon sind Bewerberinnen. Unter den 31 Namen bei der CDU gibt es acht Frauen, bei der SPD stehen sieben Frauen auf der Liste mit insgesamt 15 Bewerbern. Die Linke würde gern bei zehn Wahlvorschlägen vier Frauen ins Stadtparlament schicken. Das Bürgerbündnis Bautzen konnte bei 29 Vertretern gerade einmal fünf Frauen zur Mitarbeit überzeugen, die Freien Demokraten schicken wie auch die Grünen drei Kandidatinnen ins Rennen. Die AfD verzichtet gleich ganz auf Frauen auf ihrer Liste.

„Frauen sind Expertinnen"

Diese Statistik kennen die Netzwerkerinnen vom „Frauen.Wahl.LOKAL“. Im sächsischen Landtag beträgt der Frauenanteil 32 Prozent, im Kreistag 14 Prozent und im Bautzener Stadtrat 22 Prozent. Von 57 Gemeinden im Landkreis Bautzen ist nur der Gemeinderat Obergurig paritätisch besetzt, in drei Gemeinden ist keine einzige Frau vertreten. 

„Wir möchten, dass Kommunalpolitik in den Fokus der Frauen rückt und Frauen in den Fokus der Kommunalpolitik rücken“, sagt Diana Schieback. Die studierte Regionalmanagerin kandidiert für die Grünen für den Gemeinderat in Hochkirch. Ihre Mitstreiterin Fränzi Straßberger will für die Sozialdemokraten in den Bautzener Stadtrat.

Die Vorteile weiblicher Politik liegen für sie auf der Hand. „Frauen sind Expertinnen. Sie wollen und können ihre Interessen selbst einbringen, präsent sein und mitgestalten“, sagt sie. Zudem sei es eine Frage der Gerechtigkeit, die Hälfte der Deutschen sind Frauen. Vorreiter beim Thema Gleichberechtigung ist der brandenburgische Landtag mit seinem „Inklusive Parité-Gesetz“. Dahinter verbirgt sich, dass gleich viele Frauen und Männer auf den Landeslisten stehen müssen.

Bei der Gleichstellung ist noch Luft

Bei der Gleichstellung von Mann und Frau in den Parlamenten ist in Deutschland mit einem Mittelfeldplatz noch Luft, wie die Studie der Sozialwissenschaftlerin Beate Hoecker zu „Frauen und das institutionelle Europa“ zeigt. Spitzenreiterinnen sind Schweden und Finnland mit über 40 Prozent Frauen im Parlament. Mehr als 50 Prozent Frauen gibt es derzeit weltweit nur in zwei Parlamenten – in Ruanda und in Bolivien. Dies scheint in Bautzen und Umgebung noch eine Utopie.

Gerade deshalb wollen die Kandidatinnen für den Bautzener Stadtrat in der neuen Legislatur neue Töne in die lokale Politik bringen, wie ein Gespräch unter „Lokalexpertinnen“ beim Verein „Leuchtturm-Majak“ zeigte. „Derzeit entscheiden hauptsächlich Männer über unsere Bedürfnisse“, sagt Anna Piętak-Malinowska. Die Ausländerbeauftragte des Kreises hat im Bautzener Stadtrat ein CDU-Mandat und tritt wieder an. Frauen müssten sagen, was gebraucht werde – und sich vor allem vernetzen und austauschen.

Politik in die eigenen Hände nehmen

An die Solidarität unter den gewählten Frauen appelliert Karin Kluge vom Bürgerbündnis Bautzen. „Wichtig ist, dass wir etwas gemeinsam tun, dann erreichen wir etwas“, sagt sie. Seine Positionen müsse man mit guten Argumenten vertreten. Cornelia Natusch, Kandidatin der Grünen und Netzwerkkoordinatorin im House of Resources, will als Frau mehr Offenheit und Empathie ins Stadtparlament bringen und ihre Kollegin Astrid Riechmann – sie kandidiert für die SPD – den weniger Gehörten eine Stimme geben. Angela Palm, seit 1990 für die Linken im Stadtrat, weiß, dass in gemischten Runden der Ton ein anderer ist als in puren Männerkreisen. „Deshalb dürfen wir nicht auf andere warten. Wir müssen Politik in eigene Hände nehmen,“ sagt sie.

Die Netzwerkerinnen haben ganz klare Botschaften an ihre Weggefährtinnen. Sie wollen Frauen ermutigen, sich zur Wahl zu stellen und politisch einzubringen. Gleichzeitig fordern sie: „Frauen wählt Frauen“. Geöffnet bleibt das „Frauen.Wahl.LOKAL“ auch nach der Wahl. „Wir wollen weiter Gleichgesinnte zusammenbringen, jene, die sich zur Wahl gestellt haben oder Frauen, die erst noch Mut fassen müssen“, sagt Fränzi Straßberger. Denn vielleicht haben bei der nächsten Wahl noch mehr „Meckerziegen“, „Kratzbürsten“ und „Kaffeetanten“ Lust auf Lokalpolitik.