Merken

Warten auf den Regenbogen

Monique und Mandy hilft die Ehe für alle nicht viel – schon gar nicht beim Kinderwunsch.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Monique ist eine von 8 000. Das zu wissen, tröstet sie nicht. Genau so viele Dresdnerinnen wünschen sich ein Kind und bekommen keins. Sie sind zwischen 25 und 40 Jahre alt und leben zwischen Hoffen und Bangen. Viele haben gelitten, gezweifelt, gekämpft und geweint und wieder gehofft.

In ihrer Neubauwohnung am Rand von Gorbitz sitzt Monique Bauer-Bachmann auf dem Sofa und blättert in einem grauen Pappordner. Er ist einer von dreien, die sich über die Jahre gefüllt haben – mit medizinischen Daten: Befunde, Tabellen, Rezepte, Bilder. Und Rechnungen. Die Kosten ihrer Kinderlosigkeit fallen höher aus, als die der meisten Leidensgenossinnen. Denn Monique hat eine Frau. Mandy. Sie ist ihr großes Glück und eine Krux.

Wenn die beiden das Problem ihres Lebens hin- und herdrehen wie die Glieder eines Knobelwürfels, kommen sie keiner Lösung näher. Sie sind inzwischen firm in juristischen und physiologischen Zusammenhängen. Weder Statistik hilft ihnen, noch das Gesetz. Im Gegenteil. Denn obwohl Monique das gleiche Problem hat wie rund 8 000 Frauen dieser Stadt, ist für sie doch alles anders: „Die Krankenkassen zahlen uns für eine Kinderwunschbehandlung keinen Zuschuss.“ Vor zehn Jahren wurden Mandy und Monique ein Paar, vor sechs Jahren haben sie geheiratet. Damals gab es die sogenannte Ehe für alle noch nicht. Lediglich eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen zu können, störte sie nicht. „Wir heiraten ja für uns“, sagten die Frauen damals. Heute sagen sie: „Die Ehe für alle ist nicht die Ehe für alle.“

Der Beweis dafür hat einen Namen mit Paragrafenkringel: §27a. Er definiert die Kriterien für den finanziellen Zuschuss der gesetzlichen Krankenversicherungen zur künstlichen Befruchtung. Demnach zahlen die Kassen nur einen Beitrag, wenn „ausschließlich“ Ei und Samenzellen der Ehepartner verwendet werden. Dass Mandy mit Samenzellen nicht dienen kann, liegt in der Natur ihres Geschlechts. Dass Monique auf natürlichem Weg nicht schwanger wird, ist ein Schicksal, das Tausende heterosexuelle Frauen teilen. Warum wird anderen geholfen, ihnen aber nicht?

„Deutschland ist in diesen Dingen extrem rückschrittlich“, sagt Mandy. Dass künstliche Befruchtungen Geld kosten, findet sie in Ordnung. All die Mediziner, Biologen, Laboranten, Pfleger und Schwestern müssen bezahlt werden, sagt sie. Doch diese Ungleichbehandlung ist nicht zu verstehen. Die Erzieherin hat bereits eine 17-jährige Tochter. Ein weiteres Kind zur Welt bringen, möchte die 38-Jährige nicht. Aber Monique wünscht sich sehnlichst, Mutter zu werden. Mandy ebenso. Rund 16 000 Euro hat das Paar bereits bezahlt – für Untersuchungen, Medikamente und medizinische Eingriffe. Dafür verkauften sie erst ihr Motorrad und das zweite Auto, nahmen dann einen Kredit auf und sammelten Geld über das Internetportal gofundme.de.

„Zuerst haben wir es auf natürlichem Weg versucht“, sagt Monique. Drei Mal wurde sie von einem Bekannten schwanger, doch keine Schwangerschaft hielt. „Dann konnte ich das einfach nicht mehr“, sagt sie und half sich mit privat gespendetem Sperma und Spritze daheim. Doch Monique erlitt die vierte Fehlgeburt und verlor einen Eileiter.

Die fünfte ist noch nicht lange her. Nach aufwendigen Untersuchungen hatten ihr die Ärzte schließlich zugesichert: Ihre Voraussetzungen, ein Kind auszutragen, sind trotz allem gut. „Da haben wir uns zu einer künstlichen Befruchtung mit Unterstützung einer Samenbank entschlossen und trafen auf das nächste Problem.“ Nicht nur die Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen ist in Deutschland für homosexuelle Paare ausgeschlossen, egal ob in „Ehe für alle“ oder nicht. In Sachsen scheuen sich Ärzte davor, lesbische Frauen mit Sperma einer Samenbank zu behandeln. Sie fürchten sich davor, sittenwidrig zu handeln oder gar zu Unterhaltszahlungen verpflichtet zu werden. In Berlin aber haben Monique und Mandy eine Spezialklinik gefunden, die nicht nur hilft, sondern dem verzweifelten Paar nach jahrelanger Ausnahmesituation im medizinischen Getriebe ein Gefühl von Sicherheit und Grundvertrauen gibt. Die größte Wärme und Kraft aber findet sie in ihrer Familie und im Freundeskreis. „Mandy, unsere große Tochter Lea, meine Mutti, meine beste Freundin Peggy und meine Kollegen sind eine so wichtige Stütze“, sagt Monique, die ebenfalls als Erzieherin arbeitet. Sogar die Kinder, die die Pädagogin im Hort betreut, drücken ihr die Daumen.

Nachdem der erste Versuch missglückte, sind Monique und Mandy nun gerade wieder aus Berlin zurück. Bisher sähe alles besser denn je aus, erzählen sie. „Der Termin für den Test, ob ich wirklich schwanger bin, fällt just auf den Valentinstag. Das muss doch ein gutes Zeichen sein“, sagt Monique. Möge doch endlich ein kleines Leben in ihr einziehen. Im Zimmer nebenan steht die Wiege schon bereit, auch Wickeltisch und Kinderbett. Ein riesiger Plüschaffe lümmelt im Sessel, und handgemalte Äffchen hangeln sich die Wände entlang. Wieder hoffen und bangen auf das Familienglück unterm Regenbogen.