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Warten auf ein neues Herz

Eine Organtransplantation steht erst ganz am Ende der Behandlungskette einer Herzschwächeerkrankung. In speziellen Ambulanzen kümmern sich Experten um die Betroffenen.

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Die schwarze Tasche ist der ständige Begleiter von Jörg Czechaczek. Sie versorgt sein Kunstherz mit dem nötigen Strom. Der Patient wartet auf ein Spenderherz
Die schwarze Tasche ist der ständige Begleiter von Jörg Czechaczek. Sie versorgt sein Kunstherz mit dem nötigen Strom. Der Patient wartet auf ein Spenderherz © Robert Reuther / Herzzentrum Dresden

Jörg Czechaczek ist einer von etwa 700. So viele Menschen warten derzeit in Deutschland auf ein Spenderherz. 

Die Chance, dass der 68jährige Chemnitzer eines der etwa 250 Organe erhält, die jährlich in der Bundesrepublik transplantiert werden, ist allerdings nicht allzu groß. Denn aufgrund des Organmangels werden heute in Deutschland fast nur noch Herzschwächepatienten von der Hochdringlichkeits-Liste (HU-Liste) transplantiert. 

Betroffene, die eine häufig vorkommende Blutgruppen und eine normale Körpergröße haben, kommen ohne HU-Listung kaum für eine zeitgerechte Transplantation in Frage. 

Vor etwa vier Jahren hätte Jörg Czechaczek dringend ein neues Herz gebraucht. Im Laufe von mehr als zwei Jahrzehnten ist seine Herzschwäche – Mediziner sprechen von Herzinsuffizienz – soweit fortgeschritten, dass eine ausreichende Versorgung des Körpers mit Blut durch den Herzmuskel allein trotz herzunterstützender Medikamente nicht mehr gewährleistet werden konnte. 

„Am Ende konnte ich kaum zwei Meter laufen, weil ich einfach keine Luft mehr bekam“, erinnert er sich zurück. Ein lebensrettendes Organ war nicht in Sicht. Sein Kardiologe sah daher nur noch eine Möglichkeit: ein Kunstherz. 

„Eigentlich ist der Begriff Kunstherz nicht ganz richtig. Es dient lediglich als Unterstützungssystem, das dem eigenen Herzen einen Teil der Arbeit abnimmt“, erklärt Oberärztin Julia Fischer vom Herzzentrum Dresden Universitätsklinik. Sie sind technisch mittlerweile so weit entwickelt, dass sie längst mehr sind, als eine kurzfristige Notlösung bis zur lebensrettenden Herztransplantation. 

Moderne Kunstherzen sind eine echte Alternative in der Langzeitbehandlung. Das sieht Julia Fischer auch in ihrer täglichen Arbeit am Herzzentrum Dresden. Zusammen mit ihrem Kollegen Dr. Susanna Grimm und Dr. Ephraim Winzer leitet sie die Herzinsuffizienz- und Transplantationsambulanz (HI- und TX-Ambulanz) in enger Kooperation mit den anderen Fachbereichen des Herzzentrums. Hier werden Patienten mit einem Kunstherz betreut, deren Zahl stetig zunimmt. Doch es gibt auch immer mehr Menschen mit einer Herzschwäche. 

In Deutschland sind mehr als zwei Millionen betroffen. Bei dieser Erkrankung lässt die Pumpfunktion des Herzens nach, so dass der Körper nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt werden kann. „Das Tückische an einer Herzinsuffizienz ist, dass sie genauso tödlich verlaufen kann wie viele Krebsarten“, sagt Julia Fischer.

Spezielle Ambulanzen bündeln Behandlung

Zur bestmöglichen Versorgung von Patienten mit Herzschwäche tragen Herzinsuffizienz-Ambulanzen eine Menge bei. Der Vorteil: Sie vereinen das Expertenwissen von verschiedenen Fachbereichen unter einem Dach. Das ermöglicht die schnelle und effiziente Behandlung von allen Betroffenen, egal, ob sie nur den Verdacht auf eine Herzerkrankung haben, ob die Erkrankung schon länger besteht oder vielleicht sogar eine OP notwendig ist. „Es geht darum, für jeden Patienten ganz individuell ein Behandlungskonzept zu erstellen“, sagt Julia Fischer. 

Bevor Herzpatienten in einer HI-Ambulanz landen, führt der erste Weg meist zum Hausarzt. Je nachdem, wie schwer die Probleme sind, erfolgt eine Überweisung zu einem Kardiologen. Das kann ein niedergelassener Arzt sein oder eben die Experten einer HI-Ambulanz. In speziellen Sprechstunden führen die Mediziner Untersuchungen durch, um die Schwere der Herzschwäche zu erkennen. Dies passiert in der Regel mittels Herzultraschalls und verschiedenen Belastungstests.

Kardiologen und Herzchirurgen im engen Austausch

Je nach Stadium erfolgt dann eine Behandlung mit Medikamenten oder aber auch Operationen, die beispielsweise die Durchblutung des Herzens verbessern. „Bei uns im Herzzentrum Dresden wird jeder Betroffene in unserem sogenannten Herzteam besprochen. Das heißt, dass Kardiologen und Herzchirurgen zusammensitzen, sich austauschen und beraten, so dass am Ende für jeden Einzelnen die bestmögliche Therapie steht“, erklärt Dr. Ephraim Winzer. 

Anschließend bleibt der Patient in einer engmaschigen Betreuung. Es wird dabei kontrolliert, ob die eingeleitete Therapie anschlägt und ob sie gegebenenfalls angepasst wird. „Dies passiert in enger Abstimmung mit dem Hausarzt. Dieser kümmert sich nach wie vor um den Patienten, beispielsweise bei der Ausstellung von neuen Rezepten über Medikamente, die der Kardiologe verschrieben hat“, so Dr. Ephraim Winzer. 

Auch Jörg Czechaczek kommt regelmäßig zur Kontrolle in die TX-Ambulanz nach Dresden. Er ist dankbar für sein Kunstherz. Sicher, sein Lebensalltag hat sich geändert. Eine schwarze Tasche mit einer Steuerungseinheit und Akkus ist sein ständiger Begleiter. Diese versorgt sein Herz mit Energie. Er muss besonders auf eine Wunde am Bauch achten. Durch diese geht das Kabel, das die Tasche und die Herzpumpe verbindet. Sie soll sich nicht entzünden. Auch Baden ist tabu, lediglich Duschen noch möglich. Dann muss er den Akku des Kunstherzens in einen speziellen wasserdichten Beutel stecken. Für Jörg Czechaczek ist das am schwersten, er liebt Wasser. „Aber das halte ich aus. Was wäre die Alternative?“, fragt er. Und macht klar: „Ich kann ein ziemlich normales Alltagsleben führen und habe jede Menge Lebensqualität zurück. Ich fahre trotzdem weiter ans Meer. Und das nicht zum letzten Mal. Ich habe noch einiges vor, ich genieße mein Leben.“ (Robert Reuther)