Pirna/Dresden. Er hört ein Ventil zischen, dann folgt eine heftige Explosion. „Dann sind uns die Teile um die Ohren geflogen.“ Sichtlich erschüttert berichtet Betriebsleiter Joachim Seifert nach dem tödlichen Unglück in einer Chemiefabrik in Pirna. „Ein Reaktor für chemische Produkte hat durchgezündet - warum auch immer“, sagt der 54-Jährige mit leiser Stimme bei einer Pressekonferenz noch in der Nacht zum Dienstag und starrt niedergeschlagen auf die Tischplatte vor ihm. „Das ist bisher nicht erklärbar“.
Der Tag nach der Explosion in Pirna-Neundorf
Havarie in Chemiefabrik in Pirna
Bei der Explosion wenige Stunden zuvor starb ein 37 Jahre alter Chemiker aus Böblingen (Baden-Württemberg), ein Kollege vom dortigen Standort des Unternehmens sowie drei Pirnaer Mitarbeiter wurden in Trümmern eingeklemmt und mit schweren Brandverletzungen und Knochenbrüchen geborgen.
Nach der Explosion stieg ein Feuerball auf, wie Stadtsprecher Thomas Gockel schilderte. Die Gebäudefassade wurde nach Angaben der Feuerwehr „total zerstört“. Die Trümmer flogen bis auf die Straße, rund 50 Meter weit. Etwa 200 Feuerwehrleute, Polizisten und andere Helfer eilten in den kleinen Pirnaer Ortsteil Neundorf, in dem rund 300 Menschen leben.
Trümmerteile liegen in der Nachbarschaft
Mehr als 100 von ihnen wurden in Sicherheit gebracht. Immer wieder flammten einzelne Brände auf, bis zum späten Abend strömte ein gesundheitsschädigendes Lösungsmittel aus. Am Dienstagmorgen dann zeigte sich das ganze Bild der Verwüstung: in einem Garten liegt ein Generator, in Häusern klaffen Fensterlöcher ohne Scheiben, Teile der Produktionsanlage liegen im Firmenhof, ein Hausdach in rund 100 Metern Entfernung hat ein Loch - von einem Einschlag.
In der Fabrik, die direkt neben Wohnhäusern steht, wurden schon zu DDR-Zeiten Chemikalien produziert - Düngemittel, Textillösungsmittel. Das Gebäude, das jetzt in die Luft flog, war nach Auskunft von Pirnas Bürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos) noch relativ neu. „Die Anlage hatte einen hohen Sicherheitsstand.“ Darauf habe seine Verwaltung großen Wert gelegt.
An dem Unglückstag wurde dort erst eine neue Produktion hochgefahren, ein Flammschutzmittel für Textilien und Kunststoffe. „Es war eine Erstproduktion“, wie Seifert sagte. Der bei der Explosion ums Leben gekommene Kollege war eigens deswegen im Werk. Zuvor war die Anlage schon einmal probeweise getestet worden, mit kleineren Mengen - und ohne Probleme. Noch ist unklar, warum es nun schief ging. Auch nach der Untersuchung der Produktionshalle durch Kriminaltechniker und Spezialisten gab es am Dienstag noch keine Antwort auf diese Frage. (dpa)