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„Warum sollten die Flüchtlinge lügen?“

Die Linken-Abgeordnete Juliane Nagel äußerte sich kritisch über die Unterkunft in Rossau. Und das, obwohl sie nie vor Ort war.

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© André Braun

Von Tina Soltysiak

Rossau/Dresden. Die Diskussion um das Erstverteilzentrum des Landkreises Mittelsachsen in Rossau reißt nicht ab. Nach dem DA-Bericht „Vom Feldbett auf den Boden“, erschienen am Sonnabend im DA sowie am Montag in den Lokalausgaben der Sächsischen Zeitung, meldete sich am Dienstag Leser Gerald Herzog: Er fragte sich, warum sich Meldungen in anderem Medien, konkret dem MDR, und von Politikern – konkret von der Linken-Abgeordneten Juliane Nagel – so erheblich vom besagten Bericht unterscheiden? Der Leser mutmaßt, dass „Frau Nagel vielleicht persönlich gar nicht in Rossau gewesen ist“. Für ihn sei „100 Prozent klar, dass der [MDR-]Artikel im Internet nicht der Wahrheit entspricht. Und damit hat Juliane Nagel gelogen“, schreibt Herzog.

Der DA hat bei Juliane Nagel nachgefragt: „Ich habe die Unterkunft noch nicht besichtigt, beabsichtige dies aber am 2. oder 4. August –- abhängig davon, wann der Kreisvorsitzende Falk Neubert Zeit hat“, teilte sie am Mittwoch mit. Neubert sei aktuell im Urlaub, weshalb kein früherer Termin möglich gewesen sei.

Am 21. Juli hatte die Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik der Linken-Fraktion im Landtag unter der Überschrift „Wohnungen statt Massenlager!“ die vorausgegangenen Querelen um die vermeintlichen Zustände in Rossau kommentiert. Sie nimmt darin Bezug auf einen offenen Brief von Asylbewerbern, die in der Unterkunft leben, einer Pressemitteilung des sächsischen Flüchtlingsrates sowie der Gegendarstellung durch das Landratsamt Mittelsachsen (DA berichtete).

Weil der Flüchtlingsrat offensichtliche Falschmeldungen verbreitet hätte, erteilte die Kreisverwaltung den Mitgliedern Hausverbot. Das heißt Juliane Nagel nicht gut. Wenn sie nicht selbst vor Ort war, worauf stützt sich dann ihre Meinungsbildung? „Ich habe mich in der Mitteilung bewusst auf den Brief der Geflüchteten bezogen, denn deren Wahrnehmungen will ich ihnen nicht absprechen – warum sollten sie lügen?“

Zwischen den Zeilen äußerte sie Kritik an dem Hausverbot für den Flüchtlingsrat: „Ich denke, es ist sein Job, die Perspektive von Geflüchteten in die Öffentlichkeit zu bringen.“ Weiterhin kritisiert sie „die Form der ,Zwischenunterbringung’ in einem Lager wie Rossau“. Die ist aber von der Kreisverwaltung ausdrücklich so gewollt. Alle Asylbewerber, die der Kreis vom Freistaat zugewiesen bekommt, werden zunächst nach Rossau gebracht. Die Mitarbeiterinnen der Ausländerbehörde vor Ort suchen eine geeignete Wohnung im Landkreis. Das DRK hilft dabei.

Der Leiter der Stabsstelle Asyl des Landkreises, Dieter Steinert, sagte beim Vor-Ort-Termin am vergangenen Donnerstag, dass die Flüchtlinge natürlich mit der Erwartung aus den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Freistaates kommen, dass sie sofort in eine Wohnung und nicht wieder in eine umfunktionierte Fabrikhalle ziehen müssen.

Er wünscht sich deshalb, dass die Flüchtlinge bereits in den EAE darauf hingewiesen werden, dass sie in Mittelsachsen eine Zwischenstation erwartet. „Die aber zeitlich befristet ist. Wir bemühen uns, dass die Leute im Schnitt nur vier bis sechs Wochen in Rossau bleiben müssen“, sagte Steinert. Dieser Zeitraum sei realistisch – und vor allem notwendig, um sie auf das Leben in einer eigenen Unterkunft vorzubereiten. „Dann sind sie nämlich auf sich allein gestellt. Hier in Rossau beantworten die Helfer viele Fragen und unterstützen bei organisatorischen Sachen“, ergänzte er.