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Das bietet das SNE in der neuen Spielzeit

In ihrer zweiten Saison hat die Intendantin des Sorbischen National-Ensembles  ein besonderes Stück im Programm. Es geht um Menschlichkeit in finstersten Zeiten.

Von Madeleine Siegl-Mickisch
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Judith Kubitz startet in ihre zweite Spielzeit als Intendantin des Sorbischen National-Ensembles. Für ein besonderes Projekt hat sie Dramaturg und Ausstatter Wilfried Buchholz nach Bautzen geholt.
Judith Kubitz startet in ihre zweite Spielzeit als Intendantin des Sorbischen National-Ensembles. Für ein besonderes Projekt hat sie Dramaturg und Ausstatter Wilfried Buchholz nach Bautzen geholt. © Steffen Unger

Bautzen. Eine schöne, aber auch turbulente erste Spielzeit liegt hinter Judith Kubitz. Vor einem Jahr hat die aus Bautzen stammende Dirigentin nach Stationen in Kassel, Schwerin, Cottbus und Baden-Baden die künstlerische Leitung des Sorbischen National-Ensembles (SNE) übernommen. Nun startet sie voller Vorfreude in ihre zweite Saison als Intendantin und präsentiert die Pläne ihres Hauses für die nächsten Monate.

Der erste Höhepunkt liegt bereits hinter den Sängern und Musikern. Am vorigen Wochenende erlebten rund 800 Zuschauer Carl Orffs „Carmina Burana“ im besonderen Ambiente der Jakubzburg in Mortka. Insgesamt stehen in dieser Spielzeit 23 Premieren, Uraufführungen und Neueinstudierungen im Programm. Auf eine Uraufführung, die am 21. September zu erleben sein wird, freut sich Judith Kubitz besonders. Mit dem Tanzstück „Für Maria – Mitte der Nacht“ erinnert das Ensemble an Maria Grollmuß. Anlass ist ihr Todestag, der sich am 6. August zum 75. Mal jährte. Die sorbische Publizistin leistete Widerstand gegen das Nazi-Regime, sie kam 1944 im Konzentrationslager Ravensbrück um.

Judith Kubitz spricht von einer spannenden Produktion, die ihr selbst zu einer neuen Erkenntnis verhalf. „Ich hatte ein Bild von Maria Grollmuß in mir, das von der sozialistischen Schulbildung geprägt war.“ Doch das werde ihr nicht gerecht. Die besondere Stärke dieser Frau zu erkennen, dabei helfe auch der Blick von außen. Dafür hat Kubitz Wilfried Buchholz gewonnen. Er hat das Libretto geschrieben und auch Ausstattung und Dramaturgie übernommen. Als Bühnenbildner hat er schon an vielen Theatern, etwa in Mainz und Trier, gearbeitet, er war Schauspieldramaturg in Chemnitz und Ausstattungsleiter in Rudolstadt.

Zurzeit arbeitet er freischaffend – und nun zum ersten Mal in Bautzen. Er verspricht ein unterhaltsames und trotzdem nachdenkliches Stück mit modernen, klassischen und folkloristischen Elementen. Es gehe der Frage nach, was Menschen die Kraft gibt, in finstersten Zeiten ihre Menschlichkeit zu bewahren. Buchholz hat dafür Musik des tschechischen Komponisten Bohuslav Martinů verwendet. Die Choreografie kommt von SNE-Ballettmeisterin Mia Faccinelli. Es wird auch aus Briefen, die Maria Grollmuß aus der Gefangenschaft an ihre Schwester schrieb, zitiert. Sie werden gelesen von der aus Film und Fernsehen bekannten Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide, die aus Bautzen stammt.

Traditionen bewahren, aber auch neue Formen finden, beschreibt Judith Kubitz ihren künstlerischen Anspruch. So freut sie sich auf ein besonderes Projekt, an dem ebenfalls ein gebürtiger Bautzener maßgeblich beteiligt ist. Mirko Mahr, Ballettdirektor in Leipzig, wird erstmals Ausschnitte aus dem bekannten Zyklus „Die vier Jahreszeiten“ von Korla Awgust Kocor tänzerisch in Szene setzen. Die Uraufführung ist für April geplant.

Allerdings bereiten gerade Inszenierungen, in denen die Tänzer mitwirken, der Intendantin eine große Sorge. Sie erinnert sich an eine mächtige Zitterpartie in ihrer ersten Spielzeit. Gleich die erste Premiere drohte zu platzen, weil vier von zwölf Tänzern ausgefallen waren. Nur mit größter Anstrengung habe man „Die sorbischen Hochzeitsperlen“ dann doch wie geplant aufführen können, weil die Ballettmeister mittanzten und kurzfristig noch eine neue Tänzerin gefunden wurde. Sie spreche dieses Dilemma immer wieder vehement an, sagt Kubitz. Denn die knappe Besetzung sei nicht nur bei Ausfällen ein Problem, sondern lasse große Choreografien von vornherein nicht zu.

Kubitz hofft, dass die Stiftung für das sorbische Volk als Geldgeber langfristig mehr Stellen ermögliche. Für interne Umbesetzungen gebe es einfach keinen Puffer mehr, denn auch Chor und Orchester seien sehr knapp besetzt. Zwar kooperiere man neuerdings mit der Dresdner Palucca-Schule. Eleven, die dort im letzten Ausbildungsjahr sind, wirken in Produktionen des SNE mit. Doch das allein reiche nicht, um das Personal-Problem zu lösen.

Von solchen Schwierigkeiten lässt sich Judith Kubitz die Freude an der künstlerischen Arbeit aber nicht vermiesen. Sie erzählt begeistert von weiteren Vorhaben für diese Spielzeit, etwa einem gemeinsamen Konzert mit der deutsch-sorbischen Musikerin Carolina Eyck, die ein besonderes Instrument – das Theremin– spielt. Ende Oktober wird es ein Gedenkkonzert für den im vorigen Jahr verstorbenen Komponisten und früheren Intendanten des SNE, Detlef Kobjela, geben.

Klassiker wie die Vogelhochzeit für Kinder und für Erwachsene, das getanzte Weihnachtsmärchen, die Silvester- und Neujahrskonzerte sowie die Spreewälder Sagennacht stehen ebenfalls im Spielplan. Die bewährte Reihe „Meisterwerke der Chormusik“ startet bereits an diesem Wochenende in der Kirche in Crostau. Judith Kubitz will aber auch Lust machen auf Neues – etwa auf musikalische Literaturabende in der Röhrscheidtbastei oder den „Schwoof“, einen Tanzabend mit sorbischen Schlagern. Auch ein Blick hinter die Kulissen ist möglich: zum Tag der offenen Tür an diesem Sonntag.

Tag der offenen Tür am Sonntag 14 bis 18 Uhr
www.ansambl.de