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Was den Untergang der Römer einläutete

Naturkatastrophen haben immer wieder den Lauf der Geschichte verändert und geprägt.

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Die zehn Kilometer breite Caldera auf der Insel Unmak in Alaska bildete sich bei einem Ausbruch des Vulkans Okmok II im Jahr 43 v. Chr.
Die zehn Kilometer breite Caldera auf der Insel Unmak in Alaska bildete sich bei einem Ausbruch des Vulkans Okmok II im Jahr 43 v. Chr. © dpa

Die Ermordung von Julius Cäsar am 15. März 44 vor Christus stürzte die Römische Republik in Unruhen –- an denen vielleicht auch ein Vulkanausbruch am anderen Ende der Welt seinen Anteil hatte. Das legt zumindest eine im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vorgestellte Studie nahe. So stießen die Wissenschaftler in Eisbohrkernen aus der Arktis auf Spuren einer gewaltigen Eruption des Vulkans Okmok in Alaska im Jahr nach Cäsars Tod. Diese habe das Klima weltweit beeinflusst und zu Missernten und Hungersnöten geführt, welche die politisch und gesellschaftlich bewegte Zeit noch weiter destabilisierten.

Als der Feldherr und Diktator auf Lebenszeit Gaius Julius Cäsar (100–44 v. Chr.) während einer Senatssitzung erdolcht wurde, entbrannte in der Römischen Republik ein fast zwei Jahrzehnte andauernder Machtkampf. Er mündete schließlich im Niedergang, auch das Königreich der Ptolemäer im alten Ägypten wurde mitgerissen. Schriftliche Zeugnisse aus jener Zeit belegen, dass jener Machtkampf von einer Periode ungewöhnlich kalten Wetters mit Ernteausfällen, Hungersnöten, Seuchen und entsprechenden Unruhen im Mittelmeerraum begleitet wurde.

Wie das Team um Joseph McConnell vom Desert Research Institute (DRI) in Reno (Nevada) herausfand, wurde der Tod Cäsars von zwei Eruptionen des Vulkans Okmok in Alaska gerahmt. Das ergab die Analyse vulkanischer Asche (Tephra) in sechs Eisbohrkernen aus der Arktis. Es sei faszinierend, Beweise dafür zu finden, dass ein weit entfernter Vulkan zum Untergang der Römer und Ägypter beitrug, erklärte McConnell. „Es zeigt, wie eng die Welt vor 2.000 Jahren miteinander verbunden war.“

Durch die Untersuchung der Eisbohrproben aus Grönland und Russland konnten die Wissenschaftler zwei Ausbrüche des Okmok feststellen: einen starken, aber kurzlebigen und örtlich begrenzten im Jahr 45 v. Chr. sowie einen wesentlich kraftvolleren und ausgedehnteren Anfang 43 v. Chr., welcher einer der größten der vergangenen 2.500 Jahre war. Das Team sammelte zudem Daten aus aller Welt – darunter baumringbasierte Klimaaufzeichnungen aus Skandinavien sowie Analysen von Mineralablagerungen aus der Shihua-Höhle im Nordosten Chinas – um Zeitpunkt, Ausmaß und globale Folgen der Ausbrüche besser zu verstehen.

Dass gewaltige Vulkanexplosionen zu abrupten Klimawechseln führen können, ist bekannt: Die in die Atmosphäre ausgestoßenen Partikel können je nach Menge auf Jahre die globalen Temperaturen senken und Niederschlagsmuster verändern. Tatsächlich gehörten die beiden Jahre nach dem zweiten Okmok-Ausbruch der Studie zufolge zu den kältesten auf der Nordhalbkugel in den letzten 2.500 Jahren, das folgende Jahrzehnt sei zudem das viertkälteste gewesen. 

Klimamodelle deuteten darauf hin, dass die Durchschnittstemperatur im Sommer und Herbst nach der Eruption bis zu sieben Grad Celsius unter dem Normalwert gelegen habe. Gleichzeitig sei der Sommerniederschlag in Südeuropa um 50 bis 120 Prozent stärker ausgefallen, die Niederschläge im Herbst seien gar um bis zu 400 Prozent über den sonst üblichen Wert gestiegen.

„Im Mittelmeerraum haben diese feuchten und extrem kalten Bedingungen während des landwirtschaftlich wichtigen Frühlings bis zum Herbst wahrscheinlich die Ernteerträge verringert und die Versorgungsprobleme während der anhaltenden politischen Umwälzungen dieser Zeit verschärft“, führt Andrew Wilson von der Universität von Oxford aus. „Diese Ergebnisse verleihen Schilderungen über Kälte, Hunger, Nahrungsmittelknappheit und Krankheiten, die von antiken Quellen beschrieben wurden, Glaubwürdigkeit.“

Wie Historiker Joe Manning von der Yale Universität ergänzt, gebe es zudem ägyptische Quellen, die berichteten, dass das für die Landwirtschaft so wichtige Nilhochwasser zum Zeitpunkt des Vulkanausbruchs besonders dürftig ausgefallen sei. „Die klimatischen Effekte waren ein schwerer Schock für eine bereits gestresste Gesellschaft zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Geschichte.“

Die vulkanischen Aktivitäten lieferten auch eine Erklärung für die antiken Zeugnisse ungewöhnlicher atmosphärischer Phänomene rund um Cäsars Ermordung, die als Omen gedeutet wurden: So erzählen Aufzeichnungen von Ringen um die Sonne, von deren Verdunkelung oder von Lichterscheinungen wie Nebensonnen. Viele dieser Phänomene, so die Wissenschaftler, seien allerdings vor Cäsars Tod beobachtet worden und hingen vermutlich eher mit einem Ausbruch des Ätna 44 v. Chr. zusammen.

Wie die Autoren der Studie betonen, hätten natürlich mehrere verschiedene Faktoren zum Untergang der Römischen Republik und des Königreichs der Ptolemäer geführt. Die Klimaeffekte durch die Okmok-Eruption, so die Überzeugung der Forscher, spiele aber eine unbestreitbar große Rolle. (dpa)