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Was Dynamo mit RB verbindet

Die Vereinsphilosophie der Pokalgegner könnte unterschiedlicher kaum sein. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten.

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Von Daniel Klein

Es genügen zwei Zahlen, damit ist eigentlich schon alles gesagt – 18 000 und 17. Der aktuelle Stand der Mitgliederstatistik von Dynamo Dresden und RB Leipzig zeigt: Gegensätzlicher geht es kaum, daraus zieht das Erstrunden-Duell im DFB-Pokal zwischen Dynamo und RB Leipzig Attraktivität und Brisanz. Gemessen an der Mitglieder-Zahl empfängt am Sonnabend (15.30 Uhr) also Ostdeutschlands größter Verein einen der kleinsten.

Wobei es das natürlich nicht trifft, sondern eher: Basisdemokratie gegen Sponsoren-Alleinherrschaft, Kult gegen Kommerz, Tradition gegen Zeitgeist. „Die Vereine gehen Wege, die unterschiedlicher nicht sein könnten“, betont Dynamo-Sportdirektor Ralf Minge. Das ist unbestritten, doch die rigorose und demonstrative Abgrenzung vom Brauseklub klappt nicht immer. Es finden sich auch Gemeinsamkeiten und Verbindungen – die teilweise überraschen.

Red Bull klopft in Dresden an

Ganz am Anfang, in den Jahren 2006 bis 2008, suchte Red Bull für die neueste Marketingidee einen Standort in einer europäischen Top-Fußball-Liga. Die Strategie: Einen Klub – gerade erfolglos, aber mit Potenzial – übernehmen und bis in die Champions League führen. Ins Blickfeld gerieten Spanien und Deutschland und dort speziell Mallorca und Düsseldorf, ein Kandidat war aber auch Dynamo. Die Forderungen der Österreicher waren jedoch unannehmbar: Änderung des Vereins- und Stadionnamens sowie der Trikotfarben. Als aus gleichem Grund die Verhandlungen mit dem FC Sachsen scheiterten, änderte Red Bull die Strategie, suchte sich kleinere Übernahmekandidaten und fand 2009 mit dem SSV Markranstädt einen.

Ex-Dynamos in Diensten von RB

Stefan Kutschke stürmte nicht nur drei Jahre lang für RB, sondern köpfte sogar ein Tor gegen Dynamo: 2011 im Sachsenpokal beim bisher einzigen Pflichtspiel zwischen beiden Klubs. Am Sonnabend möchte er wieder treffen – diesmal natürlich für Schwarz-Gelb. Im Kader der Rasenballer steht momentan kein Ex-Dynamo, trotzdem waren und sind einige Dresdner in Leipzig aktiv. Teampsychologe Sascha Lense spielte in der Saison 1999/2000 für den damaligen Regionalligisten, arbeitete bei Dynamo bis vor einem Jahr als Teampsychologe, bevor er zu RB wechselte. „Ich bin gespannt, was er sich vor dem Duell gegen seinen Ex-Verein ausdenken wird“, erklärt Kapitän Dominik Kaiser am Donnerstag.

Frank Aehlig war Ende der 1990er-Jahre Manager bei Dynamo, seit 2014 ist er Sportkoordinator in Leipzig und dort die rechte Hand von Ralf Rangnick. „Er hat immer mal wieder Kontakt nach Dresden, kennt Ralf Minge ganz gut“, sagt Rangnick. Hans-Jürgen Kreische ist wieder zurück in seiner Geburtsstadt. Dynamos Ehrenspielführer und Ex-Trainer war seit 2010 Chefscout bei RB, hilft nun seinem Heimatverein bei der Talentsichtung.

Detlef Schößler gehörte bei den Dresdnern zu den Spielern mit den meisten Bundesliga-Einsätzen. Bei RB betreute er Nachwuchsmannschaften, zuletzt die U19. 2011 legte er das Amt aus „privaten und beruflichen Gründen“ nieder. In Dresden war er mehrfach als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums im Gespräch, doch es kam nie zu einer Unterschrift.

Ralf Minge wäre beinahe auch in Leipzig gelandet. Als Red Bull 2009 das Projekt in Markranstädt startete, suchte das Unternehmen einen Sportdirektor, der Ex-Stürmer soll zum Kandidatenkreis gehört haben. „Es gibt keinen direkten Kontakt“, sagte er damals. Das ist inzwischen anders. Minge schaute sich kürzlich beispielsweise das neue RB-Trainingszentrum am Cottaweg an, suchte dort nach Anregungen für den Neubau, der 2018 im Dresdner Ostragehege beginnen soll.

Neuaufbau mit Talenten

Wenn man die sportliche Entwicklung in einer Fieberkurve darstellen würde, sähe die bei RB recht langweilig aus: Abgesehen von zwei waagerechten Linien geht es seit der Vereinsgründung 2009 immer nur aufwärts. Bei Dynamo dagegen gleicht es eher einer Berg- und Talfahrt. Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit. Nach dem letzten Zweitliga-Abstieg krempelte Minge den Kader komplett um, setzte auf Talente und junge Spieler, denen ein Leistungssprung zugetraut wird. Zwei Jahre später feierten die Schwarz-Gelben den Aufstieg und hielten am Konzept fest. In den ersten beiden Pflichtspielen dieser Saison standen nur zwei Neuzugänge in der Startelf, der Altersdurchschnitt des Kaders liegt bei 24,3 Jahren – es ist einer der jüngsten in Liga zwei.

RB erlebte die Zäsur mit dem Dienstantritt von Rangnick. Bis dahin setzte der Klub beim angepeilten Durchmarsch vor allem auf namhafte Kicker in betagterem Alter. Dies änderte sich radikal. Rangnick führte das aggressive Gegenpressing ein und brauchte dafür junge, spritzige, lernwillige Spieler – und hatte damit Erfolg. Ähnlich wie Dynamo hält auch Leipzig an den Aufsteigern fest, die Mannschaft wurde im Sommer nur behutsam verändert. „Mit unserer Transferpolitik zeigen wir, dass wir den Spielern, die bei uns geblieben sind, zutrauen, dass sie den nächsten Schritt machen.“ Das hat Rangnick gesagt, das Zitat könnte aber auch von Minge stammen.

Die RB-Spieler sind im Schnitt 23,7 Jahre alt, die Mannschaft ist mit Abstand die jüngste in der Bundesliga. „Wir wollen mit attraktivem, schnellen Offensivfußball die Menschen im Stadion begeistern“, sagt RB-Trainer Ralph Hasenhüttl. Dies würde sein Dynamo-Pendant Uwe Neuhaus sicher ähnlich formulieren. Bei allen Gemeinsamkeiten in der Kader-Philosophie gibt es natürlich einen gravierenden Unterschied: Der Marktwert der Mannschaft liegt beim Erstligisten bei 62 Millionen Euro, beim Zweitligisten sind es rund neun Millionen.

Geld brauchen beide Vereine und damit Sponsoren. Seit vergangener Woche haben sie einen gemeinsamen: Media Markt wird sowohl in Leipzig wie auch in Dresden über die Werbebanden flimmern. Die Abgrenzung hat halt auch Grenzen.