Nach den bisherigen Ermittlungen haben sich die Ereignisse am Todestag von Jürgen Möllemann gestern wie folgt abgespielt:
10 Uhr: Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki informiert seinen Freund Jürgen Möllemann, dass der Bundestag seine Immunität an diesem Tag aufheben wird. Möllemann hatte ihn angerufen und gesagt, vor seiner Haustür stünden Kameras und zwei Autos mit Düsseldorfer Kennzeichen: „Was hat das zu bedeuten?“ Daraufhin habe er, Kubicki, Möllemann gesagt, der Bundestag wolle seine Immunität aufheben und einen Durchsuchungsbefehl vollstrecken.
11.15 Uhr: Der Immunitätsausschuss des Bundestages tritt zusammen. Das Gremium beschließt, dem Parlament die Aufhebung der Immunität des parteilosen Abgeordneten Jürgen Möllemann zu empfehlen und damit einem Antrag der Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Münster stattzugeben.
12.15 Uhr: Auf dem kleinen Flughafen Loemühle im westfälischen Marl startet eine Propellermaschine mit zehn Fallschirmspringern an Bord – unter ihnen Jürgen Möllemann. Er ist zur Hälfte Eigentümer der Maschine. Möllemann wird später als „sehr wortkarg“ beschrieben.
12.18 bis 12.20 Uhr: Im Bundestag in Berlin findet die Abstimmung statt. Die Abgeordneten folgen einstimmig der Empfehlung des Ausschusses und heben die Immunität Möllemanns auf.
Nahezu zeitgleich: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf teilt per Fax mit, dass 25 Büros und Wohnräume Möllemanns in 13 Orten im Bundesgebiet und in Spanien sowie Bankhäuser in Luxemburg und Liechtenstein durchsucht werden. Hintergrund sind Verfahren gegen Möllemann wegen Steuerhinterziehung und Verstoßes gegen das Parteiengesetz, Betrugs und Untreue.
Kurz nach 12.30 Uhr: Die zehn Fallschirmspringer lassen sich aus dem Flugzeug fallen: Als Letzter oder Vorletzter – hierzu sind die Angaben widersprüchlich – springt Möllemann aus einer Höhe von 4 000 Metern. Der Politiker soll darauf bestanden haben, allein das Flugzeug zu verlassen. Sein Fallschirm öffnet sich zunächst normal, doch in etwa 1 000 bis 1 500 Metern Höhe löst sich plötzlich sein Schirm, und der Politiker rast ungebremst zu Boden. Ein Augenzeuge berichtet später, Möllemann habe an einem intakten Fallschirm gehangen. Den Reserveschirm habe er offenbar nicht gezogen. Der Mechaniker Udo Dumke hört den Aufprall. Wie ein dumpfer Schlag sei das gewesen.
12.38 Uhr: Nach Angaben der Bezirksregierung Münster stirbt Möllemann in dieser Minute. Seine Leiche wird geborgen und der Tod offiziell festgestellt.
Gegen 14 Uhr: Der Bundestag senkt für den fraktionslosen Abgeordneten Möllemann seine Flaggen auf Halbmast. Schaulustige strömen zum Flughafen Marl-Loemühle. 150 Polizeibeamte sind am Tatort. Die Stelle, auf der Möllemanns Körper aufgeschlagen war, liegt am Rande eines durch rot-weiße Plastikbänder gekennzeichneten Landeplatzes für Fallschirmspringer am Rande eines Gerstenfeldes.
Gegen 17 Uhr: Die Staatsanwaltschaft gibt auf einer Pressekonferenz Spekulationen Nahrung: Die Todesumstände können möglicherweise nie wirklich aufgeklärt werden, sagte der Essener Oberstaatsanwalt Wolfgang Reinicke. Die Staatsanwaltschaft ermittle in alle Richtungen, sagt er. Möllemann hinterlässt offenbar keinen Abschiedsbrief. (SZ/lot/AP)