Von Stephen Wolf, Wiesbaden
Die Diskussion über Fake News im US-Wahlkampf ist noch nicht zu Ende. Die über die Gefahren gezielter Falschmeldungen im Bundestagswahlkampf hat erst begonnen. Am Sonntag hatte die Beraterin von US-Präsident Donald Trump, Kellyanne Conway, im Streit über Zuschauerzahlen bei der Vereidigung eine neue Variante ins Spiel gebracht: „alternative Fakten“.
Doch was hilft gegen Fake News? Konstanze Marx vom Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim verweist darauf, dass sich nicht jeder Manipulationsversuch anhand von leicht erkennbaren Schlagwörtern wie „Lügenpresse“ oder „Überfremdung“ entlarven lasse. Zumal gefälschte Meldungen bevorzugt in sozialen Netzwerken verbreitet würden. „Dort, wo ein Vertrauensvorschuss gegenüber anderen Gruppenmitgliedern herrscht“, erklärt die Linguistin.
Das bewusste Verbreiten von Falschmeldungen sei wie „ein Gift, das in den öffentlichen Diskurs einsickert“, sagt der Marburger Politikwissenschaftler Thomas Noetzel. Es sei aber wenig aussichtsreich, mit einem Verwaltungsapparat gegenzusteuern, der in einer Art Endlosschleife mit Berichtigungen oder Dementis auf Fake News antworte. Noetzel fordert, früher anzusetzen und schon in den Schulen viel stärker auf die Vermittlung von Medienkompetenz zu setzen. „Wir müssen pädagogische Ansätze fördern und die Urteilskraft stärken.“
Notwendig wäre das, denn: „Digitalkompetenzen sind insgesamt nur gering ausgeprägt, nehmen teils sogar ab“, heißt es kritisch im „Digital Index 2016“ der Initiative D 21 zum „Lagebild der Digitalen Gesellschaft in Deutschland“. Der IT-Sicherheitsexperte Christian Schülke aus dem hessischen Langen weist darauf hin, dass Fake News problemos vom Ausland aus in Umlauf gebracht werden könnten. Daran änderten deutsche Gesetze wenig. Daher ist es auch seiner Überzeugung nach wichtig, vor allem die Kritikfähigkeit im Umgang mit sozialen Netzwerken zu fördern. Der Sprecher des Chaos Computer Club (CCC) Falk Garbsch, ergänzt: „Wir fordern seit Jahren, dass Grundlagen der Medienkompetenz in der Schulbildung verankert sein müssen.“ Weil in fast jedem Fach Informationen aus dem Internet eine Rolle spielten, müssten Lehramtsstudenten im Bereich Medienkompetenz ausgebildet werden. Der Journalist Konrad Lischka, der als Projektmanager im Bereich Digitalisierung bei der Bertelsmann Stiftung arbeitet, empfindet es als ermutigend, dass die Kultusministerkonferenz entsprechende Kompetenzen bei Lehrern stärker fördern will und das als „integrale Aufgabe der Ausbildung in den Unterrichtsfächern sowie den Bildungswissenschaften“ betrachtet. Resignation hält Lischka für unangebracht. Es gebe sowohl ambitionierte Lehrer als auch vielversprechende Projekte.
Erst Mitte Januar gab das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv bekannt, mit einer „Reporterfabrik“ genannten Online-Akademie zur Aufklärung gegen „Hass, Fake-News und Desinformationen“ im Netz beitragen zu wollen. Dafür wollen die Organisatoren Kooperationen mit Journalistenschulen und Volkshochschulen eingehen und setzen zum Beispiel auf Erklärvideos und kostenlose Workshops. Beim „Projekt Medienscouts NRW“ der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen geht es darum, Jugendliche in ihrer Beratungskompetenz so auszubilden, dass sie Mitschülern bei Fragen rund um das Thema Medien helfen können. (dpa)