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Was kommt nach der Festival-Absage?

Bei den Festivals in Sachsen und Umgebung geht es um Atmosphäre, Kulisse, Feiern. Nun bleibt es still wegen Corona. Doch die Branche hat schon Ideen.

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© dpa/Britta Pedersen (Symbolbild)

Gräfenhainichen/Dresden/Saalburg-Ebersdorf.  Die riesigen Bagger aus Eisen zeugen von der Geschichte des Braunkohleabbaus in der Region - und sind seit Jahren Kulisse für große Musikfestivals, Konzerte und Sportevents. Jetzt bleibt es still und nahezu menschenleer in der Veranstaltungsarena Ferropolis Gräfenhainichen. 

Wegen der Corona-Pandemie sind bis August Großveranstaltungen abgesagt. Große Namen wie "Melt!" und "Splash!" sind darunter. Ferropolis-Geschäftsführer Thies Schröder sagt: "Für das Gelände sind die großen Veranstaltungen im Sommer die Existenzgrundlage." Jetzt habe Ferropolis ein ernsthaftes Problem und wie die Arena viele andere der Branche, sagt Schröder.

Bei den Festivalbesuchern spielen die Ländergrenzen keine Rolle - die Wege zwischen Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind ohnehin kurz. Abgesagt wurden aber bereits fast alle Festivals: Wegen Corona kann etwa auch das für Mitte August geplante Highfield-Festival am Störmthaler See bei Leipzig nicht stattfinden. 

"Unser gesamtes Team hat gemeinsam mit unzähligen Beteiligten und regionalen Partnern lange auf den Festivalsommer hingearbeitet und ist genauso enttäuscht wie unsere Gäste", teilte Folkert Koopmans vom Veranstalter FKP Scorpio mit. Limp Bizkit, Deichkind und die Beatsteaks gehörten zu den 41 angekündigten Künstlern. Mehrere zehntausend Musikfans hatte das Festival in den Vorjahren an den Störmthaler See gelockt.

Via Twitter sagten die Veranstalter des "Melt!" das diesjährige Festival ab:

Und auch die Festivals in Ferropolis sind bestens besucht. Jetzt fehlen die Einnahmen. Nicht einmal Ausflügler können auf das Gelände kommen, um sich die Bagger anzuschauen. In einer ersten Schätzung geht Geschäftsführer Thies Schröder von einer halben Million Euro Verlust aus. Die Notbremse musste er ziehen und rückwirkend Kurzarbeit für die sieben Team-Mitarbeiter anmelden. Weitere Gästeführer stehen auch ohne Arbeit da. Anspruch auf die staatliche Soforthilfe habe Ferropolis nicht, weil Gräfenhainichen als kommunaler Anteilseigner involviert ist.

Nun hoffe er darauf, dass Ferropolis bald wieder als Museum öffnen kann und zumindest dieses Standbein verstärkt nutzen kann. "Wir stärken das touristische Angebot. Es wird ein ganz anderer Sommer sein", sagt Schröder. Er feilt jetzt an Idee für kontaktlose oder kontaktarme Angebote - alles gemäß der Corona-Richtlinien. Ein Autokino kann er sich vorstellen und hofft, dass die Leute wegzulocken sind von Netflix und Co.

Auch die Filmnächte am Dresdner Elbufer müssen wegen der Corona-Beschränkungen umplanen. Die Macher wollen ebenfalls aufs Autokino umsteigen und - in Kooperation mit Dresdner Kinos - für 400 bis 500 Autos täglich bis zu zwei Filme zeigen. Schon seit Wochen plane man und sei mit der Stadt im Gespräch, so die Veranstalter. Die Filme sollen am Parkplatz der Flutrinne auf dem Gelände der Dresdner Messe gezeigt werden - auf der großen Filmnächte-Leinwand.

Laut Stadtverwaltung gibt es mehrere Anbieter, die in Dresden in den nächsten Wochen ein Autokino eröffnen wollen. "Dresden war schon immer eine Stadt der Kinos und es ist toll, dass jetzt Initiativen entstanden sind, die auch in der Corona-Krise diese Tradition fortführen wollen. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen eine Durchführung zulassen, stehen wir dem sehr offen gegenüber", so Stadtsprecher Kai Schulz.

Auch die Filmnächte am Elbufer trifft das Veranstaltungsverbot.
Auch die Filmnächte am Elbufer trifft das Veranstaltungsverbot. © Archiv/Christian Juppe

Von Ferropolis aus sieht Thies Schröder dennoch mit Sorge auf die Festival-Branche. Dass die Veranstalter, die Ferropolis als Kulisse für die Festivals nutzen, das Programm von 2020 einfach auf 2021 schieben, will er nicht recht glauben. Zum einen stünden da unter anderem schon weitere Tourneen an. Und: "Nicht jeder Veranstalter wird es überstehen, ein Jahr lang keine Einnahmen zu haben." Und er sieht auch eine Kettenreaktion: Zulieferer, Servicekräfte, Reinigung, Toiletten nennt er als Beispiele. Jetzt werde sichtbar, wie viel an der Branche hänge.

Das Rudolstadt Festival verfolgt die Strategie, das Programm der nun abgesagten 30. Auflage soweit möglich von diesem ins nächste Jahr zu schieben. "Den Kartenvorverkauf hatten wir vorsichtshalber schon Mitte März gestoppt, weil uns klar war, dass Tausende Rücküberweisungen Zeit und Personal binden würden", sagte Sprecherin Miriam Rossius. Zudem sei man zweigleisig gefahren, habe etwa Aufträge erst gar nicht vergeben, oder auf Eis gelegt. Das Festival gilt als größtes für Folk-, Roots- und Weltmusik in Deutschland. Mehrere Zehntausend Besucher zählt es regelmäßig, Gäste und Künstler aus den verschiedensten Ecken der Welt kommen dafür in die Südthüringer Stadt.

Noch zurückhaltend geben sich dagegen die Macher des "SonneMondSterne" (SMS), bei dem allein im vergangenen Jahr gut 40 000 Technofans drei Tage lang am Ufer des Bleilochstausees beim thüringischen Saalburg-Ebersdorf tanzten. "Die Absage der Veranstaltung ist Sache der Bundesländer, hier warten wir noch auf ein offizielles Statement der Behörden", teilten die Veranstalter auf Anfrage am Freitagmorgen mit. Sobald es Klarheit gebe, würden alle Ticketkäufer informiert.

Entschädigung durch Gutscheine?

Dabei ist das SMS längst nicht das einzige Festival, für das sich Musikfans oft weit im Voraus schon Karten besorgt haben. Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BdKV), äußerte Verständnis für die zögerlichen Absagen. Gebe es keine behördliche Anordnung, würden sich die Veranstalter gegenüber Kartenkäufern und Künstlern schadenersatzpflichtig machen, erklärte er. Daher würden die Veranstalter die Vorbereitungen häufig erst einstellen, wenn sie dazu verpflichtet seien - etwa durch einen Beschluss der Landesregierung.

Michow sprach sich dafür aus, dass Konzertticketinhaber mit Gutscheinen entschädigt werden. Die entsprechende Regelung, die Ende April noch vom Bundestag verabschiedet werden soll, gilt auch für abgesagte Konzerte und andere Kulturveranstaltungen. Die Gutscheine sollen bis Ende 2021 gelten und beim gleichen Veranstalter auch für andere Events eingelöst werden können. Wer dennoch sein Geld zurückhaben möchte, kann sich Anfang 2022 den vollen Wert nicht genutzter Gutscheine auszahlen lassen.

Allerdings würde auch die Ausgabe von Gutscheinen sowie das Einlösen in ein neues Ticket Kosten verursachen, betonte Michow. Daher wolle der BdKV mit dem Bund über einen Hilfsfonds verhandeln. Kredite, die zurückgezahlt werden müssen, würden den Veranstaltern nicht weiterhelfen, so Michow - in der aktuellen Lage könnten sie diese Verpflichtung gar nicht eingehen.

Neben dem SMS steht auch beim Theater Erfurt noch die Entscheidung aus, ob die diesjährigen Domstufenfestspiele stattfinden werden. Spätestens am 30. Mai soll es feststehen, ob sie wie geplant vom 10. Juli bis zum 2. August Besucher zu Giuseppe Verdis Oper "Nabucco" locken können, hieß es. Im vergangenen Jahr kamen zu 21 Aufführungen auf den Domstufen unter freiem Himmel insgesamt rund 44 400 Besucher.

In Wartestellung sind auch die Organisatoren der Kulturarena Jena. Rund 67 000 Menschen haben im vergangenen Jahr die Konzerte, Film- und Theatervorführungen besucht, die die Kulturarena über mehrere Wochen anbietet. Unabhängig von der Entscheidung, ob das Festival stattfinden kann, sprach Produktionsleiter Kristjan Schmitt von langfristigen Auswirkungen der Pandemie: "Auch Sponsoren sind zum Teil wirtschaftlich eingeschränkt durch die Krise. Wir müssen schauen, ob wir das Festival finanziell stemmen können und wie es in Zukunft aussehen kann." (dpa)

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