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Was Leser wirklich lesen

Die Redakteure der Sächsischen Zeitung lernen von den Abonnenten, was diese interessiert. Und sie können helfen.

Von Daniel Klein
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Isabelle Freiling (li.) und Lisa Weidmüller lernen gerade, wie der Scanstift funktioniert. Beide sind selbst gespannt, wie die Sächsische Zeitung mit Lesewert arbeitet.
Isabelle Freiling (li.) und Lisa Weidmüller lernen gerade, wie der Scanstift funktioniert. Beide sind selbst gespannt, wie die Sächsische Zeitung mit Lesewert arbeitet. © Ronald Bonß

Eine Einschaltquote für die Zeitung? Gibt es nicht? Gibt es doch. Die Sächsische Zeitung hat ein System entwickelt, um zu erfahren, was Leser wirklich lesen.

Die Idee: Täglich erfahren, wie die Zeitung den Lesern gefällt

Mehr als 100 Redakteure und Gestalter der Sächsischen Zeitung geben täglich ihr Bestes, um Hunderttausenden Lesern eine spannende, informative, unterhaltende und hilfreiche Zeitung zu bieten. Doch wie kommen die Beiträge beim Leser an? Das erfahren Redakteure durch Leserzuschriften und Anrufe, aber keinesfalls täglich und für jeden Artikel. Dafür müsste man Lesern „über die Schulter schauen“. So wurde die Methode „Lesewert“ entwickelt.

Das Prinzip: Einen Messwert für jeden gelesenen Text

Das Prinzip ist ganz einfach. Eine Gruppe von Abonnenten liest ihre Sächsische Zeitung genauso wie bisher auch. Dazu bekommen sie nun aber einen elektronischen Stift. Immer, wenn sie mit dem Lesen eines Artikels fertig sind, markieren sie mit dem Stift die Zeile, an der sie aufgehört haben, den Text zu lesen.

 Der Stift scannt diese Zeile ein, speichert sie und überträgt sie an ein ebenfalls den Teilnehmern zur Verfügung gestelltes Mobiltelefon. Über die Handyverbindung wird diese Information zur Redaktion gesendet, wo die Messwerte aller Teilnehmer zusammengerechnet und den Zeitungsartikeln zugeordnet werden.

Das Ergebnis: Welche Artikel wurden am häufigsten und komplett gelesen?

Für jeden Artikel entsteht der sogenannte Lesewert. Er verrät den Redakteuren, welche Beiträge und Themen in der Zeitung besonders viele Leser interessiert haben. Er ähnelt stark der Einschaltquote beim Fernsehen. 

Aber der Lesewert kann noch mehr. Er sagt nämlich auch, wie sehr sich die Leser für das Thema interessieren, wie intensiv sie einen Text gelesen haben. So gibt es zum Beispiel Themen, die besonders viele Leser finden und von ihnen auch meist bis zum Ende des Textes gelesen werden. 

Es gibt auch Beiträge, auf die weniger Leser aufmerksam werden, von ihnen aber genauso intensiv und gern gelesen werden. Natürlich erfahren die Redakteure auch, wenn ein Beitrag mal nicht so gut beim Leser angekommen ist.

Die Erkenntnis: Täglich auf den Leser hören

Die Redaktionen schauen sich die Ergebnisse jeden Tag sorgfältig an und erfahren, welche Themen den Abonnenten der Sächsischen Zeitung besonders wichtig sind. Dieses Wissen hilft, eine noch bessere Zeitung zu machen. So werden zum Beispiel interessante Themen am nächsten Tag fortgesetzt und bekommen mehr Platz in der Zeitung. Die Redakteure bleiben an den Geschichten dran und erzählen den Lesern, wie sie weitergehen.

Pro Artikel eine Lesewert-Marke. Darin stehen die Messwerte für den Text.
Pro Artikel eine Lesewert-Marke. Darin stehen die Messwerte für den Text. ©  Screenshot/SZ

Welche Themen das sind, ist von Ort zu Ort, von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich. Deshalb soll mithilfe ihrer Leser jede der 20 Lokalausgaben der Sächsischen Zeitung in den kommenden Jahren intensiv erforscht werden. Schon jetzt haben mehr als 1.000 Leser an dem Projekt teilgenommen und wertvolle Erkenntnisse geliefert.

 Für die Arbeit der Redaktion ist diese tägliche Rückmeldung der Leser längst unverzichtbar geworden, denn sie werden einerseits in ihrem Engagement gewürdigt und bestärkt, aus einer Flut von Informationen das herauszufiltern, was für die Leser wirklich wichtig ist, unverständliche und verschleiernde Sachverhalte zu erklären, Missstände aufzudecken und Probleme anzusprechen. 

Andererseits gibt es natürlich jeden Tag auch Überraschungen, die es den Redakteuren möglich machen, auf die Leserwünsche zu reagieren, wenn Leser signalisieren: „mehr davon“. Die Zeitungsmacher wissen zum Beispiel, wie wichtig den Lesern Texte sind, die erklären, was Entscheidungen aus Brüssel oder Berlin für sie konkret im Alltag für Konsequenzen haben.

 Die Leser zeigen auch, dass ihnen eine gute Mischung wichtig ist. So werden kurze, knappe Nachrichten oft zuerst gelesen. Für große, besonders spannende Geschichten nehmen sich die Leser gern auch Zeit und legen sich diese dafür zur Seite, um sie auch Tage später noch zu lesen.

Die Entwicklung: Lesewert dient jetzt auch anderen Zeitungen

Diese Idee der Sächsischen Zeitung, mit dem Projekt Lesewert täglich von den Lesern zu lernen, was sie wirklich lesen wollen, hat sich inzwischen bei anderen Verlagen in ganz Deutschland herumgesprochen. So werden künftig weitere Zeitungen direkt von ihren Lesern lernen, wie deren Wunschzeitung aussieht und alles dafür tun, täglich die beste Zeitung nach Hause zu liefern.

Falls auch Sie als Lesewert-Leser dazu beitragen wollen, Ihre Sächsische Zeitung besser zu machen, schreiben Sie uns eine E-Mail an die Mailadresse [email protected] oder rufen Sie uns unter Telefonnummer 0351 48643000 an.