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Was machen diese Schuhe auf dem Baum?

Am Albertplatz ist ein Ahorn mit Schuhen nur so übersät. Die Stadtverwaltung duldet die Wurfaktionen und spricht sogar von einer Tradition.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Manche werfen ihre ausgelatschten Schuhe in die Kleiderspende, andere entsorgen sie in der Mülltonne. Und wieder andere binden die Schnürsenkel zusammen und pfeffern sie auf einen Ahornbaum am Albertplatz. Dessen Äste müssen inzwischen um die 20 Paar tragen – vom günstigen Nylon-Schneestiefel über den abgewetzten Sportschuh bis zum makellosen, kastanienbraunen Glattleder-Boot. Aber warum nur? Waren‘s wieder die Neustädter, die ohnehin gern abgenutzte Bücher, Fernseher und Lampenschirme zum Mitnehmen vor die Haustür stellen?

Die Dresdner Abfallwirtschaft kennt den Schuhirrsinn gegenüber dem Erich-Kästner-Museum schon. Dort wird der Ahorn inzwischen „Schuhbaum“ genannt, teilt die Behörde auf Nachfrage mit und spricht von einer Tradition. Einer, wie könnte es anders sein, die ihren Anfang in den USA genommen haben könnte. Die Sitte, alte Turnschuhe, Sandalen, Stiefel oder Stöckelschuhe über Laternen, Straßenschilder, Masten, Ampeln oder eben Äste zu werfen, ist in Amerika seit Anfang der 1990er-Jahre verbreitet. Die Sage dahinter: Im Streit mit seiner Braut schleuderte ein Bräutigam am Highway 50 in Nevada deren Schuhe auf eine Pappel, damit diese nicht fortlaufen kann. Anschließend sollen sich beide wieder vertragen und Nachahmer gefunden haben, die sich mit dem Latschen-Wurf eine glückliche Ehe versprechen. Eine weitere Theorie besagt, dass jeder Schuhwerfer einen Wunsch frei habe. Andere vermuten keinen tieferen Sinn, sondern einfach nur den Wunsch nach buntem Schmuck an der asphaltgrauen Straße.

Der Dresdner Schuhbaum sei bei der letzten Bunten Republik Neustadt (BRN) im Juni vergangenen Jahres entstanden, so die Abfallwirtschaft. Befreien wolle man den Ahorn allerdings nicht. „Sollten die Schuhe bei der Baumpflege stören, werden sie entfernt, andernfalls geduldet“, so die Stadtverwaltung. Bis jetzt seien durch die Schuh-Würfe noch keine Schäden am Baum festgestellt worden. Wenn das so bleibt, würden die Schmück-Aktionen auch nicht geahndet.

Im Internet wird der Dresdner Schuhbaum schon kräftig beworben. Wikipedia zum Beispiel liefert gleich die Koordinaten des Ahorns, aufgelistet neben sechs weiteren Bäumen in Deutschland.