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Was passiert, wenn ein Flüchtling stirbt?

Prinzipiell können auch Muslime auf hiesigen Friedhöfen bestattet werden. In Görlitz ist das noch nicht vorgekommen.

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© Rafael Sampedro

Von Irmela Hennig

Pfarrer Ansgar Schmidt kann sich noch gut an die bewegende Trauerfeier erinnern. Auf dem Zittauer Frauenfriedhof wurde im Herbst 2017 ein Geflüchteter aus Syrien bestattet. Der Vater von vier Kindern hatte das Bürgerkriegsland und seine Heimat Aleppo verlassen und war nach Deutschland gekommen, um Schutz zu finden. Doch hier ist der etwas über 50 Jahre alte Mann dann verstorben.

Ansgar Schmidt kannte die muslimische Familie schon vorher. Zusammen mit Freunden hatte sie sich damals an den Geistlichen der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde St. Johannis gewandt. Eigentlich wollten sie den Verstorbenen in die Heimat überführen lassen. Doch das wäre im Fall von Syrien schwierig geworden und außerdem teuer. Eine andere Option war ein Begräbnis auf dem Heidefriedhof Dresden. Dort wurde 2012 ein muslimisches Gräberfeld eingeweiht. Dann aber entschied man sich für eine Bestattung auf dem Zittauer Frauenfriedhof.

Das ist rechtlich möglich, bestätigt Friedhofsmitarbeiterin Kristel Rönsch. Auch Nichtchristen oder Menschen, die keine Kirchenmitglieder sind, können auf einem kirchlichen Friedhof beerdigt werden. Allerdings müssen sie die Bestattungsordnung anerkennen – in dem Fall die der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen. Danach ist beispielsweise die Bestattung in einem Sarg oder einer Urne Pflicht. Bei Muslimen wird der Tote aber eigentlich in ein weißes Leinentuch gehüllt, außerdem sollte er nach 24 Stunden beerdigt sein. In Sachsen sind 48 Stunden Wartezeit Pflicht. Die Familie stimmte dem zu. Der Verstorbene wurde mit Blickrichtung nach Mekka gebettet. Für viele Muslime ist die Stadt in Saudi-Arabien die wichtigste und heiligste der Welt. Denn dort empfing der Überlieferung nach der Prophet und Religionsgründer Mohammed den Koran.

Der Fall aus Zittau ist bislang fast einmalig im Kreis Görlitz. Hier sind in den vergangenen Jahren kaum Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge gestorben. Das Rote Kreuz in Zittau hatte sich 2016 um einen verstorbenen Tschetschenen gekümmert. Allerdings wurde er in die Heimat überführt. „Das Geld dafür sammelten Familienangehörige“, erinnert sich der stellvertretende Geschäftsführer Steffen Ridder.

Wenn Angehörige die Kosten für die Beerdigung nicht aufbringen können oder wenn es schlicht keine gibt, sind laut Gesetz die Träger der Sozialhilfe zuständig. Bei Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen ist das in der Regel der Landkreis. Geflüchtete, die schon Asyl oder eine andere Anerkennung haben, betreut meist das Jobcenter. Das sei auch Ansprechpartner bei finanziellen Fragen zu Todesfällen. Im Fall des Syrers in Zittau übernahm das Sozialamt des Landkreises die Beerdigungskosten, weiß man beim Zittauer Bestattungshaus „Friede“ U. Zimmermann. Auch bei Asylbewerbern, deren Status noch nicht geklärt ist, sei der Landkreis verantwortlich. In einigen Fällen kümmern sich die Städte oder Gemeinden. Zum Beispiel wenn ein Migrant einen festen Job hatte, aber keine Angehörigen.

Beerdigungen auf den Friedhöfen im Landkreis sind grundsätzlich möglich. Auf dem Nikolaifriedhof Löbau ist aber noch kein Fall vorgekommen. Auch nicht von Zuwanderern aus Vietnam. Auf dem Städtischen Friedhof in Görlitz hat Leiterin Evelin Mühle ebenfalls noch keinen Asylbewerber oder Geflüchteten zur letzten Ruhe gebettet. Sie sagt mit Blick auf Muslime: „Wenn sie nicht ganz streng gläubig sind und auf ihrem traditionellen Ritus bestehen, können sie hier begraben werden.“ Allerdings könne die Friedhofsverwaltung keinen Platz mit unverbrauchter Erde zur Verfügung stellen – das ist auch etwas, was der Islam wichtig nimmt.

In Zittau sind neben den zwei erwähnten Fällen keine weiteren bekannt. Für den Urnenhain der Stadt spiele das Thema eigentlich keine Rolle, weiß Stefan Winter vom dortigen Bestattungswesen. Denn Muslime beispielsweise werden nicht verbrannt. Ridder kann sich aber erinnern, dass er vor etwa zehn Jahren mal die Überführung eines Unfalltoten muslimischen Glaubens nach Berlin organisiert hat. Mit Verstorbenen aus Polen und Tschechien habe man gelegentlich zu tun.

Wie viele Asylbewerber in Sachsen bereits verstorben sind, weiß man bei der zuständigen Landesdirektion Sachsen nicht. Darüber werde keine Statistik geführt. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kann keine Auskunft geben. In Sachsen gibt es derzeit drei spezielle Begräbnisplätze für Muslime. Neben dem Heidefriedhof Dresden ist das einmal ein Gräberfeld auf dem Leipziger Ostfriedhof. Den Platz dort gibt es seit 1997. Jährlich werden im Schnitt fünf muslimische Gläubige dort begraben. Noch sind knapp 470 Grabstätten frei. In Dresden wurden 70 Plätze geschaffen, über die Hälfte ist inzwischen belegt; hier gibt es auch einen Begräbnisplatz für Buddhisten. Auf dem Städtischen Friedhof Chemnitz gibt es Grabstellen für Muslime.

Matthias Oelke, Pressesprecher der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Sachsen mit rund 1 200 Friedhöfen sieht bei dem Thema vor allem die kommunalen Friedhöfe gefragt. Es sei zwar möglich, Andersgläubige auf kirchlichen Friedhöfen zu beerdigen. Aber ob Muslime ihre Angehörigen auf einem christlichen Gräberfeld wissen möchten, sei fraglich. Ablehnen würde man niemanden, wenn die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Bislang kommen dazu so gut wie keine Anfragen aus den Kirchgemeinden mit Friedhöfen.

Ob es künftig eine Friedhofsanlage für Muslime im Landkreis Görlitz geben kann? Evelin Mühle vom Städtischen Friedhof Görlitz sagt, sollte es eine muslimische Gemeinde geben und einen Imam als Ansprechpartner, könne man über das Thema grundsätzlich reden. Pfarrer Ansgar Schmidt aus Zittau meint, momentan seien das Einzelfälle und für die müsse man konkrete Entscheidungen treffen.

Deutschlandweit wird das Thema wichtiger. Denn längst leben hier eine zweite oder dritte Generation von Einwanderern, die Deutschland als ihre Heimat ansehen und hier begraben werden möchten. Darauf weist der Bundesverband Deutscher Bestatter hin und ruft die Unternehmen im Land zu „Ritualkompetenz“ auf. Es gehe um „Kenntnisse der Trauerrituale verschiedener Religionen und Weltanschauungen“, betont Pressesprecher Oliver Wirthmann. Überdies sei die Bestattung von Migranten rechtlich kompliziert. So sei zum Beispiel nicht immer klar, wer Kosten übernimmt. Beerdigungs- und Rückführungsunternehmen fragen darum immer wieder beim Verband an, in dem über 80 Prozent der Bestatter Mitglied sind.