Von Manfred Schulze, Leipzig
Es dürfte ziemlich laut werden an diesem Sonabend in der Dessauer Straße in Leipzig. Dort residieren die Hells Angels, und der sogenannte Motorcycle-Club hat sein Herz für Kinder entdeckt. Für den Abend haben die Rocker zur Benefiz-Party geladen. Da fährt man standesgemäß nicht gerade geräuschlos vor an der Bikerfestung, die erst Anfang Dezember vergangenen Jahres – unter großem Polizeischutz – mit einer großen Party eingeweiht worden war.
Nun heißt das Motto „Biker für Kinder“ hier am „Angels Place“, wo sonst des nachts erotikbedürftige Herren nach diversen Clubs wie dem „Medusa“ suchen. Normalerweise sind die Tore im Leipziger Hauptquartier der Höllenengel für Fremde verschlossen. Weniger, weil die teuren Maschinen abhandenkommen könnten. Vielmehr weil sich die sogenannten „Outlaws“ – Rocker, die sich selbst außerhalb des Gesetzes sehen – nie ganz sicher fühlen. 2008 hatten die weltweit agierenden Hells Angels Leipzig für sich entdeckt und mithilfe aus Berlin ihr Chapter, wie die Ortsvereine heißen, aufgebaut. Nach eineinhalb Jahren war die Konkurrenz der Bandidos mehr oder weniger aus dem Feld geschlagen. Heute gilt die Messestadt als fest in der Hand der Hells Angels.
Spenden unter anderem Namen
Selbst Leipziger Polizisten sprechen ziemlich offen von allerlei zwielichtigen, aber organisierten Geschäften im Rotlicht- und Rauschgiftmilieu, mit denen immer wieder einzelne Mitglieder der Rockerbande in Verbindung gebracht werden. Noch in Erinnerung ist in Leipzig eine Messerstecherei zwischen zwei Rockergangs. Ein Schwerverletzter schwieg sich später über Täter und Hintergründe allerdings aus.
Wie andernorts wollen die harten Kerle, deren Kutten ein teuflischer Totenkopf mit Flügeln ziert, nun etwas für Kinder tun. Sie sammelten Geld für den in Leipzig seit vielen Jahren aktiven Verein „Straßenkinder e. V.“, der ausschließlich von Spenden lebt. Allerdings gingen die Spendenbüchsen offenbar unter anderen Namen um: Die Inhaber von Autohäusern, einer Spielwarenkette oder Motorradshops legten ihre Hunderter in die Schatulle diverser Motorradfreunde, ohne zu ahnen, welcher Veranstalter hinter der Aktion steckt.
Erst ein Werbeflyer und die entsprechende Ankündigung der Hells Angels im Internet ließ die spendenwillige Gemeinde aufhorchen: „Das haben wir nicht gewusst und hätten es auch nicht unterstützt“, so der Tenor. Denn es geht nicht um Hüpfburg, Bockwurst und heiße Öfen zum Anfassen, sondern wohl auch ums Image.
Kinderfest abgesagt
„Rund 400 Biker“, so berichtet der Leiter des Ordnungsamtes Helmut Lorris, „wollen am Sonnabend zu der Benefiz-Veranstaltung anrücken und mit einer Ausfahrt quer durch die Stadt Präsenz zeigen.“ Auch den Hells Angels angeschlossene Clubs wie die Red Devils sind mit von der Partie. Anfangs sei sogar ein Kinderfest in der Dessauer Straße geplant gewesen. Doch das fand das Ordnungsamt dann doch nicht passend – in unmittelbarer Nachbarschaft der Nachtclubs. Auch hier hatte sich ein „Motorradfreunde e. V.“ als Veranstalter ausgegeben.
Mittlerweile wurde auch der Bikerkorso durch die Innenstadt untersagt. Die Bereitschaftspolizei hat notfalls ein hartes Durchgreifen angedroht. Gegen eine angekündigte Party auf privatem Grund werde man jedoch nicht vorgehen, „solange die Gesetze eingehalten werden“, sagt Lorris.
Der Verein Straßenkinder findet die ganze Aufregung indes ein wenig übertrieben. Man freue sich über alle Spenden, sagte vor Kurzem ein Vereinssprecher. Die Initiative dazu sei von einem „Runden Tisch der Biker“ ausgegangen. Am Freitag wollte sich auf Nachfrage jedoch niemand äußern.