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Was tun gegen Frauenmangel?

Der Landkreis Görlitz hat eine Studie zur Abwanderung von Frauen in Auftrag gegeben – weil er diese Entwicklung stoppen will.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

In Beiersdorf und Bertsdorf-Hörnitz gibt’s zu wenige. In Rosenbach und Zittau gibt’s genug und in Jonsdorf und Oybin sogar mehr als andernorts üblich: Die Rede ist von jungen, gut ausgebildeten Frauen von 18 bis 30 Jahren. Diese Zahlen vom Dezember 2014 (siehe Grafik) skizzieren ein Phänomen, das schon durch eine Untersuchung des Berlin Institutes 2007 und der Studie „Not am Mann“ des Leibniz-Institutes 2014 belegt ist: Junge Frauen mit guter Bildung kehren noch zu oft ihrer Heimat den Rücken. Das wäre kein Problem, wenn sie zurückkehrten oder genügend junge Frauen von anderswo in die Oberlausitz zögen.

Doch trotz tendenzieller Besserung, wie im Zittauer Gebirge, ist die Zahl derer, die gehen, noch immer größer als die der Zuwanderinnen – mit spürbaren Folgen in einigen Gemeinden. Mancherorts entsteht so ein deutlicher Männerüberschuss.

Da sich dieses Problem nicht von selbst löst, und der Landkreis Görlitz dringend sowohl Arbeitskräfte als auch schlicht Kinder braucht, will er nun gezielt um junge Frauen werben. Doch dazu braucht er Rüstzeug. Deshalb will der Kreis gemeinsam mit der Hochschule Zittau/Görlitz in einer Studie herausfinden, warum die jungen Frauen gehen – und vor allem auch, warum sie nicht wiederkommen. „Wir brauchen eine fundierte Analyse, damit wir etwas gegen die Abwanderung junger Frauen unternehmen oder mehr junge Frauen als bislang hierher locken können“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, Ines Fabisch. Sie habe das Thema schon lange auf der Agenda. Ohne belastbare Daten komme man aber einfach nicht weiter, sagt sie.

Drei verschiedene Altersgruppen

Diese Daten soll nun eine groß angelegte Fragebogenaktion liefern, die derzeit in vollem Gange ist. Julia Gabler, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule, betont, dass es dabei um drei verschiedene Altersgruppen geht: „Wir befragen zum einen etwa 16- bis 19-Jährige, die an den Gymnasien und Berufsschulzentren im Kreis lernen. Außerdem werden auch Studierende an der Hochschule Zittau/Görlitz und Frauen bis 35 Jahre, die bereits hier im Berufsleben stehen, befragt.“ Insgesamt sollen 1 000 Bögen verteilt werden.

Dabei legt die Wissenschaftlerin Wert darauf, dass nicht nur Frauen und Mädchen bei der Umfrage mitmachen, sondern auch Jungs und sich so ein ausgewogenes Verhältnis ergibt. „Wir wollen zum Beispiel bei den Schülern herausfinden, wo sich die Einstellungen zum Thema Weggehen oder Hierbleiben unterscheiden“, erklärt Frau Gabler. Eine These lautet nämlich, dass Mädchen von Haus aus darauf ausgerichtet sind, ihr berufliches und damit am Ende auch privates Glück in der Ferne zu suchen. Eine solche Tendenz stellten bereits die Forscher des Leibnitz-Institutes für Länderkunde Leipzig 2014 fest. Sie fanden Anhaltspunkte, dass sich die negative Sicht der älteren Generationen über die Chancen vor Ort auf die Jugendlichen überträgt. Deshalb soll bei den Umfragen auch eruiert werden, wie Eltern die Berufswahl ihrer Kinder beeinflussen, betont Professorin Ulrike Gräßel, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Professor Raj Kollmorgen diese Studie leitet.

Mit 15 präzisen Fragen wollen die Forscher insgesamt ein weites Spektrum abdecken. So gelte es beispielsweise herauszufinden, ob ein dichtes Freundes-Netzwerk, das Vereinsleben oder die Mitgliedschaft in einer Kirchgemeinde die jungen Frauen eher hier hält – oder ein Grund sein könnte, in die Region zurückzukehren. Solche Mechanismen könnten dann ein Ansatzpunkt sein. Schließlich sollen schon aus den ersten Daten konkrete Handlungsanweisungen für Politik oder auch Wirtschaftsunternehmen entstehen. „Wir hoffen, aus den Befragungen erste Anregungen geben zu können, wie man der Abwanderung entgegenwirken kann“, sagt Professorin Gräßel.

Wichtig wäre allerdings auch eine Fortsetzung dieser ersten Studie in einem Nachfolgeprojekt. Denn so könnte man die zunächst erfassten Daten genauer analysieren und vor allem bei auffälligen Ergebnissen tiefer forschen – beispielsweise mit speziellen Interviews in der betreffenden Zielgruppe. Ein solches Projekt streben sowohl Kreis als auch Hochschule an. Sicher ist das momentan aber noch nicht.

Zu viele Männerberufe in der Region

Derzeit stecken die Wissenschaftler mitten im ersten Teil der Datenerfassung. „Wir haben bis Ende des Jahres Zeit, die Fragebögen auszuwerten und wollen zudem auch einige Interviews führen“, erklärt Julia Gabler den Fahrplan. Der Zeitdruck entsteht vor allem auch durch die finanzielle Förderung, die einen konkreten Termin für die Abrechnung benennt. Denn die insgesamt 39 000 Euro teure Studie wird zu 90 Prozent vom Freistaat über die sogenannte Demografie-Richtlinie finanziert, bestätigt Frau Fabisch. Die restlichen 3 900 Euro steuert der Landkreis bei.

Dass dem Kreis die jungen Frauen lieb und teuer sind – das sei gar keine Frage, betont Gleichstellungsbeauftragte Fabisch. Und sie will diese Studie auch nicht als Affront gegen die Männer verstanden wissen. Für sie ist allerdings klar: In der Region gibt es generell mehr Berufsangebote, die eher Männer ansprechen. „Auch deshalb müssen wir uns der jungen Frauen hier im ländlichen Bereich stärker annehmen“, betont Frau Fabisch. Dann ist am Ende nicht nur den Frauen selbst, sondern auch den Männern geholfen.