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Weg und wieder da

48 Stunden klaffte die Lücke im Dresdner Elberadweg zwischen Pieschen und Neustadt. Gräbt die Verursacherin bald die nächste?

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© Sven Ellger

Von Tobias Wolf

Der Asphalt ist am Sonnabendnachmittag gerade ausgekühlt, als Holger Liebold vom Straßenbauamt den Elberadweg zwischen Pieschen und der Neustadt für den Verkehr freigibt. Genau 48 Stunden nach der Zerstörung des knapp 60 Meter langen Abschnitts haben Radfahrer und Fußgänger wieder freie Bahn. Zu diesem Zeitpunkt haben sich längst rund 150 Menschen versammelt, um den reparierten Radweg zu feiern. Immer wieder wird das Lied von Baggerfahrer Bodo gespielt. Manche lassen Bierflaschen kreisen. Das Gras ist platt gedrückt von den Tausenden Rädern, die seit Donnerstagnachmittag über die Wiese neben dem Weg gefahren sind.

Asphaltmaschinen tragen am Sonnabendvormittag eine neue Schwarzdecke auf die Lücke im Pieschener Elberadweg auf, bevor die Straßenwalzen anrücken. Ab 17Uhr herrscht dort wieder freie Bahn für die Dresdner.
Asphaltmaschinen tragen am Sonnabendvormittag eine neue Schwarzdecke auf die Lücke im Pieschener Elberadweg auf, bevor die Straßenwalzen anrücken. Ab 17Uhr herrscht dort wieder freie Bahn für die Dresdner. © Robert Michael

Der Tag nach dem Radweg-Abriss

Der auf 50 Metern abgerissene Elberadweg zwingt am Freitag Radfahrer auf die Wiese. In der Nacht zum Freitag haben Unbekannte die herausgerissenen Teile des Bitumdecke wieder auf den Weg gelegt.
Der auf 50 Metern abgerissene Elberadweg zwingt am Freitag Radfahrer auf die Wiese. In der Nacht zum Freitag haben Unbekannte die herausgerissenen Teile des Bitumdecke wieder auf den Weg gelegt.
Zwischen Citybeach und Puschkinplatz hat Investorin Regine Töberich den Weg wegbaggern lassen.
Zwischen Citybeach und Puschkinplatz hat Investorin Regine Töberich den Weg wegbaggern lassen.
Am Donnerstag hatte die Investorin ihre gegen den Stadtrat gerichtete Drohung überraschend umgesetzt.
Am Donnerstag hatte die Investorin ihre gegen den Stadtrat gerichtete Drohung überraschend umgesetzt.
Betroffen von der Aktion sind jetzt Radfahrer, die den Weg täglich zu Tausenden als Arbeits- oder Ausflugsweg nutzen.
Betroffen von der Aktion sind jetzt Radfahrer, die den Weg täglich zu Tausenden als Arbeits- oder Ausflugsweg nutzen.
"Töberich wegbaggern" ist an ein Abrisshaus nahe dem Pieschener Elberadweg gesprüht. Die Investorin hatte bereits von "Freiraum Elbtal" genutze Gebäude auf ihrem Grundstück abreißen lassen.
"Töberich wegbaggern" ist an ein Abrisshaus nahe dem Pieschener Elberadweg gesprüht. Die Investorin hatte bereits von "Freiraum Elbtal" genutze Gebäude auf ihrem Grundstück abreißen lassen.
Erste schriftliche Reaktionen sind auch an der Absperrung hinterlassen worden.
Erste schriftliche Reaktionen sind auch an der Absperrung hinterlassen worden.
Schwierig ist der dort eigentlich glatte Radweg auch für Skater geworden.
Schwierig ist der dort eigentlich glatte Radweg auch für Skater geworden.
Ein Spielzeugbagger, ein Grablicht und ein Zettel mit der Aufschrift "Eigentum verpflichtet" sind auf den Teilen des ehemaligen Radweges niedergelegt worden.
Ein Spielzeugbagger, ein Grablicht und ein Zettel mit der Aufschrift "Eigentum verpflichtet" sind auf den Teilen des ehemaligen Radweges niedergelegt worden.

Die umstrittene Investorin Regine Töberich hatte das Teilstück zwischen dem Citybeach und ihrem Grundstück Marina Garden nach wochenlangen Drohungen abreißen lassen. Sie wollte damit ein Zeichen des Protests gegen die Stadt setzen, die angeblich Töberichs Baupläne blockiere. Pech für Töberich war nur: Sie riss das falsche Stück ab. Beim Übertragen der Grundstücksgrenzen von einem Lageplan auf eine Google-Maps-Karte sei ihr ein Fehler unterlaufen, musste sie am Wochenende einräumen. So rissen die Bagger den Weg ein paar Meter zu weit östlich von Töberichs Grundstück in Richtung Stadtzentrum ein, wie eine Vermessung des Wasser- und Schifffahrtsamtes am Freitag ergab. Diese Fläche gehört aber seit dem 20. April der Stadt. Vorher war sie im Besitz des Wasser- und Schifffahrtsamtes und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Seit dem frühen Sonnabendmorgen hatte eine Baufirma im Auftrag des Straßenbauamtes das zerstörte Stück von alten Asphaltbrocken befreit und mit einer neuen Schwarzdecke versehen. Zwei Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes bewachen anschließend die abgezäunte Baustelle. „Nicht, dass sich hier noch jemand im frischen Asphalt verewigt“, sagt eine der Damen und lacht. Über Stunden müssen sie dort ausharren, bis um 17 Uhr endlich die Freigabe des Weges erfolgt. In die volksfestartige Stimmung mischt sich das Gelächter über ein neues Grenzschild, das zwei junge Männer aufgestellt haben. Nach links zeigt ein Pfeil mit der Aufschrift „Töberich“, rechts steht „Nicht Töberich“. Es sei eine spontane Idee gewesen, sagt der 31-jährige Sebastian Hähnel, der zu einer losen Bewegung gehört, die sich „Echte Demokratie jetzt“ nennt. Ein Symbol gegen die Investorin, die ja schließlich keine Sozialwohnungen dort bauen wolle. Kompagnon Johann Koenitz erzählt, dass er am Donnerstag die Polizei angerufen hatte und Anzeige gegen Töberich erstatten wollte, als er vom Abriss des Radwegs erfuhr. Später habe die Polizei dem 25-Jährigen mitgeteilt, dass Baubürgermeister Jörn Marx (CDU) dies nun übernommen hätte.

Einer der Ersten, der mit seinem Fahrrad über den frischen Asphalt rollt, ist Jörg Pelz. Der 39-Jährige ist extra hergekommen, um zu gucken, was mit dem Radweg los ist. Er staunt ein bisschen, wie schnell alles gegangen ist. „Es ist wichtig, dass der Radweg wiederhergestellt worden ist.“ Töberichs Aktion sei „voll daneben“, wie er sagt. Doch es gibt auch Verständnis für die Investorin und ihren Abriss an der falschen Stelle. „Man sollte die Politiker auspeitschen, die zu verantworten haben, dass so etwas möglich ist. Die sind ja nicht einmal in der Lage, vernünftige Verträge mit Investoren abzuschließen“, sagt ein Mittsechziger und radelt schnell weiter.

Christa Finsterbusch kritisiert die Stadt. „Das Grundstück hätte nie mit dem Radweg zusammen verkauft werden dürfen“, sagt die 70-jährige Trachauerin. „Oder man hätte eben Auflagen machen müssen, zum Beispiel, Sozialwohnungen zu bauen.“ Töberich habe aber überreagiert, so die Seniorin. Vielleicht auch die Nerven verloren. Bei den lautstarken Auseinandersetzungen am Donnerstag hatte die 50-jährige Investorin die Stadträte André Schollbach (Linke) und Johannes Lichdi (Grüne) als „kriminelles rot-grün-rotes Gesocks“ beschimpft. Die Gescholtenen zeigten sich gestern gelassen. Er werde keine Strafanzeige erstatten, so Lichdi. Schollbach will sich erst im Laufe der Woche dazu äußern.

Für die Nutzer des Elberadwegs ist wieder alles beim Alten – vorerst, denn die Investorin wollte gestern auf SZ-Nachfrage nicht ausschließen, dass sie nicht doch noch den Radweg wegbaggern lässt, der über ihr eigenes Grundstück verläuft.