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Weihnachten in der Trennungs-Familie 

Was tun, wen sich die Kinder trotzdem ein gemeinsames Fest wünschen? Kinderpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner weiß Rat.

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© Bildmontage: SZ

Unsere beiden Kinder (7 & 9 Jahre) wünschen sich sehr, dass wir Weihnachten als Familie zusammen feiern, obwohl wir Eltern getrennt sind. Wir haben beide neue Partner und sind eher skeptisch – auch, ob wir damit eine „falsche Wahrheit“ vortäuschen und den Kindern langfristig eher schaden.

Viele getrennt lebende Elternpaare stehen alljährlich vor dem von Ihnen beschriebenen Problem der „Weihnachtstageaufteilung“. Bei wem verbringen die Kinder den Heiligen Abend? Wer geht mit ihnen in die Christmette? Wann werden welche Großeltern besucht oder eingeladen? etc..

Manche Trennungskinder freuen sich am meisten über die doppelte Bescherung, andere mögen besonders die abendlichen Fahrten von einer Feier zur anderen, vorbei an den festlich erleuchteten Häusern. Wieder andere wünschen sich jahrelang vergeblich ein gemeinsames Fest mit beiden leiblichen Eltern und leiden sehr unter der „halbierten“ Familie. Davon unabhängig ziehen nur die allerwenigsten getrennt lebenden Eltern überhaupt in Betracht, zumindest einen Teil der Feiertage als Elternpaar zusammen mit den leiblichen Kindern zu verbringen. Ein Beispiel einer humorvollen Extremform einer gemeinsamen Patchwork-Weihnacht ist die Filmkomödie „Meine schöne Bescherung“, in welcher zumindest die Kinder am Morgen glücklich aufwachen und am Abend selig ins Bett fallen. Versuchen auch Sie, trotz einer sicher spannungsreichen Vorgeschichte einmal möglichst gelassen und mit den Augen Ihrer gemeinsamen Kinder auf das Weihnachtsfest zu blicken. Ihre Erwachsenensorgen, Verletzungen und Differenzen sollten weitgehend „im Sack in der Ecke“ bleiben. Das ist schaffbar, gerade, wenn die individuellen Bedingungen (z. B. beide in neuen Partnerschaften) relativ ähnlich sind.

Grundsätzlich ist es daher zum Wohl der Kinder, die ohnehin immer unter einer Trennung der Eltern leiden, lohnenswert, darüber nachzudenken, ob es nicht doch irgendwie möglich ist, einen bestimmten Teil der Weihnachtszeit gemeinsam zu verbringen. Kinder haben ein hohes intuitives Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit und Gleichförmigkeit. Zuallererst sind und bleiben die primär Zugehörigen auch nach einer Trennung die leiblichen Eltern. Diese beiden sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin Sicherheit und Verbindlichkeit vermitteln und den gemeinsamen Kindern ermöglichen, sich trotz der Trennung als Paar zu beiden zugehörig und von Ihnen angenommen zu fühlen. Länger als gedacht werden Kinder ohnehin hoffen, dass die Eltern wieder zusammenkommen. An diesem Wunsch wird ein gemeinsamer oder getrennt verbrachter Nachmittag/Heiligabend einmal im Jahr weder in die eine, noch in die andere Richtung etwas wesentlich ändern. Zurück zu Ihnen: Je länger die Trennung zurückliegt, desto „geglätteter“ sind meist die Wogen als Voraussetzung für solch ein Projekt. Allerdings sind dann meist auch neue Traditionen und Strukturen umso etablierter. Daher gibt es keinen perfekteren Zeitpunkt für einen Versuch als dieses Jahr. Beziehen Sie jedoch unbedingt Ihre neuen Partner in die Planung mit ein. So kann ein harmonischer, jedoch auch realistischer Kompromiss entstehen.

Der hohe Erwartungsdruck, der generell auf dem Weihnachtsfest lastet, hat jedoch auch positive Aspekte: eine hohe emotionale Aufmerksamkeit und Harmoniebedürftigkeit. Ein behutsam vorbereitetes Erlebnis am 24.12. wirkt wahrscheinlich nachhaltiger als an einem anderen Tag.

Rechtzeitige und möglichst genaue Absprachen sind unerlässlich, denn Patchwork-Weihnachten sind als Spontanfest noch weniger als in einer „Originalfamilie“ zu stemmen. Sprechen Sie auch Speisen und Geschenkevorstellungen gut und möglichst genau ab.

Besprechen Sie umso mehr, je streithafter Ihre Elternbeziehung noch immer ist, und bitten Sie im Zweifelsfall jemand drittes um Vermittlung. Achten Sie bei einer Sitzordnung darauf, dass sich diejenigen, die sich am wenigsten verstehen, weder gegenüber noch nebeneinandersitzen. Sogar Gesprächsthemen (z. B. Lieblingsweihnachtserinnerung) und noch wichtiger, zu vermeidende Themen können vereinbart werden.Wenn ein längeres Treffen geplant ist, halten Sie Rückzugsmöglichkeiten oder mögliche Auszeiten vor. Legen Sie im Vorfeld klar fest, wie lange das gemeinsame Treffen dauern soll. Starten Sie im ersten Jahr jedoch eher klein mit einigen gemeinsamen Stunden in der großen Runde. Klappt dies gut, können Sie im nächsten Jahr über einen ganzen gemeinsamen Tag im größeren Kreis nachdenken.