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Weihnachtsfrau bestohlen

Hiltraud Dietrich schlüpft seit 35 Jahren in die über alles geliebte Rolle. Sie kann deshalb nicht fassen, was ihr passiert ist.

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© Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Boxdorf. Es gibt Dinge im Leben, an denen sollte nicht gerüttelt werden. Ein gutes Frühstück etwa, Sonne im Urlaub und der Weihnachtsmann. Ein Weihnachtsmann, auf den sich die Kinder freuen, keine Angst vor ihm haben, aber doch seine liebenswerte Autorität anerkennen. Umso schlimmer, wenn der Symbolfigur zu nahe getreten wird. Jemand in ihre Welt aus rotem Plüschmantel, kratzigem Geschenkesack und kindlicher Unverdorbenheit eingreift und sie am Ende gar bestiehlt.

Die Boxdorferin Hiltraud Dietrich, seit Jahrzehnten als Weihnachtsmann verkleidet von Haus zu Haus eilend, kann es tatsächlich immer noch nicht fassen. Der 61-Jährigen ist nämlich das genommen worden, was sie seit dem ersten Tag im Dienste der weihnachtlichen Sache gehütet hat, wie einen Schatz: ihr Weihnachtsmannbuch. Darin notierte Hiltraud Dietrich nicht nur sämtliche Bescherungen der vergangenen Jahrzehnte. Sie beschrieb auch, welche Familien von ihr aufgesucht wurden, die Namen der Kinder mit all ihren Stärken, aber auch Verfehlungen und natürlich das jeweilige Wetter an den Heiligabenden von 1981 bis in die jüngste Zeit.

Traurig, aber wahr: An diesem Weihnachtsfest muss die passionierte Darstellerin nun ohne ihr wichtiges Utensil auskommen. Bei einem Einbruch in ihr Haus ist ihr das gute Stück gestohlen worden. „Ich bin am Morgen weggegangen und mehrere Stunden nicht da gewesen. Als ich zurück kam, stand ein Polizeiauto vor meinem Grundstück und ich dachte, na, was ist denn da los“, erinnert sich Dietrich.

Eine Frage, die der pensionierten Mathematik- und Physiklehrerin schnell beantwortet wurde. Ein aufmerksamer Nachbar hatte beobachtet, wie zwei Männer mit Fahrrad vor dem Haus anhielten und sich danach gewaltsam Zutritt zur Terrassentür verschafft haben. Gut 20 Minuten, so weiß Hiltraud Dietrich mittlerweile zu berichten, machten sich die noch immer unbekannten Täter in ihren vier Wänden zu schaffen. Durchwühlten Schränke und Kommoden, entwendeten Bargeld und eben das auf dem Tisch liegende Weihnachtsmannbuch. „Als die Polizei eintraf, waren die Burschen schon über alle Berge. Als ich mir dann einen Überblick verschaffte und plötzlich entdeckte, dass auch mein Buch fehlt, war ich total schockiert.“

Stundenlang sei sie daraufhin die nähere Umgebung abgefahren, habe an Wald- und Feldrändern geschaut, ob die dreisten Diebe sich nicht vielleicht doch ihrer nutzlosen Beute entledigt hätten. Leider vergeblich. Das über Generationen von Mädchen und Jungen hinweg gehütete Weihnachtsmannbuch blieb bis jetzt verschwunden. „Das macht mich wirklich auch noch immer traurig. Einerseits, weil ich mit dem Inhalt des Buches natürlich viele Erinnerungen verbinde. Andererseits, weil ich es schlimm finde, dass gewissermaßen nicht einmal mehr vor dem Weihnachtsmann halt gemacht wird“, empört sich Dietrich.

Trotz allem Ärger müssen die Kinder aber auch in diesem Jahr nicht auf sie verzichten. So wird sie auch wieder in Reichenberg, Moritzburg und Radebeul unterwegs sein. Vom Besuch in der Villa bis zur Zweizimmerwohnung sei übrigens alles dabei. Bockwurst mit Kartoffelsalat oder Hummer auf Cocktailsoße, Smoking oder Jogginghose, vorher ein Hauskonzert oder doch nur ein Vierzeiler – Weihnachtsfrau Dietrich hat schon alles erlebt. Ihr Terminkalender ist für Heiligabend allerdings schon fast ausgebucht.