Hoyerswerda
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Weiße Bettlaken zur „Begrüßung“

Gestern vor 75. Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Laubusch. Ein damals 10-Jähriger erinnert sich.

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Manfred Koch erlebte als 10-Jähriger das Ende des Zweiten Weltkrieges in Laubusch. Das war heute genau vor 75 Jahren.
Manfred Koch erlebte als 10-Jähriger das Ende des Zweiten Weltkrieges in Laubusch. Das war heute genau vor 75 Jahren. © Archivfoto: Ralf Grunert

Von Manfred Koch

Laubusch. Mitte März 1945 begann eine weitere Offensive der Roten Armee, die auch die Lausitz erreichte. Die Bevölkerung bereitete sich auf die Flucht vor. In Gärten, Stallungen und Kellern wurden Wertsachen, Geschirr und Wäsche vergraben. In der Schule gab es am 25. März die letzten Abschlusszeugnisse. Männliche Jugendliche wurden jetzt noch für den „Endkampf“ militärisch ausgebildet, die meisten Väter waren bereits zum Volkssturm eingezogen.

Mitte April erreichte der 2. Weltkrieg das Kreisgebiet Hoyerswerda. Die zurückgebliebenen Laubuscher suchten die Luftschutzräume auf. Es handelte sich um Stollen in den Abraumhalden und unter der ehemaligen Trattendorfbahn (hinter der Weststraße). Am 19. April heulten in Laubusch die Sirenen. Die Einwohner wurden zur Flucht aufgefordert, das Braunkohlenwerk Erika stillgelegt. Meister Stolpe versteckte mit einigen Betriebsangehörigen wichtige Teile der Turbinen für den Wiederantrieb. Die meisten Einwohner begaben sich in unterschiedlichen Gruppen auf die Flucht gen Westen. Sie kamen unter anderem bis Ortrand, Kroppen oder Lindenau. Wir, drei Familien aus der Nordstraße 5, zogen mit kleinen Handwagen erst am 20. April los. In Höhe des Wasserturms waren gerade einige Männer vom Volkssturm dabei, eine Panzersperre zu schließen. Sie überholten uns dann in Lauta-Süd auf Fahrrädern mit darauf befestigten Panzerfäusten. Damit war am 20. April 1945 der 2. Weltkrieg für Laubusch beendet.

Wir erreichten am gleichen Tag Leippe, übernachteten auf einem Bauerngehöft und machten uns am 21. April 1945 wieder auf den Heimweg. Entgegen kamen uns Einheiten der Roten Armee. Was wird uns in Laubusch erwarten?

Aus einigen Fenstern hingen weiße Bettlaken zur „Begrüßung“. Auf der Hauptstraße vor der Post (gegenüber dem Brikettfabrik-Verwaltungsgebäude) lagen viele Reichsmark-Geldscheine. Die Geschäfte am Markt waren geplündert. Unsere Wohnungen hatten den Tag unversehrt überstanden. Am 21. April lieferte das Werk bereits wieder Wasser und Strom. Aber am 22. Juli 1945 begann die Demontage der Grube Erika, nachdem Ende April die Brikettfabrik wieder angefahren worden war.

Welche Erinnerungen sind geblieben? 

Als Bürgermeister wurde Herr Reinsch und als Werkleiter Herr Janat eingesetzt. Die Mütter mussten nach Geierswalde, wo ein Feldflughafen gebaut wurde. Wir Kinder waren uns selbst überlassen. Der Hunger trieb uns zu den Küchen der russischen Soldaten in Geierswalde oder zum Werksgasthaus. In den Häusern Schumannstraße 2 und 3 und in der Mittelstraße 5 richtete sich die Militärkommandantur ein. Am 23. Mai 1945 wurde für wenige Wochen die Schule eröffnet. Pfarrer Unfug stellte mit einigen Mädchen das Lehrerpersonal. Meine Lehrerin war die spätere Frau Weigang. Im Sommer kamen sowjetische Soldaten in die Schule und beendeten das Projekt. Unser Radio mussten wir zur Sammelstelle ins Gasthaus schaffen. Anfang Juni gab es die ersten Brotzuteilungen (ein Pfund pro Person/Woche). Werksangehörige bekamen im „Demontageladen“ Hauptstraße 2 Sonderzuteilungen und Schnaps.

Angst verbreiteten die russischen Soldaten bei ihren unangemeldeten Besuchen. Mit langen Säbeln stocherten sie nach vergrabenen Schätzen. Im Sommer kamen die ersten Heimatvertriebenen aus Schlesien, darunter mein 80-jähriger Großvater. Durch Hunger und mangelhafte Hygiene brachen Seuchen wie Typhus, Ruhr, Diphtherie aus. Im sogenannten roten Gasthaus, Hauptstraße 1, praktizierte unser Hausarzt Dr. Grämer. Er entschloss sich, im gegenüberliegenden Haus, Hauptstraße 13, ein Krankenhaus für diese Infektionskrankheiten einzurichten.

Der Zweite Weltkrieg, der am 8. Mai 1945 beendet war, kostete viele Laubuscher das Leben. 184 Gefallene sind auf dem Kriegerdenkmal vermerkt.

Literatur: M. Koch aus dem Heimatbuch Laubusch – Lubus S. 120. Erinnerungen an das Frühjahr 1945

Auf dem Laubuscher Friedhof wurde im Jahr 1950 ein neues Denkmal errichtet. Hier wurden die Gefallenen beider Weltkriege vermerkt.
Auf dem Laubuscher Friedhof wurde im Jahr 1950 ein neues Denkmal errichtet. Hier wurden die Gefallenen beider Weltkriege vermerkt. © Foto: Ralf Grunert
Zwischen Oststraße und Friedhof wurde 1938 eine Anlage mit den aus dem Dorf Laubusch umgesetzten Denkmälern des Krieges 1870/71 und des 1. Weltkrieges eingeweiht.
Zwischen Oststraße und Friedhof wurde 1938 eine Anlage mit den aus dem Dorf Laubusch umgesetzten Denkmälern des Krieges 1870/71 und des 1. Weltkrieges eingeweiht. © Foto: Sammlung Heimatverein Laubusch