Auf Tüfteltour in Weißwasser

Anpacken und den Fokus auf das richten, was vor Ort gebraucht wird. Das hat sich das Netzwerk Offener Werkstätten (Now) in Brandenburg auf die Fahnen geschrieben. Über Probleme und den Strukturwandel werde zu viel geredet, statt Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, findet man in Cottbus und Potsdam. Dass es auch anders geht, will Now in dieser Woche in Weißwasser beweisen, wenn die Lausitzer Tüfteltour seit gestern, also vom 19. bis 24. April, hier Station macht. Dafür werden findige Köpfe zum Mitmachen gesucht.
Durch Tüftelei den Alltag verbessert
Der Pop-Up-Wissensladen in der Straße der Glasmacher bietet seit anderthalb Monaten Gelegenheit, um über Wissenschaft ins Gespräch zukommen. Seit gestern sind dort auch einige Objekte zur Open Hardware zu sehen. Die haben zwar weniger mit Wissenschaft, dafür umso mehr mit dem Ideenreichtum von Menschen zu tun, aber beides hat seinen Ursprung darin, etwas verbessern zu wollen. Vorgestellt wird ein Rollstuhl, der für eine schnellere Fortbewegung per Adapter an einen E-Scooter angeschlossen werden kann. Gezeigt wird ebenso eine selbst zusammenbaubare Maschine zum Recyceln von Plastikmüll: Dieser wird in kleine Flocken zerschreddert, die mit einer Presse zu neuen Produkten verarbeitet werden. Etwa zu Zahnrädern und anderen Ersatzteilen, die beispielsweise in einer Waschmaschine immer dann kaputt gehen, wenn man es am allerwenigsten braucht. Ebenfalls zu sehen sind ein Gurkenschneidebrett für Parkinson-Patienten, eine CO2-Ampel, die anzeigt, wann es Zeit zum Lüften ist, ein Feinstaub-Lärm-Sensor und weitere Exponate. Hergestellt wurden sie von Bürgern in den Offenen Werkstätten – als wichtige Hilfsmittel für den Alltag. Hochtechnisiert sind sie nicht, aber nicht selten fingen ja große Erfindungen mit einer ganz kleinen Sache an.
Technologien im Fabmobil erlebbar
Offene Hardware meint Entwicklungen, die durch jedermann veränderbar und nachbaubar sind. „Interessierte Menschen aus Weißwasser und der Lausitz sind willkommen, sich inspirieren zu lassen“, lädt Joris Grahl vom Netzwerk Offener Werkstätten zum Besuch der kleinen Ausstellung in den Pop-up-Laden ein. Dort beginnt an diesem Freitag um 17 Uhr eine Offene Werkstatt – quasi als Startschuss fürs Wochenende. Verbunden ist sie zudem mit einem Einsteigerworkshop zum 3D-Druck.
Für Interessenten ist das schon mal eine gute Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Unter den Schlagworten Reparieren – Erhalten – Erfinden führt das Now Brandenburg Menschen zusammen: die, die gern ihre technischen Fähigkeiten einsetzen und mit anderen teilen möchten, mit jenen, die Ideen zur Verbesserung ihres Umfelds haben und dafür technische Unterstützung brauchen. Auf der Lausitzer Tüfteltour ist das ausdrücklich gewollt.
Deren Höhepunkt in Weißwasser ist der zweitägige Workshop am Wochenende, wenn das Fabmobil vor der Hafenstube Station macht. Das Fahrzeug des Constitute-Vereins aus Dresden rollt nicht zum ersten Mal auf das Gelände. Im Februar war der Doppeldeckerbus als Nachfolger des ersten Fabmobils in der Telux zu einer fahrenden Digitalwerkstatt umgebaut worden. Auch Fabmobil Nr. 2 steckt voller Maschinen und Materialien und bietet vielfältige Möglichkeiten, um neue Technologien kennenzulernen. „Also ein perfekter Ort, um praktische Ideen für die Lausitz zu diskutieren, zu entwerfen und miteinander erfinderisch tätig zu werden“, fasst es Joris Grahl zusammen. Now-Sprecher Martin Kroll betont: „Viele Menschen in der Lausitz haben gute Ideen. Oft fehlt es nur an Orten und speziellen Fertigkeiten zur Umsetzung. Diese wollen wir vermitteln“.
Auf der Grundlage des Materials Glas werde man an den zwei Tagen vor der Hafenstube „neue Potenziale eines Strukturwandels "von unten" erarbeiten, kreativ sein und sich vernetzen“, heißt es. Gemeinsam wolle man Ideen für Verein, Nachbarschaft und Lausitz entwickeln. Die Ergebnisse werden am Sonntag vor der Hafenstube präsentiert. Im Nachgang werden sechs Projektgruppen dabei unterstützt, ihre während des Workshops entwickelte technische Lösung in Open Hardware umzusetzen. Es winken 10.000 Euro Fördergeld.
Verständnis für Technik fördern
Die Veranstaltungsreihe Lausitzer Tüfteltour ist ein Gemeinschaftsprojekt in Brandenburg. Daran beteiligt sind neben Now auch die Universitäten in Cottbus und Potsdam sowie der Awo- (Arbeiterwohlfahrt-) Regionalverband Brandenburg-Süd. Der Abstecher nach Weißwasser kam zustande, weil das zwar Sachsen, aber auch Lausitz ist. Hilfreich waren enge Kontakten zur Station in Weißwasser sowie zum SKZ Telux, welches ein Lokallabor betreibt, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu modernen Technologien zu ermöglichen.
Der Pop-Up-Laden war am 10. März eröffnet worden – als Anlaufpunkt für Bürger, die auf verschiedenste Fragen schon immer gerne eine Antwort gehabt hätten. Im Rahmen des Wissenschaftsjahres wollen Experten der TU Dresden intensiver mit Bürgern ins Gespräch kommen. Denn, so hatte es Prorektorin Roswitha Böhm bei der Eröffnung begründet: „Wissenschaft braucht Anregung von außen“. Um das Ganze voranzutreiben, taucht nach ihren Worten Wissenschaft eben auch „an Ecken auf, wo sie bisher nicht präsent war“. Im Pop-Up-Laden in Weißwasser zum Beispiel.
Unter dem Motto „Nachgefragt“ können Bürger dort auf Kärtchen ihre Fragen an Projektleiterin Heike Krahl loswerden. Im Laufe des Jahres wird so manche dieser Fragen in Foren mit Wissenschaftlern und in Ausstellungen beantwortet. „Es ist ein gemeinsames Anliegen mit der Station Weißwasser, das technische Verständnis junger Leute zu fördern“, sagt Heike Krahl. Neugierig darauf machen das aus Lego-Steinen gebaute Modell eines Fahrsimulators der TU oder das Modell einer autonomen Feldmaschine. Für Fragen wie etwa die, wie Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen ist, braucht es Wissenschaftler und Fachkräfte. Auch in der Lausitz. Der von der TU Dresden initiierte Pop-up-Wissensladen wie auch die Lausitzer Tüfteltour wollen genau das vermitteln.
Lausitzer Tüfteltour
Vom 19. bis 24. April in Weißwasser:
Offene-Hardware-Ausstellung: Pop-up-Laden, Straße der Glasmacher 6, geöffnet: Mittwoch und Freitag 10 bis 14 Uhr, Donnerstag 14 bis 18 Uhr
Offene Werkstatt und 3D-Druck-Seminar: Freitag ab 17 Uhr (Pop-up-Laden)
Workshop mit dem Fabmobil: Sonnabend 13 bis 20 Uhr und Sonntag 10 bis 16 Uhr vor der Hafenstube auf dem Telux-Gelände, Straße der Einheit 20. Öffentliche Präsentation der Ergebnisse am Sonntag (24. April) um 15.15 Uhr. Mit Kinderbetreuung.
Weitere Infos/Anmeldung für den Workshop hier