Brandstiftung oder Dummer-Junge-Streich?

Das Volkshaus ist auch Dieter Lößner bestens bekannt. Nicht nur, weil er Weißwasseraner ist und wie viele andere so manche Feier und Erinnerung mit dem Haus verbindet. Als erster, nach der Wende, demokratisch gewählter Bürgermeister der Stadt kennt er das Gebäude auch von vielen Stadtratsitzungen und Veranstaltungen, die im Saal abgehalten wurden, sowie Aufgaben und Kosten der Unterhaltung.
„Wenn es wirtschaftlich rentabel ist, sollte das kulturelle Zentrum von einst wieder aufgebaut werden“, meint daher das ehemalige Stadtoberhaupt. Genau dieser Punkt, die Wirtschaftlichkeit, war einst auch der Grund, weshalb die Betreibung des Volkshauses eingestellt und es geschlossen wurde. Nun, nach dem jüngsten Brand, wurden die Rufe nach Wiederaufbau und anschließender Betreibung erneut besonders laut, wurde von Räten und Fraktionen ein Sonderstadtrat zum Thema Volkshaus und dessen Zukunft gefordert.
Stadrat-Sondersitzung am Dienstag
Die offizielle Sondersitzung des Stadtrates Weißwasser findet am kommenden Dienstag, dem 11. Mai, um 18 Uhr als Videokonferenz statt, wird zudem im Lesesaal der Bibliothek übertragen. „Bei der Sitzung mit öffentlichem und nichtöffentlichem Teil geht es ausschließlich um das Volkshaus, damit verbundene Informationen und Stellungnahmen, Anfragen und Äußerungen“, erklärt Stadtsprecher Wulf Stibenz. Man sei sich in der Verwaltung durchaus bewusst darüber, dass das Volkshaus und sein kürzlicher Brand in der Bevölkerung und Stadt zu sehr emotionalen Diskussionen führte, die auch nachvollziehbar seien. „Wir bleiben als Stadtverwaltung aber bei unserer Meinung, dass Schuldzuweisungen wenig ergebnisorientiert sind“. Vielmehr stelle sich die Frage, ob es gezielte Brandstiftung oder ein Dummer-Junge-Streich gewesen sei. Daher müsse man auch abwarten, was die Ermittlungen von Kriminalpolizei, Brandursachenermittlern und Versicherungen ergeben. „Erst danach kann man genau sagen, was wir tun können“, äußert Wulf Stibenz.
Bis genaue Aussagen in Form unterschiedlicher Gutachten vorliegen, wird es noch einige Zeit dauern. In der Stadtverwaltung geht man davon aus, beispielsweise Erkenntnisse über den Schadensumfang bis Ende Mai vorliegen zu haben. Da der Stadtrat aber letztlich das Gremium sei, welches auf Basis der Gutachten entscheide, was gemacht werden soll, müsse zeitnah begonnen werden, einen Fahrplan zu entwickeln, was und zu welchem Zeitpunkt am Volkshaus zu tun ist, so Stibenz.
Längsmauer wird etwas abgetragen
Ob und in welcher Form darüber im Sonderstadtrat diskutiert wird, bleibt abzuwarten. Fest steht indes, dass die an die Volksbank-Filiale angrenzende Längsmauer einen bis anderthalb Meter abgetragen werden muss. Laut Experten könne bei Starkwind oder Sturm die Windlast dort so groß sein, dass die Sicherheit nicht gewährleistet sei. Ansonsten, so der Stadtsprecher, hätten die Begehungen der Gutachter gezeigt, dass die Bauweise des Volkshauses extrem stabil sei. „Fundament, Keller, Mauerwerk und Erdgeschoss sind gut erhalten“, erklärt Stibenz auf TAGEBLATT-Nachfrage. Da die Fassade zur Görlitzer Straße erhalten bleiben soll, wird sie – bis auf Weiteres – abgestützt. Künftig allerdings von innen, um die Görlitzer Straße wieder für den Verkehr freigeben zu können.
Wann das möglich ist, kann der Stadtsprecher noch nicht einschätzen. „Auch hier müssen wir die Vorlage der Gutachten und die Beendigung der Ermittlungen abwarten, weil bis dahin weder die Beräumung der Brandreste noch der Aufbau der Innenabstützung möglich sind.“
Bankfiliale bleibt vorerst weiter zu
Da die Filiale der Volksbank Spree-Neiße direkt ans Volkshaus grenzt, bleibt diese geschlossen. „Es gibt aktuell noch keinen Termin, wann wir unsere Geschäftsstelle wieder öffnen dürfen. Das Gebiet um die Brandstelle ist abgesperrt, so dass es nicht in unserem Ermessen liegt, die Filiale zu betreten“, erklärt Viola Müller von der Abteilung Marketing der Volksbank. Für die Kunden habe man daher die Geschäftszeiten der Filiale in Bad Muskau, wo auch Einzahlungen und Beratungen nach Terminvereinbarung möglich seien, erweitert. Kostenlose Bargeldabhebungen und Kontoauszüge seien zudem in der Filiale der Volksbank-Raiffeisenbank Niederschlesien in der Lutherstraße Weißwasser möglich. „Aber wir bleiben auf jeden Fall mit der Geschäftsstelle in Weißwasser“, so Müller.
Somit sind auch Bankkunden und Verkehrsteilnehmer vom Abschluss der noch laufenden Ermittlungen abhängig. Brandursachenermittler und Kriminalpolizei sind sich allerdings einig, dass es Brandstiftung war. Entsprechende Anzeichen ergaben sich zwar schon am Brandtag.
Jugendliche Tatverdächtige ermittelt
Mittlerweile ist aus dem Verdacht jedoch Gewissheit geworden. „Stühle und Planen, die im Volkshaus lagerten, wurden angezündet“, erklärt Kai Siebenäuger, Pressesprecher der Polizeidirektion Görlitz. Wie er weiter informierte, hätten die Ermittlungen, Spuren und Zeugenhinweise sogar zu Tatverdächtigen geführt. Laut Siebenäuger seien am 29. April „zwei Jugendliche und ein Heranwachsender“ als Tatverdächtige ermittelt worden. Sobald alle Ermittlungen abgeschlossen, Spuren ausgewertet – noch ist beispielsweise nicht abschließend geklärt, wie die Tatverdächtigen in das Volkshaus hineinkamen – und Vernehmungen beendet seien, würde der Vorgang dann der Staatsanwaltschaft übergeben.
Sollten die Tatverdächtigen die Brandstifter sein, so gilt für sie das Jugendstrafrecht. Unter Jugendstrafrecht versteht man besonderes Straf- und Strafprozessrecht für Jugendliche und Heranwachsende, wonach diejenigen, die das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, strafrechtlich nicht verantwortlich sind. Ein Jugendlicher (14 bis einschließlich 17 Jahre) ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Heranwachsende (18 bis einschließlich 20 Jahre) sind grundsätzlich voll verantwortlich. Bei ihnen kann das Gericht Jugendstrafrecht anwenden.
Noch laufen die Ermittlungen, weshalb das Polizeirevier Weißwasser weiterhin Zeugenhinweise entgegennimmt. Fest stehe aber, so der Polizeisprecher auf TAGEBLATT-Rückfrage, dass die Jugendlichen der Medienstube, die am Freitag vor dem Brand im Volkshaus drehten, nicht in Verbindung mit dem Brand stünden.
Und: Hinter den Kulissen gehen die Anstrengungen um den Volkshaus-Erhalt weiter, haben zahlreiche Experten und die Denkmalkommission ihre fachliche Unterstützung zugesagt. Denn die architektonische Bedeutung des Gebäudes, so Stadtsprecher Wulf Stibenz, sei unstrittig.