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Der letzte Tag, der letzte Kuchen

Heute öffnet die Cafeteria im Berufsschulzentrum Weißwasser letztmals, da die selbstständige Betreiberin aus wirtschaftlichen Gründen aufgibt.

Von Sabine Larbig
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Annette Pausch aus Teicha führte als Selbstständige fast 30 Jahre lang eine Cafeteria für Schüler. Zuerst in der Berufsschule Boxberg, zuletzt im Berufsschulzentrum in Weißwasser. Eigentlich wollte die noch 59-Jährige noch einige Jahren die Pausenve
Annette Pausch aus Teicha führte als Selbstständige fast 30 Jahre lang eine Cafeteria für Schüler. Zuerst in der Berufsschule Boxberg, zuletzt im Berufsschulzentrum in Weißwasser. Eigentlich wollte die noch 59-Jährige noch einige Jahren die Pausenve © Sabine Larbig

Annette Pausch würde im Dezember 30 Jahre als Cafeteria-Betreiberin in einer Berufsschule feiern. Doch das Jubiläum, einen Monat vor ihrem 60. Geburtstag, fällt aus. Stattdessen verkauft sie heute in Weißwasser letztmalig Getränke, Pommes, Currywürste, Salate, nach Wunsch belegte Brötchen, Bauernfrühstücke, Mittagessen und selbst gebackenen Kuchen.

„So hatte ich mir das nicht gedacht. Doch ich habe keine andere Wahl“, sagt Annette Pausch traurig. Traurig, weil sie gerne noch einige Jahre die Tagesversorgung von Schülern, Lehrern und Laufkundschaft abgesichert hätte. Doch Corona und Inflation zwangen sie zur Aufgabe. „Vor der Pandemie habe ich täglich allein 240 Brötchen geschmiert. Dann fiel alles auf Null. Als ich wieder öffnen durfte, war es nur mit Einschränkungen möglich, so dass andere Kunden nicht mehr kommen durften.

Corona, Inflation, Firmenaufgabe

Selbst die Rentner blieben weg. Bis heute.“ Nun seien noch die Preise explodiert. Für eine Flasche Öl zahle sie jetzt 30 statt 10 Euro. Obst, Gemüse, Milchprodukte, Fleisch und Wurst seien auch viel teurer. Von Benzinpreisen gar nicht zu reden, die bei täglich weit über 50 Kilometern Anfahrt- und Einkaufswegen anfallen. „Das alles ist für mich als Selbstständige mit einer Angestellten wirtschaftlich nicht mehr machbar. Bei Schülern oder Rentnern kann ich zudem keine Essen für sechs Euro oder mehr verkaufen und die Coronahilfen glichen die Verluste nicht aus“, erzählt die Cafeteria-Betreiberin. Um „über die Runden zu kommen“, habe sie schon während der Pandemie begonnen, stundenweise als Fleischverkäuferin in einem Discounter in Bad Muskau zu arbeiten. Das ist bis heute so, zusätzlich zur schleppend laufenden Cafeteria. Unter der Doppel- und der wirtschaftlichen Belastungen, bekennt Annette Pausch, leiden inzwischen Gesundheit, Nerven und Familie.

Obwohl sie „mit Herzblut und Spaß“ arbeitete. Deshalb habe sie den Entschluss gefasst, zum Schuljahresende die Cafeteria-Betreibung im Berufsschulzentrum Weißwasser zu beenden. Ein Nachfolger habe sich bislang nicht gefunden. „Es wäre gut für die Schüler, ist auf Grund der aktuellen Situation aber sehr schwierig. Es tut mir leid, dass sich die jungen Leute ab dem neuen Schuljahr nun Gedanken machen müssen, wie und wo sie sich mit Essen und Getränken versorgen können.“

Dass sie einmal unfreiwillig ihr Unternehmen aufgeben muss, davon sei nie ausgegangen. Im Gegenteil. Die Selbstständigkeit mit einer Cafeteria in einer Berufsschule war für die gelernte und mit der Wende arbeitslos gewordene Verkäuferin die Chance eines beruflichen Neustarts. Auf die Idee dazu brachte sie ein Bekannter, der im Berufsschulzentrum Boxberg als Lehrer arbeitete. „Der sagte immer, wie toll es wäre, in der Schule eine Pausenversorgung zu haben, da es außer der Tankstelle nichts in Boxberg gibt. Also griff ich die Idee auf und verwirklichte sie.“ Klein habe sie angefangen, erinnert sich Annette Pausch. Anfangs seien es 20 Brötchen pro Tag, einige „Heiße Hexen“ (eine Art Burger) und ein paar Getränke gewesen. Doch es sei auf Wunsch der Schüler immer mehr dazugekommen. „So begann ich, Nudeln mit Tomatensoße und Jagdwurst, Chili con Carne und ab und an frischgebackenen Kuchen anzubieten. Dafür musste ich alles nach der Arbeit einkaufen, zu Hause in Teicha kochen und backen und mit dem Auto nach Boxberg transportieren, weil der Cafeteria-Raum dort gerade mal 11 Quadratmeter groß war, keine Lagerflächen hatte und mit Kühlschränken und Elektrogeräten zugestellt war.“

Abschied mit Wehmut und Freude

Statt von sieben bis 15.30 Uhr seien ihre Arbeitstage so bis weit in die Abendstunden gegangen. „Glücklicherweise war damals mein Mann im Ort selbstständig tätig und konnte sich so, mit Unterstützung der ebenfalls im Dorf lebenden Eltern, um unsere Töchter kümmern.“

Gekümmert, sogar freiwillig, haben sich auch die Schüler. Und zwar um Annette Pausch. Sie halfen beim Ein- und Auspacken der Ware und sogar, als sie mal eine Autopanne hatte. „Da wechselten sie mir sogar die Reifen.“ Überhaupt, meint die langjährige Schul-Cafeteria-Betreiberin, habe sie nur gute Erfahrungen mit Jugendlichen gemacht. Und noch heute werde sie von einstigen Schülern gegrüßt und angesprochen. „Es heißt ja "Wie man in den Wald ruft, schallt es zurück.". So ist es wohl“, meint sie. Und vielleicht ist diese Einstellung auch der Grund dafür, dass Annette Pausch über all die Jahre für viele Schüler eine Bezugs- und Vertrauensperson wurde, der sogar Liebeskummer erzählt wurde. „Einmal erhielt ich einen Anruf von einem Schüler. Weil er verschlafen hatte, bat er mich, ihn nach Boxberg mitzunehmen. Na klar habe ich das getan“, erinnert sich die Noch-Unternehmerin, die 2013 nach Weißwasser kam. Damals, als die Boxberger Berufsschule mit Weißwasser zum Berufsschulzentrum zusammengelegt wurde, fragte man, ob sie auch dort die Cafeteria betreiben würde. „Ich sagte zu, obwohl es nun um fast 500 Schüler plus Arbeiterversorgung und weitere Kunden ging. Aber die Cafeteria mit Aufenthaltsraum, großer Küche und Tresen war modern und toll eingerichtet.“ Weil die Arbeit allein irgendwann nicht mehr schaffbar war, wurde 2018 eine Köchin eingestellt.

Dass ihre Kollegin schnell eine neue Anstellung findet, ist Annette Pauschs größte Sorge im Zuge der Geschäftsaufgabe. „Wir waren ein gutes Team und glücklicherweise musste ich sie nicht in die Arbeitslosigkeit schicken.“ Auch die Ex-Chefin ist nicht arbeitslos. Ab Montag beginnt sie mit Ausräumen, Grundreinigung und Übergabe der Cafeteria. „Danach mache ich mit meinem Mann Urlaub. Das ist als Abwechslung von meinen schwermütigen Gedanken gut.“ Zudem freue sie sich darauf, endlich mehr Zeit für Haus und Garten, Mann, zwei Töchter und vier Enkel zu haben. So sieht es auch die Familie. „Es ist gut, dass sie die schwere Zeit hinter sich hat und die Selbstständigkeit loslassen kann“, meint Tochter Daniela. Und Mutter Annette setzt hinzu: „Ja, aber ab September gehe ich wieder arbeiten, starte ich einen neuen beruflichen Lebensabschnitt. Aber ohne Verantwortung für Firma und Mitarbeiter.“

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