Weißwasser
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Eisenbahnvergnügen!?

Weißwasser ist besonders und soll es bleiben. Entdeckungen und Gedanken zu einer Stadt zwischen den Welten - eine Kolumne von Gregor Schneider.

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© Rolf Ullmann/SZ-Archiv

Ich gebe zu, ich bin Bahnfahrer. Auch wenn uns hier im „Winkel“ die Bahn als Alternative zum Auto nicht gerade schmackhaft gemacht wird. Wenn man sich aber durchgerungen hat, auf eingleisiger Strecke die Landschaft an sich vorüberzuckeln zu lassen, liegen die Vorteile auf der Hand: man kann lesen, schlummern, arbeiten oder einfach den Zugvögeln beim Überholen zuschauen. Oder in umliegende Gespräche hören. Neulich saßen beispielsweise vier nette Damen in Hörweite. Sie unterhielten sich über Kunden, die fünf Minuten vor Ladenschluss hereinkommen und offensichtlich den nahen Feierabend bedrohen. Die Damen schienen beruflich auf der Verkäuferseite angesiedelt und fanden solches Kundenbenehmen nicht lustig. Das würde die eine oder andere den Kunden spüren lassen, wenngleich die dritte einwarf, dass der Kunde nun mal König sei.

Wer kennt das nicht? Kunden finden immer wieder etwas, um das Personal aus der Reserve zu locken. Doch sollte man nicht meinen, wer sich für Gastronomie, Handel oder Dienstleistung als Berufsweg entscheidet, der sollte solchen Herausforderungen gewachsen sein? Die vier Damen tranken aus ihren Prosecco-Dosen und wechselten das Thema und die Seiten – jetzt waren sie die „Kunden“, nämlich morgens um acht im Rathaus. An Service sei dort nicht zu denken, stattdessen nur das Geklapper von Kaffeetassen. Welches Rathaus sie meinten, blieb unklar. Zumindest stiegen sie nicht in Weißwasser aus.

Das bringt mich zu meinem eigentlichen Anliegen, nämlich einer zünftigen Standpauke. Lieber ZVON, jetzt spitz‘ mal deine Ohren für ein paar der meisterzählten Themen im Zug. Es ist ja bekannt, dass wir am Rand der Republik leben und eingleisig an die Knoten Cottbus und Görlitz angebunden sind. Dass es dem Zvon aber gelingt, unsere Verbindung nach Dresden zum Beispiel so zu takten, dass wir von Weißwasser sage und schreibe zweieinhalb Stunden für diese Tour benötigen, weil der Anschlusszug in Görlitz gerade abfährt, wenn wir ankommen, könnte man als Zeichen von Ironie verstehen. Aber auch als Zeichen von Geringschätzung unserer Belange. Und Ländergrenzen spiegeln sich – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung – in Ticketpreisen wieder wie Strafzölle. Wehe, man lebt an einer ZVON-Tarifgrenze! Da stehen Alltagsverbindungen wie etwa Weißwasser – Spremberg in keinem Verhältnis: für Hin- und Rückfahrt legt man so viel hin, wie für ein Tagesticket im gesamten ZVON-Gebiet. Und die Bahncard ist im ZVON-Tarifgebiet schon gar keinen Pfifferling wert.

Lieber ZVON: Teure Kurzstrecken, Grenzen statt Verbindungen, Hinterland-Takte – wo leben wir denn? Geht so Mobilitätswende? Könnt oder wollt ihr nicht anders? Ein „‘S is wie’s is“ scheint absehbar kaum auszureichen.

Unser Autor Gregor Schneider ist gebürtiger Weißwasseraner und Rückkehrer. Der Stadtplaner begleitet aktiv die Transformation der Heimatregion. Hier äußert er seine privaten Gedanken zum Stadtgeschehen.

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