Es ist alljährlich eine der schönen und zugleich auch schwierigsten Entscheidungen der Stadträte von Weißwasser: die Verteilung jener Gelder, mit denen die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) das gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Leben in der Stadt fördert. Das passiert quasi als Entschädigung für die Beeinträchtigungen durch den Tagebau Nochten. Doch weil der inzwischen weiter Richtung Trebendorf gezogen ist, stellt das Unternehmen 2022 weniger Spenden zur Verfügung.
So ganz nachvollziehen kann man das in Weißwasser nicht. Denn die Auswirkungen des Tagebaus sind in der Stadt noch immer zu spüren, vor allem in Form dicker Staubwolken bei ungünstigem Wind. Selbst die Referatsleiterin für Bau und Stadtplanung hat da so ihre Erfahrungen gemacht. Dorit Baumeister nutzt eine Zweit-Wohnung in der Nähe des Tagebaus. „Wenn die Fenster offen sind, hat man alles voller Kohlestaub“, beklagte sie. „Hier findet noch 10 oder 15 Jahre aktiver Tagebau statt. Das verstehen die an der tschechischen Grenze oder in der Nähe von Dresden nicht, wenn es um die Dringlichkeit bei der Verteilung der Strukturwandelgelder geht“, betonte sie einmal mehr, was viele Bürger in Stadt und Umland bewegt.
Verteilung in vier Kategorien
Alles in allem 70.000 Euro der Leag waren 2022 zu verteilen. Bereits im März folgte der Stadtrat dem Vorschlag der Verwaltung, dass wie in den Vorjahren 10.000 Euro für Einzelprojekte in Verantwortung von Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) vergeben werden. Weitere 60.000 Euro sollten den Vereinen zugutekommen. Über die Art der Verteilung gab es in den Vorjahren zum Teil recht heftige Debatten, die kein gutes Licht auf die Stadt warfen – und auch bei der Leag nicht gut ankamen.
Deshalb hatte der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, die Richtlinie zur Vereinsförderung zu überarbeiten. Ende Mai beschlossen die Räte mehrheitlich die neue Verfahrensweise. Sie folgten damit einem Antrag von Klartext. Linke, Für unser Weißwasser und KJiK. Geld gibt es fortan in vier Kategorien: 20 Prozent gehen an Vereine und Projekte der Jugendhilfe, 12 Prozent an die Wohlfahrtspflege, 18 Prozent sind für kulturelle und 50 Prozent für sportliche Aktivitäten vorgesehen. Die Anträge waren zuvor in Fachgremien bewertet worden.
Räte über die Vorschläge einig
Im Falle der Jugendhilfe waren Timo Schutza (Klartext) und Bernd Frommelt (KJiK) als befangen von der Abstimmung ausgeschlossen. 12.000 Euro galt es zu verteilen, wobei es innerhalb einzelner Punkte kleine Verschiebungen gab. Über eine Finanzspritze dürfen sich die Station Weißwasser, der Impulsverein, der Schlupfwinkel-Verein, das Kiez, die mobile Jugendarbeit und Soziokultur sowie der Generationentreff SpinnNetz freuen.
In der Wohlfahrtspflege standen für die Punkte 10 bis 19 der Vorschlagsliste 7.200 Euro bereit. Zuschüsse gehen an das DRK, die Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigung (Gab), die ASB-Begegnungsstätte, das evangelische Haus der Begegnungen wie auch das Soziale Netzwerk Lausitz.
In der Kategorie Kultur erklärte sich OB Pötzsch für befangen, weshalb er selber nicht mit abstimmen und auch die Abstimmung nicht leiten durfte. Letzteres übernahm sein Stellvertreter Hans-Eckhard Rudoba (Linke). Für kulturelle Aktivitäten, also die Anträge 20 bis 38, standen 10.800 Euro zur Verfügung. In den Genuss finanzieller Unterstützung kommen die Fördervereine von Glasmuseum und Feuerwehr, die Waldeisenbahn Muskau, die Freunde des Volkshauses, Tierpark, Stadtchor und Kalinka-Chor, das Kabarett „Die Lutken“, der Verein Kultursofa und andere.
Gemäß der neuen Richtlinie zur Vereinsförderung soll die Hälfte der Leag-Spendenmittel dazu beitragen, in der Sportstadt, wie sich Weißwasser gerne sieht, den Sport voranzubringen. 30.000 Euro entfielen auf die Antragsteller gemäß der Punkte 39 bis 50 der Vorschlagsliste. Bedacht werden der ESW, der TSC Kristall, der KSV Fechten, die TSG Kraftwerk Boxberg-Weißwasser, der VfB Weißwasser 1909, der Gesundheits- und Rehasportverein, aber auch die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG), die Wohnsportgemeinschaft Nord, der Schützenverein und eine Allgemeine Sportgruppe.
Alle vier Einzelbeschlüsse wurden einstimmig gefasst. Die Verteilung durch den Stadtrat Weißwasser ging dieses Mal nahezu geräuschlos vonstatten. Oder wie es OB Pötzsch formulierte: „So gut abgestimmt war es noch nie. So muss es auch sein.“
Robert Seidel (Klartext) würde sich im Sinne von mehr Transparenz eine Veröffentlichung der Beträge wie auch der Empfänger wünschen. In den Vorjahren hatte man das aus Gründen des Datenschutzes abgelehnt. Aber in erster Linie wohl deshalb, um den unschönen Diskussionen zum Für und Wider der Vergabe in den sozialen Netzwerken den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wie der OB nun in der jüngsten Stadtratssitzung verlauten ließ, werde auf der Internetseite der Stadt zu erfahren sein, wer 2022 die Nutznießer der Leag-Spendengelder sind.
Stadtwerke-Gelder eingefroren
In etlichen Vereinen der Stadt werden die Zuschüsse aus dem Leag-Topf auch deshalb so sehnsüchtig erwartet, weil ein anderer großer Förderer des gesellschaftlichen Lebens den Geldhahn zugedreht hat. Anfang Juni beschloss der Stadtrat Weißwasser mehrheitlich, dem Wasserzweckverband Mittlere Neiße – Schöps beizutreten und die Aufgaben der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in die Hände einer noch zu gründenden GmbH zu legen. Damit sind die Stadtwerke Weißwasser GmbH (SWW) als bisheriger Leistungserbringer raus aus dem Wassergeschäft. Das Unternehmen muss sich neu aufstellen. Dass die SWW deshalb Spenden und Sponsoring auf Eis legen, sei für die Vereine bitter. Dessen ist sich Geschäftsführerin Katrin Bartsch durchaus bewusst. Aber, so fügte sie erklärend hinzu: „Wir müssen uns erst einmal um uns selber kümmern.“