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Brennstoff aus Boxberg ist gut fürs Klima

Zehn Millionen Euro investiert Veolia in eine Klärschlammtrocknungsanlage am Kraftwerk. Am Dienstag war Spatenstich.

Von Constanze Knappe
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Das Granulat aus getrocknetem Klärschlamm ist ein toller Ersatzbrennstoff.
Das Granulat aus getrocknetem Klärschlamm ist ein toller Ersatzbrennstoff. © Constanze Knappe

Bei 200 Grad Celsius werden ab Mitte nächsten Jahres auf dem Gelände des Kraftwerks Boxberg Klärschlämme getrocknet. Dafür investiert die Veolia Deutschland GmbH zehn Millionen Euro. Zwar war es gestern vormittag nicht annähernd so heiß wie bald in dem Trockner, dennoch kamen die Gäste bei schwülwarmer Witterung ordentlich ins Schwitzen. Erst recht die, die den symbolischen Spatenstich vollzogen. Unter ihnen der Boxberger Bürgermeister Achim Junker (CDU). Er sieht in dem Vorhaben „die erste konkrete private Maßnahme für eine erfolgreiche Strukturentwicklung“.

Strenges Genehmigungsverfahren

In etwa einem Jahr soll der 60 Meter lange, 15 Meter breite und acht Meter hohe Neubau der Klärschlammtrocknungsanlage in Betrieb gehen. Ihr Herzstück, ein 20 Meter langer Bandtrockner, wird in einem geschlossenen Bunker arbeiten. „Das heißt, dass wir nichts riechen“, betonte Laurent Hequet, Geschäftsführer der Veolia Deutschland GmbH. Das war von der Unteren Immissionsschutzbehörde beim Landkreis Görlitz intensiv geprüft worden. Der nasse Schlamm wird durch eine Presse gleichmäßig in dünnen Strängen auf zwei Trocknungsbändern aus Edelstahl verteilt und getrocknet. Das im Schlamm enthaltene Wasser verdampft, die feuchte Trocknungsluft wird durch ein Kondensationssystem zurückgeführt. Im etwa 25 Meter hohen Silo wird das aus den Strängen gehäckselte Granulat aufgefangen.

Bis zu 50.000 Tonnen Klärschlamm jährlich sollen in der Anlage verwertet werden. Das passiert mit Hilfe der Abwärme, die ohnehin im Kraftwerk Boxberg der Lausitz Energie Kraftwerk AG (Leag) entsteht. Geliefert werden die Klärschlämme zum überwiegenden Teil aus kommunalen Kläranlagen der Region. „Zwar kommt einiges auch aus Berlin, aber hier wird nicht für Berlin gebaut“, bekräftigte Dr. Matthias Staub, Leiter Kommunalentwicklung bei der Veolia Wasser Deutschland GmbH. Pro Tag werden fünf bis acht Lkw Klärschlämme über die B 156 zur Anlage bringen.

Veolia bringt in der Lausitz bald Klärschlämme ins Schwitzen, hieß es gestern beim Spatenstich: Dr. Matthias Staub, Leiter Kommunalentwicklung bei Veolia, Leag-Vorstand Hubertus Altmann, Landkreis-Referentin Friederike Adelsberger, Veolia-Deutschland-Chef
Veolia bringt in der Lausitz bald Klärschlämme ins Schwitzen, hieß es gestern beim Spatenstich: Dr. Matthias Staub, Leiter Kommunalentwicklung bei Veolia, Leag-Vorstand Hubertus Altmann, Landkreis-Referentin Friederike Adelsberger, Veolia-Deutschland-Chef © Constanze Knappe


Veolia ist seit 30 Jahren in vielen deutschen Städten und Gemeinden ein verlässlicher Partner in der Daseinsvorsorge, betreibt deutschlandweit unter anderem 120 Kläranlagen und entsorgt rund 500.000 Tonnen Klärschlamm, die bei der Abwasserreinigung auf kommunalen Kläranlagen anfallen – vor allem in Sachsen und in der Lausitz. Neue gesetzliche Rahmenbedingungen schränken künftig die Ausbringung von Klärschlamm auf Feldern massiv ein. Dessen Verwertung sei daher in ganz Deutschland „eine der herausragenden kommunalen Zukunftsfragen“, wie der Veolia-Deutschland-Chef betonte.

Wie zu vernehmen war, sind Veolia und Leag schon seit langem „ein eingespieltes Team“. Seit beinahe 20 Jahren werden Klärschlämme im Kraftwerk Boxberg mitverbrannt. Wie man sie effizient und nachhaltig trocknen könnte, das haben die Kooperationspartner seit 2016 überlegt. „Indem wir die Abwärme des Kraftwerkes nutzen, können wir die Klärschlämme ressourcenschonend trocknen. Wertvolle Energie geht damit nicht verloren, sondern wird genutzt“, so Laurent Hequet. Damit würden Veolia und Leag gemeinsam einen Beitrag leisten, um Kreisläufe ökologisch sinnvoll zu schließen. Rund 4,5 Millionen Kilowattstunden Energie und etwa 1.000 Tonnen CO2 können durch die Abwärme-Nutzung jährlich eingespart werden. Nicht nur deshalb sei das Vorhaben als „ein nachhaltiges Projekt für die Lausitz und wichtiger Beitrag zum Klimaschutz im Freistaat Sachsen“ zu betrachten.

Sicherheit bei Ver- und Entsorgung

Durch die vorherige Trocknung der Klärschlämme ist ihr Heizwert größer als der von Rohbraunkohle. Etwa 90 Prozent des Granulats werden als umweltfreundlicher Ersatzbrennstoff im Kraftwerk Boxberg für die Stromerzeugung genutzt. Der Rest geht an Zementfabriken, die einen hohen Energiebedarf haben. Auch das trage zum Ressourcenschutz bei, verringere Transportaufwand und damit den CO2-Ausstoß.
Für den Betrieb der Klärschlammtrocknungsanlage in Boxberg plant Veolia bis zu vier Arbeitsplätze. Es sei vorgesehen, wenn 2038 die letzten beiden Blöcke des Kraftwerkes vom Netz gehen, die Wärme für die Klärschlammtrocknung dann aus regenerativen Energiequellen zu gewinnen.

Die sachgerechte, umweltfreundliche thermischen Verwertung von Ersatzbrennstoffen und Klärschlämmen findet in allen Leag-Kraftwerk in Sachsen und Brandenburg statt. „Sie entlastet Kommunen und Gewerbe in erheblichem Maße und ebenso das Klima, weil bei der Strom- und Wärmeerzeugung entsprechend Kohlemengen reduziert werden können“, erklärte Leag-Vorstand Hubertus Altmann. Man habe ein neues Kapitel der Zusammenarbeit mit Veolia aufgeschlagen, sagte er gestern beim Spatenstich. „Wir sind nicht die Genehmigungsbehörde, aber gute Nachbarn und das wollen wir unter Beweis stellen“, so der Leag-Vorstand.

Die thermische Verwertung von Abfällen sei nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zur Transformation des Unternehmens. Es sei eines jener neuen Geschäftsfelder, die sich die Leag erschließe. So sei man beispielsweise auch mit der Gemeinde Boxberg im Gespräch, um in erneuerbare Energien zu investieren. „Flächen und Know-how, das haben wir“, so Altmann. Die Klärschlammtrocknung und die erweiterte Mitverbrennung in Boxberg ebenso wie die mit Veolia gemeinsam geplante thermische Verwertungsanlage in Jänschwalde, die 2024 in Betrieb gehen soll, seien Investitionen in die Zukunft. „Sie werden dabei helfen, weiterhin Entsorgungs- und Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, sagte er.

Sehnsüchtig erwartete Investoren

Bereits 2019 hatte sich der Gemeinderat Boxberg dazu positioniert, dass es im Kohleausstieg „konkrete Impulse für die heimische Wirtschaft braucht, die fast komplett von der Kohle abhängt“, erklärte Bürgermeister Achim Junker. Die jährlich drei Millionen Euro Wirtschaftskraft aus dem Tourismus könnten nicht mal ansatzweise die 400 Millionen Euro aus der Energiewirtschaft ausgleichen. Die Menschen in den 18 Ortsteilen der 4.500-Einwohner-Gemeinde würden sehr genau verfolgen, wie in direkter Nachbarschaft in Polen oder auch in Tschechien neue Atom- oder Braunkohlekraftwerke gebaut werden und Sonderwirtschaftszonen ein ideales Klima für milliardenschwere Investitionen schaffen.

Der Spatenstich für den Veolia-Neubau in Boxberg sei, so Junker weiter, eine „Initialzündung für sehnsüchtig erwartete weitere Investoren“. Auch deshalb würden die Boxberger dem Vorhaben „grundsätzlich positiv gegenüberstehen“, sagte er. Das habe die Bürgerbeteiligung in dem Genehmigungsverfahren gezeigt.

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