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Bürger reden Tacheles mit Tüp-Chefs

Spätestens, wenn Hauswände wackeln, Fenster vibrieren und spät abends noch Schieß- und Detonationsgeräusche stören, ist Anwohnern klar: Es wird geübt.

Von Sabine Larbig
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Sebastian Hackl, Leiter Betriebsbereich Lausitz beim Bundesforst, der zuständig für den Forst auf dem Tüp Oberlausitz samt seinen Revieren zuständig ist, erläuterte anhand von Karten- und Informationsmaterial, wie Forstleute für Anwohnerschutz sorgen.
Sebastian Hackl, Leiter Betriebsbereich Lausitz beim Bundesforst, der zuständig für den Forst auf dem Tüp Oberlausitz samt seinen Revieren zuständig ist, erläuterte anhand von Karten- und Informationsmaterial, wie Forstleute für Anwohnerschutz sorgen. © Sabine Larbig

Aktuell ist ein Panzerbatallion auf dem Übungsplatz, der sich von Weißkeißel bis Boxberg, Neustadt und entlang der Krauschwitzer Neißedörfer erstreckt. Nach der Instandsetzungspause von Anfang Juli bis Mitte August kommen wieder die Singapuri sowie Hubschrauber, Panzer, Pioniere, Infanterie und weiteres zum Einsatz.

Der Tüp mit vielen Schießbahnen, Einrichtungen und einzigartigem Gelände ist bei Truppen aus dem In- und Ausland sehr gefragt, sein Auslastungsgrad entsprechend hoch. Im Jahr 2020 beispielsweise gab es 203 Schießtage. Was Bundeswehr und Kommandantur freut, nervt Anwohner immer öfter. Denn wer in Orten am Truppenübungsplatz Oberlausitz (Tüp) wohnt, muss mit Fahr-, Flug- und Lärmgeräuschen sowie Schmutz durch Hubschrauber, Flugzeuge, Panzer und mit anderen übenden Einheiten leben. Im Vergleich zu DDR-Zeiten, wo es auf dem Platz kaum Schutzmaßnahmen für Anwohner gab, geht es heute zwar ruhiger und geregelter zu, aber nicht belastungsfrei.

„Auf der Straße von Klein Priebus in Richtung Sagar wird im Tiefflug über die Häuser gedüst“, erzählt ein Einwohner, während sich eine Bürgerin über die Lautstärke der Einschläge von Panzerabwehrraketen beschwert. „Es ist kaum erträglich. Besonders, wenn die Windrichtung ungünstig ist.“ Von „Extrembelastung durch Hubschrauber im Vorjahr“ erzählt ein anderer Bürger. Eine junge Mutter äußert: „Für uns als Familie mit zwei kleinen Kindern, die um sechs Uhr aufstehen muss, durch’s Schießen aber oft nur vier Stunden Schlaf hat, ist es belastend.“

Informationsbedarf bei Bürgern

Mit diesen und anderen Kritikpunkten wurden Tüp-Kommandant René Pierschel, Stellvertreter und Schießsicherheitsoffizier Hauptmann Ivo Graf sowie Sebastian Hackl, Leiter Betriebsbereich Lausitz der Sparte Bundesforst der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und für den Tüp zuständig, kürzlich beim Bürgergesprächsabend in Klein Priebus konfrontiert. Angeregt worden war das Format aufgrund zahlreicher Einwohnerbeschwerden vom Ortschaftsrat Krauschwitz. Die rund 50 Anwesenden wollten Antworten auf viele Fragen, wie der Abend zeigte. Beispielsweise, wie Wald Belastungen minimieren kann; ob es Schieß- und Flugzeiten gibt; wohin sich Bürger bei Zuwiderhandlungen oder Schäden wenden können; ob Schallschutz geplant ist.

Wie Sebastian Hackel informierte, verfüge der Tüp über 17.400 Hektar Waldflächen und sieben Fortsreviere, die sich um Wildtiermanagement, Natur- und Brandschutz, den Funktionswald, welcher Gefahren und Beeinträchtigungen vermeidet, kümmern. „Im Revier Pechern haben wir 776 Hektar Lärmschutzwald, den Kiefern und Eichen dominieren.“ Zudem würden in Nähe von Schießbahnen nur Splitter-, Schuss- und Brandresistente Bäume wachsen und gepflanzt. Regelmäßig auf dem Platz beseitigt werde Reißig bis 250 Meter Tiefe, um Brandlast zu vermindern. Im Fokus stehe außerdem der Lärmschutzwald. Der müsse, laut Hackl, Blend- und Staubschutz sein und Schallwellen zurück oder nach oben ablenken. „Idealerweise besteht er aus unterschiedlich starken, hohen und gemischten Laub- und Nadelbäumen, stufigem Waldrand und Vegetation am Waldboden. Gestaltung und Verjüngung der Waldflächen sind daher permanente Aufgabe.“

Leider, so Hackl weiter, habe man saure, nährstoffarme Böden, wenig Wasser, schlechte Wasserhaltekapazitäten, wodurch die Baumauswahl und das Wachstum eingeschränkt seien. Aktiv beeinflussbar sei so nur die Lichtsteuerung durch Waldumbau und Freistellung, um große Baumkronen, tiefe Kronenansätze und Bodenvegetation für die Schutzfunktion zu erreichen. Zum Schutz der Anwohner würden auch Rückegassen parallel zu den Schießbahnen angelegt, werde nie überall gleichzeitig eingegriffen, erfolgen Nachpflanzungen stets in gefällten Bereichen sowie nahe an Lärmquellen. Für Bitten aus dem Publikum, diese praktische Arbeit bei öffentlichen Exkursionen zu zeigen, zeigte sich Hackl ebenso offen wie für Antworten zum Wildbestand. Der sei auf dem Tüp durch Wolf, ASP und Zäune gesunken. „Doch es gibt noch so viele Hirsche, dass wir Eichenkulturen bis zu sechs Jahre schützen müssen.“ Zudem gelte für das Wildtiermanagement ein Intervall-Jagdsystem sowie ein räumlich-zeitlich gegliedertes Monitoring.

„Auf dem Platz ist der Bau einer Platzrand-Straße geplant, wofür Bäume gefällt werden müssen. Gibt es Pläne für Nachpflanzungen oder andere aktive Schallschutzmaßnahmen?“, wollte Detlef Roitsch wissen. „Ja, wir sind zum Ausgleich verpflichtet. Außerdem sehen die Planungen und alle Gutachten im nördlichen Bereich, also Skerbersdorf und Pechern, eine Schallschutzmauer nach Außen, also direkt an und in den Orten, vor. Die wird auf acht Kilometer Länge und in vier Abschnitten errichtet. Es ist eine sehr teure und große zusätzliche Maßnahme. Aber sie wird umgesetzt“, informierte Kommandant René Pierschel. Zudem werde die Platzrand-Straße, deren Bau voraussichtlich 2025 an der Schießbahn 4 starten und fast um den ganzen Übungsplatz gehen wird, wenn sie etwa fünf Jahre später fertig sei, keine optische oder Schmutzbeeinträchtigung durch die Waldlage darstellen.

Größtes Ärgernis ist (Nacht)Lärm

„Und was ist mit den Schießzeiten in den Abendstunden und bei Dunkelheit sowie den tief über die Orte fliegenden Flugzeuge?“, rief ein Gesprächsteilnehmer in die Runde. Dazu erwiderte Kommandant Pierschel, dass die Probleme bekannt seien. Die Flieger hätten die Auflage, nicht über den Platz hinaus zu fliegen. „Wenn Sie außerhalb des Tüp-Geländes eine der Riesenkisten sehen, schreiben Sie deren sichtbar angebrachte Nummer und die Zeit auf und melden Sie dies der Tüp-Leit- und Kontrollstelle. Die ist immer besetzt, hat ein Überwachungssystem, kann die Verursacher nachverfolgen, denen dann ein Flugverbot, ausgesprochen werden kann.“Bezüglich der Lärmbelästigungen durch Schieß- und Einschlaggeräusche von Raketen und Kanonen erklärte Hauptmann Ivo Graf, dass man „keine geheimen Sprengversuche oder Artillerieschießübungen“ mache, wie oftmals vermutet werde. „Artillerie schießt bei uns seit zehn Jahren nicht mehr und die Lautstärke, also die Schallwellen, haben wirklich etwas mit der Wetterlage zu tun. Klar ist Lärm eine Belästigung, aber schallfrei schießen funktioniert nicht.“ Auch zu den Schießzeiten äußerte sich Graf deutlich. Tagsüber dürfe von 8 bis 16 Uhr geschossen werden, ab Einbruch der Dunkelheit maximal vier Stunden. Letzteres sei nach Monat gestaffelt. Für November bis Februar gelte 18 bis 22 Uhr; für März 19 bis 23 Uhr; für April 20 bis 24 Uhr; für Mai/Juni bis 1 Uhr . Im Juli und August werde gar nicht geschossen. „Trotzdem wäre es besser für die Anwohner, wenn generell maximal bis Null Uhr geschossen werden dürfte“, regte der Krauschwitzer Bürgermeister Tristan Mühl an.

Tüp nimmt Beschwerden entgegen

Mit bestimmten Kalibern wie Raketen, so Graf, dürfe generell nur bis 23 Uhr geübt werden. „Doch was machen wir bei Nachtübungen, wenn es erst 22 Uhr dunkel wird?“ Unter vier Stunden lohne sich so eine Übung nämlich nicht. „Aber genau das ist es, was uns ärgert und für Unmut sorgt“, machte sich daraufhin eine Bürgerin Luft. „Wir haben noch nie die zulässigen Lärmgrenzen überschritten, was wir nachweisen können, weil grundsätzlich und auch Fall bezogen gemessen wird sowie auf Schießbahn 1 bei Neustadt eine Selbstüberwachung installiert ist“, argumentierte Kommandant René Pierschel. Und er erklärte, dass man bei entsprechenden Bürgerbeschwerden schon oft kontrolliert habe. „Da kam der Lärm aber immer vom polnischen Übungsplatz in Zagan.“

Bitten, mehr für den zivilen Sektor – wie Spenden, Vereinsunterstützungen, Kremserfahrten im Randgebiet, Kooperation mit Privatwaldbesitzern – zu tun, musste der Kommandant ablehnen. „Was wir dürfen, ist klar geregelt. Aber wir werden stets ein offenes Ohr haben, hilfreicher Partner sein und tun, was wir können. Das versichere ich, denn auch die Menschen und Kommunen sind stets fair mit uns.“ Pierschel versprach daher weitere Informationsabende. „Ich finde es gut, dass der Tüp transparent informiert“, sagte eine Bürgerin nach dem offiziellen Teil, dem sich noch viele direkte Gespräche von Teilnehmern und Tüp-Vertretern anschlossen.

Kontakt Leit- und Kontrollstelle: 03576 2134000