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Mühlrose zieht um

Der Ort macht Platz für den Tagebau – schon jetzt mit Riesenschritten. Eine Reportage über Fortgang der Umsiedlung.

Von Constanze Knappe
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Die Bodenplatte für den Ersatzbau des Dorfgemeinschaftshauses in Neu-Mühlrose liegt.
Die Bodenplatte für den Ersatzbau des Dorfgemeinschaftshauses in Neu-Mühlrose liegt. © Joachim Rehle

Mühlrose ist mitten drin in der Umsiedlung. Der überwiegende Teil der Mühlroser habe bereits einen notariellen Vertrag abgeschlossen, hieß es jetzt in den Sitzungen der Gemeinderäte von Schleife und Trebendorf. Die Ersatzbauten schießen am Umsiedlungsstandort am Nordrand von Schleife wie Pilze aus dem Boden. Auf 30 der 41 Parzellen herrscht reges Baugeschehen. Vor Weihnachten waren die ersten Umsiedler im neuen Zuhause eingezogen. Über den Stand der Dinge berichtete jetzt Martin Klausch, Umsiedlungsmanager bei der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag), den Räten beider Gemeinden.

Nach dem symbolischen Spatenstich hatte im November 2021 der Bau des neuen Dorfgemeinschaftshauses begonnen. Nach den Worten des Leag-Vertreters seien jetzt die Fundamente drin, laufe gerade die Ausschreibung für die Rohbauleistungen. Noch sei die Vergabe aber nicht erfolgt. Errichtet wird der Ersatzbau in einer Holzständerbauweise, wobei die Ständer in einer Werkstatt vorgefertigt würden und dann alles zusammen auf die Baustelle käme. „Deshalb wird man dort in den nächsten Monaten noch nicht viel sehen“, erklärte er. Im Herbst soll der Rohbau stehen, der Ausbau dann den Winter über vonstattengehen. In 16 Losen werden die Aufträge vergeben. Die Fertigstellung ist für das erste Halbjahr 2023 geplant. Aus heutiger Sicht sei das alles realistisch, hieß es.

Am 9. März wurden die ersten Urnen vom Friedhof Mühlrose auf den neuen Friedhof am Umsiedlungsstandort umgebettet. Der Trebendorfer Bürgermeister Waldemar Locke begleitete das mit dem traditionellen Ausläuten.
Am 9. März wurden die ersten Urnen vom Friedhof Mühlrose auf den neuen Friedhof am Umsiedlungsstandort umgebettet. Der Trebendorfer Bürgermeister Waldemar Locke begleitete das mit dem traditionellen Ausläuten. © Gemeinde

Man lasse sich von dem Grundsatz leiten: „Mühlrose so lange wie möglich lebenswert halten, aber Neu-Mühlrose so schnell wie möglich lebenswert machen.“ Dahinter stehe der Kompromiss, die Erinnerungswerte wie Kriegerdenkmal oder Glockenturm erst umzusetzen, wenn sich mehr als die Hälfte der Mühlroser umgemeldet hat. Bei der Leag geht man davon aus, dass dies in etwa einem Jahr der Fall sein wird. Das Kreuz der Protestantin sei zwar bereits am neuen Ort, wie Martin Klausch sagte, aber nur als Leihgabe. Gemäß dem Mühlrose-Vertrag kommt es später in der Bergbaufolgelandschaft an seinen alten Platz zurück. Die Ersatzbauten für Schwimmbad und Sportanlagen sollen 2023/24 entstehen.

Die Begrünung erfolgt in acht Bereichen. Bereits im Vorjahr wurden eine Reihe Bäume an der Straße Am Damm in Neu-Mühlrose sowie am Weg zum Friedhof gepflanzt. Am Ansiedlungsstandort kommen noch weitere Bäume hin – später. Damit wolle man „noch warten, bis die großen Baugeschäfte erledigt sind“, damit keine Bäume an den Einfahrten zu den Baustellen im Wege sind. Begrünt werden ferner die Ortsmitte von Neu-Mühlrose, die Umgebung des Dorfgemeinschaftshauses, des Kriegerdenkmals und des Glockenturms sowie die Freiflächen der Sportanlagen.

Auf Wunsch der meisten Mühlrose werden ihre Häuser nach der Übergabe an die Leag umgehend abgerissen.
Auf Wunsch der meisten Mühlrose werden ihre Häuser nach der Übergabe an die Leag umgehend abgerissen. © Joachim Rehle

Wie im Vertrag zur Umsiedlung geregelt, wird die Leag einen Mietwohnungsbau errichten. Entstehen soll das Gebäude mit fünf Wohnungen in der Strugaaue in Schleife. Die Baugenehmigung sei beantragt. In Kürze werde mit dem Bau begonnen. Voraussichtlich im Mai 2023 soll das Mehrfamilienhaus fertig sein. Wie es hieß, wird es die Leag auch selbst betreiben.

Soziales Zentrum wird erweitert

Auch will das Bergbauunternehmen das Soziale Zentrum in der Strugaaue ausbauen, welches seit 2013 besteht. In dem Gebäude befindet sich eine Sozialstation, die vom Diakoniewerk Martinshof betrieben wird. Vorgesehen ist ein Anbau mit zehn Zimmern. Die Baugenehmigung sei beantragt. Im Mai soll es losgehen und der Anbau voraussichtlich im März 2023 zur Nutzung an die Diakonie übergeben werden.
Das seien alles Dinge, die der Gemeinderat vor fünf Jahren und früher beschlossen habe. Dabei sei sich keiner sicher gewesen, ob alles so aufgeht, gab der Schleifer Bürgermeister zu bedenken. „Die Verlässlichkeit, die wir hier vor uns haben, ist was Besonderes und in den neuen Zeiten nicht selbstverständlich“, betonte Jörg Funda. Das wolle man auch den Mühlrosern zeigen, die die Gemeinde Schleife aufnehmen wird oder schon aufgenommen hat.

Friedhof bleibt bis Ende 2024

In Mühlrose gibt es rund 60 bebaute private Grundstücke sowie sieben Immobilien in kommunalem Besitz. Die ersten Häuser wurden bereits abgerissen. In der Regel passiere das, sobald die Grundstücke an die Leag übergeben sind. „Das ist der Wunsch der bisherigen Eigentümer. Sie wollen ihre Häuser so in Erinnerung behalten, wie sie waren, und keine anderen Bilder zulassen“, begründete Martin Klausch. Andererseits sei es für die, die noch da sind, eine zusätzliche Belastung. Dessen sei man sich bewusst. Es bestehe aber weitgehende Einigung zu dieser Verfahrensweise, sagte er.

Derweil schreitet der Tagebau Nochten voran. Der Schutzdamm für Trebendorf steht. Bis zum Sommer bekommt er noch Sprühgalerie und Nebelanlage gegen Staub.
Derweil schreitet der Tagebau Nochten voran. Der Schutzdamm für Trebendorf steht. Bis zum Sommer bekommt er noch Sprühgalerie und Nebelanlage gegen Staub. © Constanze Knappe

Im November 2020 wurde unmittelbar neben dem Friedhof Schleife ein Friedhof für Neu-Mühlrose geweiht. Daran erinnern ein Weihestein und die zu diesem Zweck gepflanzte Trauerlinde. Für die Leag sei es Teil der Sozialverträglichkeit, dass Umsiedler, die es möchten, ihre verstorbenen Angehörigen in ihre Nähe umbetten lassen können. Damit habe man jetzt begonnen. Die Umbettung von Urnen genehmigt die Gemeinde Trebendorf. Für die Erlaubnis zur Umbettung von Särgen sei das Gesundheitsamt des Landkreises zuständig. „Aber der Friedhof in Mühlrose bleibt bis zum 31. Dezember 2024 in Nutzung. Bis dahin sind dort auch noch Beerdigungen möglich“, unterstrich Martin Klausch.

Man gehe davon aus, dass die Hauptaktivitäten zur Umsiedlung in diesem Jahr laufen und für Privatpersonen 2023 weitgehend abgeschlossen sein werden. „Wir sind auf einem guten Weg. Es ist derzeit nicht erkennbar, dass der Abschluss der Umsiedlung am 31. Dezember 2024 infrage steht“, betonte der Leag-Manager.

Tagebau ändert Förderrichtung

Den Räten beider Gemeinden erläuterte Jan Sedding, seit 2011 Leag-Referent für die Tagebaue Nochten und Reichwalde, wie es bis vorerst 2025 mit dem Tagbau Nochten weitergehen soll. Pro Jahr ist eine Förderung zwischen 15 und 20 Millionen Tonnen Kohle geplant. Dafür müssen 70 bis 85 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt werden. Bislang wird dieser in Richtung Norden transportiert. Um die Emissionsbelastungen für die Trebendorfer Bürger beim Heranrücken des Tagebaus an ihr Dorf weitgehend gering zu halten, wird vom 1. April bis 30. Juni die Förderrichtung nach Süden ausgerichtet und die Technik entsprechend umgestellt. Dazu müssen fünf Antriebsstationen, sieben Kilometer Bandanlage und der Absetzer umgebaut werden. Auch sei die Errichtung eines Kreuzungsbauwerks erforderlich. Zur Entwässerung wird 2022 eine Ringleitung um das Abbaufeld verlegt. Die dazugehörigen Brunnen sollen 2023 gebaut werden.

Glockenturm, Kriegerdenkmal und andere Erinnerungswerte werden umgesetzt, wenn mehr als 50 Prozent der Mühlroser umgezogen sind.
Glockenturm, Kriegerdenkmal und andere Erinnerungswerte werden umgesetzt, wenn mehr als 50 Prozent der Mühlroser umgezogen sind. © Gemeinde

Der Tagebau rückt sozusagen in Jahresscheiben vor. Dabei schwenkt der Vorschnitt um den Grubenpunkt herum. Der Lärmschutzdamm für Trebendorf ist bereits fertiggestellt. Zumindest, was das Bauliche angeht. Bis zum Sommer 2022 sollen Sprühgalerie und Nebelanlage installiert sein. Damit kann in der frostfreien Zeit ein zwölf Meter hoher Wasservorhang zur Staubbindung erzeugt werden. Die Anlage werde automatisch gesteuert – in Abhängigkeit von Trockenheit und Windrichtung. Die Wasserversorgung laufe über innerbetriebliche Anlagen. Damit habe man bei anderen Tagebauen gute Erfahrungen gemacht. „Aber ich bin ehrlich, wir werden damit nicht auf alle Eventualitäten reagieren können“, räumte Martin Klausch ein.

Nach Aussage von Jan Sedding wird der Vorschnitt bis Dezember 2023 das Ende des jetzigen Lärmschutzdamms bei Trebendorf erreicht haben. Deshalb soll noch 2022 der Bau eines solchen Schutzwalls für Klein Trebendorf beginnen, welcher auch begrünt wird. Bis Dezember 2024 wandere der Vorschnitt dann dorthin.

Zu den weiteren Schritten gehört die Entwidmung von Straßen, die danach nicht mehr der Öffentlichkeit zugänglich sind. Bereits 2022 betrifft das die 3.934 Meter lange Schäferstraße. Nach dem Abschluss der Umsiedlung von Mühlrose soll dann 2025 auch das Verfahren zur Entwidmung der Kreisstraße K 8476 auf einer Länge von 5.373 Metern beantragt werden.

Anrainer fordern Dauermessungen

Als eine sehr gute Idee begrüßte Uwe Radtke (WV Wir für Transparenz in Trebendorf) die Erweiterung des Sozialen Zentrums in Schleife. Als schon jetzt unmittelbar betroffener Anrainer am Tagebau verwies er allerdings auch auf die Probleme an der Tagebaukante. „Der Schutzdamm hat bis jetzt null Wirkung, auch weil viele Bäume bereits umgefallen oder abgeholzt sind“, kritisierte er und verwies auf Windwirbel. Schon jetzt gebe es eine extreme Lärm- und Staubbelastung, die vorher nicht da war. Deshalb würden die Bürger schon lange eine 24-Stunden-Mess-Station fordern, erklärte Uwe Radtke. Er hoffe auf die Einsicht der Leag, sagte der Trebendorfer Gemeinderat. Martin Klausch entgegnete daraufhin, dass man das technisch Mögliche tue und zur Minimierung der Belastung ja eben auch die Förderrichtung ändere.

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