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Wo's um die Wurst geht

Willms in Weißwasser sichert die Versorgung für 350.000 Menschen. Auch in der Krise. Zur „Spätschicht“ gab es jetzt einen Blick hinter die Kulissen.

Von Constanze Knappe
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Celina Wiegand (li.) ist derzeit einzige Auszubildende bei der Willms Weißwasser GmbH & Co. KG. Die 18-Jährige aus Weißwasser begann vor wenigen Wochen ihre Ausbildung zur Industriekauffrau. Diesen Beruf hat auch Anne-Kathrin Hähner bei Willms erlernt und
Celina Wiegand (li.) ist derzeit einzige Auszubildende bei der Willms Weißwasser GmbH & Co. KG. Die 18-Jährige aus Weißwasser begann vor wenigen Wochen ihre Ausbildung zur Industriekauffrau. Diesen Beruf hat auch Anne-Kathrin Hähner bei Willms erlernt und © Joachim Rehle

Pro Monat verlassen 300 Tonnen Wurstwaren die Willms Weißwasser GmbH & Co. KG. Darunter sind allein zehn Tonnen Bratwürste. Oder anders gesagt 110.000 Stück. Diese sind in der Grillsaison heiß begehrt, aber bald auf den Advents- und Weihnachtsmärkten mindestens genauso beliebt. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Wurst und Fleisch lag einmal bei 60 Kilogramm pro Jahr, doch dieser verringere sich gerade, weiß der Kaufmännische Leiter Uwe Henkel. Alles in allem sichert der Betrieb in Weißwasser die Versorgung von 350.000 Menschen mit diesen Erzeugnissen – in einem Vertriebsgebiet bis Berlin und an die bayerische Grenze. Ein kleiner Teil davon wird in den asiatischen Raum exportiert.

Besonders gefragte Grillartikel sind Nackensteaks, Bauchscheiben und die beliebten Grillfackeln auf Holzspießen. Zu deren Herstellung wurde in einem Nebengebäude eine eigene Produktionslinie aufgebaut – mit eigens dafür entwickelten speziellen Maschinen. Bis zu 160 Mitarbeiter sind hier in der Saison beschäftigt. Nachdem diese erst einmal vorbei ist, werden die Maschinen nun zum Verpacken diverser anderer Artikel genutzt. Die geringere Auslastung in dem Nebengebäude bot Interessenten jetzt immerhin die Möglichkeit während der Aktion „Spätschicht“ zu einem Blick hinter die Kulissen. In den Produktionslinien des Hauptgebäudes ist das wegen der hohen Hygieneanforderungen grundsätzlich ausgeschlossen. Allein sieben Mitarbeiter der Qualitätskontrolle überwachen dort die Einhaltung der strengen Vorschriften in der Lebensmittelproduktion.

OB Torsten Pötzsch (li.) und der Kaufmännische Leiter Uwe Henkel zur Eröffnung der „Spätschicht“. Willms ist seit der ersten Auflage 2018 immer dabei.
OB Torsten Pötzsch (li.) und der Kaufmännische Leiter Uwe Henkel zur Eröffnung der „Spätschicht“. Willms ist seit der ersten Auflage 2018 immer dabei. © Joachim Rehle

Willms als Marke findet man kaum in den Geschäften, zumindest nicht in den Discountern. Produkte aus Weißwasser sind außerdem im Lebensmittel-Einzelhandel zu haben. Ein starkes Bio-Sortiment macht mittlerweile 15 Prozent der Produktion aus. Unter dem Label „Lecker Lausitz“ gibt es 20 regionale Produkte, auf denen der Name Willms aber doch zu finden ist, etwa die Lausitzer Schweinefleischknacker oder Delikatess-Würstchen nach Kamenzer Art. Vertrieben werden sie „rund um den Kirchturm“, wie Henkel schmunzelnd sagt. Das Fleisch bekommt Willms in Weißwasser fast ausschließlich aus dem eigenen Schlachthof in Bremerhaven. Zur Willms-Unternehmensgruppe gehören deutschlandweit zwei Schlachthöfe und zwei verarbeitende Betriebe mit insgesamt 1.800 Mitarbeitern.

Ausbildung in fünf Berufen

Nach der Übernahme der insolventen Olaf GmbH ist Willms seit 2007 in Weißwasser präsent. Seither wurden an dem Standort 15 Millionen Euro investiert. Die reine Produktionsfläche ist mit 12.000 Quadratmetern inzwischen doppelt so groß wie vorher. Das entspricht zwei Fußballfeldern oder, weil man in Hockeytown ein kleines bisschen anders tickt, sieben Eishockeyflächen. Das Unternehmen hat hier 450 Mitarbeiter, im Sommer mit der Grillfleischproduktion sogar bis zu 650.

Seit neun Jahren ist Uwe Henkel in Weißwasser. Man habe noch nie so viel Verpackungsmaterial lagern müssen wie jetzt, stellt er fest. Auch die Willms Weißwasser GmbH & Co. KG hat es mit den allerorten beklagten Lieferengpässen zu tun. Mit der Energiekrise ebenfalls. Vor acht Jahren wurde neben dem Hauptgebäude ein eigenes Blockheizkraftwerk errichtet, welches die Grundlast für Strom selber produziert. Damit sei man nicht ganz so abhängig vom Energiemarkt. Das BHKW läuft sieben Tage die Woche, abgesehen von einzelnen Wartungstagen. „Im Gegensatz zu den Lockdowns während der Corona-Pandemie gelten wir jetzt in der Krise nicht als geschützter Bereich. Wäre Gas ein Lieferengpass, würden wir abgestellt“, sagt der Kaufmännische Leiter. Das Gas wird je zur Hälfte zur Betreibung des BHKWs und für warmes Wasser zur Reinigung gebraucht. Willms fährt durchgehend in drei Schichten, wovon zwei produktiv sind, des Nachts läuft immer die Reinigungsschicht. „Wenn wir kein Gas mehr bekämen, müssten wir aufwendig mit Strom Warmwasser erzeugen, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern“, schildert er.

Bei Willms macht man kein Geheimnis daraus, dass der Großteil der Produktionshelfer aus Polen einpendelt. „Es ist richtig schwer, Leute mit Ausbildung zu kriegen“, bekräftigt Uwe Henkel. Deshalb bildet der Fleisch- und Wurstwarenproduzent seit Jahren selber aus – oder versucht es zumindest. Fünf Berufe stehen Jungen und Mädchen zur Auswahl: Fleischer, Fachlagerist, Industriekaufleute, Mechatroniker und Fachkraft für Lebensmitteltechnik.

In Spitzenzeiten waren es bis zu fünf Lehrlinge gleichzeitig, die bei Willms das Rüstzeug für ihre berufliche Zukunft erlernten. Auch jetzt gebe es fünf Plätze für angehende Fleischer, genau so viele im Lagerbereich sowie ein bis zwei im kaufmännischen Bereich. Bewerber aus Ostsachsen für den Beruf einer Fachkraft für Lebensmitteltechnik würden regelmäßig durch die großen Getränkehersteller abgegriffen. Uwe Henkel sieht überdies noch andere Aspekte, die die Ausbildung in Weißwasser erschweren. Etwa die Tatsache, dass man sich noch immer nicht zum Blockunterricht für die angehenden Fleischer durchringen konnte. Stattdessen müssten die Lehrlinge zwei Tage die Woche zur Berufsschule nach Dresden und drei Tage in die Produktion. Willms trägt für sie die Kosten der Unterkunft in der Landeshauptstadt und gibt einen Fahrtkostenzuschuss.
Aktuell hat die Firma nur einen einzigen Azubi. Celina Wiegand möchte Industriekauffrau werden. Erst vor wenigen Monaten hat die 18-Jährige aus Weißwasser ihre Ausbildung begonnen. „Es hat mich interessiert“, sagt sie auf die Frage, warum sie sich gerade für diesen Arbeitgeber entschied.

Durchwachsenes Interesse an der "Spätschicht"

Die Aktion „Spätschicht“ findet seit 2018 im Landkreis Görlitz statt. Diesmal waren 42 Unternehmen daran beteiligt, davon sieben in Weißwasser und dem Umland. „Viele Menschen wissen gar nicht, was es hier vor Ort für Möglichkeiten zur Ausbildung und Arbeit gibt, welcher Bedarf an Berufen besteht. Mit der Aktion soll aber auch das Interesse geweckt werden für Naturwissenschaften und das Ingenieurwesen“, fasste Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) das Anliegen der „Spätschicht“ zusammen.

Alles in allem kamen um die 300 Interessenten. Die meisten wollten sich bei Kreisel in Krauschwitz und bei Stölzle Glas in Weißwasser umschauen. Ein bisschen enttäuscht war man hingegen bei SKM in Kringelsdorf, wohin sich an jenem Abend niemand verirrte. Und selbst bei Willms hielt sich die Zahl neugieriger Besucher in Grenzen, was nach Aussage von Uwe Henkel mehrere Gründe hat, zuallererst wohl das schlechte Wetter.