Weißwasser
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Zivilcourage beginnt mit Miteinander-Reden

Dafür werben Jugendliche aus Schleife und Weißwasser. Mit ihrem Stück „Sophie“ wenden sie sich gegen Intoleranz, Egoismus und Eskalation. Beim Lausitzkirchentag war Premiere.

Von Andreas Kirschke
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Mit „Sophie. Ihr habt überhaupt nichts verstanden“ hatte das vierte Stück der Jugendtheatergruppe des Evangelischen Kirchenkreises Schlesische Oberlausitz jetzt Premiere. Mitwirkende sind Michelle Sitza, Lucas Schmidt, Mariann Berton, Lara Berton, L
Mit „Sophie. Ihr habt überhaupt nichts verstanden“ hatte das vierte Stück der Jugendtheatergruppe des Evangelischen Kirchenkreises Schlesische Oberlausitz jetzt Premiere. Mitwirkende sind Michelle Sitza, Lucas Schmidt, Mariann Berton, Lara Berton, L © Andreas Kirschke

Ein Missverständnis führt unverhofft in Konflikte. Bei der Planung an einer Hochschule kommt es zu Überschneidungen. Drei Studentengruppen mieten die Aula für einen Vortrag über Sophie Scholl – und das für denselben Tag und dieselbe Zeit. Weder die Hochschule noch die Studenten erreichen eine Einigung. Eine Mitarbeiterin der Hochschule gerät zwischen die Fronten. Der Streit eskaliert in Egoismus, Intoleranz und Gewalt.

„Im Stück gibt es keine Sympathieträger“, meint Kimberly Stuckas (22) aus der Evangelischen Kirchengemeinde Schleife über das Theaterstück „Sophie – Ihr habt überhaupt nichts verstanden“. Die Theatergruppe der Evangelischen Jugendarbeit im Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz mit Jugendlichen aus Schleife, Lieskau und Weißwasser führt es auf. Seit Februar liefen die Proben. Regie führt Matthias Seidel, freier Theaterpädagoge und Regisseur aus Leipzig. Die Idee kam von Ludwig Hetzel, Leiter der Arbeitsstelle für Kinder und Jugendarbeit im Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz. Finanziert und gefördert wird das Projekt durch den Kirchenkreis, durch die Landeskirche und durch die Stiftungen „Kirche im Dorf“ und „Andere Zeiten e. V.“

Viertes Stück der Theatergruppe

Nach den Stücken „Gestern ist das Heute von Morgen“ (2018), „Umbruch im Klassenzimmer“ (2019), und „Neunzehnhundert-neunzig“ (2020) ist es das vierte Stück der Jugendtheatergruppe. In der Schleifer Kirchengemeinde ist die Junge Gemeinde Ausgangspunkt für die Theaterarbeit. Im aktuellen Stück „Sophie“ ist Kimberly Stuckas als Magdalena Landgraf-Starke zu erleben. Die Assistentin des Rektors sei zu Beginn eine gestandene Frau, werde dann aber zwischen den Fronten zerrieben, erzählt die Darstellerin über ihre Rolle.

„Ich finde es spannend, in andere Rollen einzutauchen, mich hineinzuversetzen“, meint Mariann Berton (20) aus Schleife. Sie spielt die Johanna Kupfer. Diese Studentin wirke übersachlich, emotionslos, nahezu kalt. Alles bei ihr habe Sinn und Plan. Alles müsse nach ihrer Vorstellung laufen. „Ein unangenehmer Charakter“, findet Mariann Berton, die wie Kimberly vom ersten Stück an dabei ist.

Charaktere bewusst überzeichnet

Bisher, so schildern die beiden, hätten sie eher humorvolle und unterhaltende Texte gespielt. Diesmal ist es anders. „Die Rollen liegen fernab von uns selbst. Wir spielen Personen, die gar nicht wir sind und die wir gar nicht sein wollen“, unterstreichen sie. Lisa Grünler (18) aus Weißwasser verkörpert die Figur Jasmin Charity. Sie beschreibt diese als eingebildet, hochmütig, sehr verwöhnt von den Eltern und vom Wohlstand. „Sie rechnet stets damit, alles geschenkt zu bekommen. Sie glaubt, alles ließe sich kaufen ...“, erzählt Lisa Grünler über ihre Rolle. Mitstreiter Lucas Schmidt (22) aus Weißwasser spielt die Figur Franz von Bremen. „Das ist ein hochmütiger, von sich selbst überzeugter Student. Er will die Welt verbessern. Er ist nur von seiner eigenen Meinung überzeugt“, beschreibt er seine Rolle.

Wie Kimberly, Mariann und Lisa versetzt er sich tief in die Rolle und den Charakter der Person hinein. „Im normalen Leben würden wir sicher beharrlich nach einer Lösung suchen“, meint Lisa Grünler über den Konflikt. „Wir würden uns zuhören, uns respektieren, uns letztendlich akzeptieren.“ Im Theaterstück jedoch eskaliert der Streit. Es handelt nicht von der historischen Figur Sophie Scholl. Diese ist nur der Anhalts- und Ausgangspunkt. „Der Fokus liegt vielmehr auf dem Namen Sophie“, sagt Regisseur Matthias Seidel. „Dieser Name kommt aus dem Griechischen. Sophia bedeutet "göttliche Weisheit", "Tugend".“ Bewusst überzeichnet das Stück die einzelnen Charaktere. Bewusst spitzt es den Konflikt zu. Bewusst bleibt eine Lösung außen vor.

Jugendliche brachten sich selber ein

„Während der Inszenierung beschäftigten uns die Fragen: "Was würde Sophie Scholl uns heute sagen? Was passiert durch endlose Eskalation? Wo kann sie hinführen?"“, so Matthias Seidel. „Gibt es eine Botschaft, die bis in die heutige Zeit hineinreicht?“ Sehr feinfühlig und tiefgründig hat er mit den Jugendlichen über den Inhalt geredet. Keine Szene war vorgefertigt. Drei Mal schrieb er seit Frühjahr 2021 sein Exposé neu. Die meisten Texte und Ideen zur Gestaltung brachten die Jugendlichen selbst ein. Somit ist es „ihr“ ureigenes Stück geworden. „Wir wollen die Menschen aufrütteln. Wir wollen zeigen, dass Probleme immer lösbar sind, wenn man nur miteinander redet, sein Ego zurückstellt, dem anderen zuhört“, sagt der Regisseur.

Mit Spannung blickte die Theatergruppe auf den Lausitzkirchentag. Mittendrin, am 25. Juni, hatte ihr Stück in Görlitz Premiere. Kimberly, Mariann und Lucas freuten sich schon vorab auf die Vielfalt an Workshops wie Graffiti, Rollstuhl-Basketball und das gemeinsame Singen – und natürlich auf das Konzert mit Samuel Rösch, bekannt aus „The Voice of Germany.“ Lisa kam sogar im Werbe-Trailer zum Lausitzkirchentag vor. Die Jugendlichen aus Schleife und Weißwasser waren aber vor allem gespannt darauf, auch Jugendliche aus anderen Gemeinden kennenzulernen.

Termine: 3. Juli um 19 Uhr in der evangelischen Kirche Schleife, 16. bis 24. August auf Usedom Theatersendfahrt,10. September um 17 Uhr in der evangelischen Kirche in Ruhland, 17. September um 18 Uhr im Martin-Luther-King-Haus in Hoyerswerda. Das Stück ist ab 12 Jahren geeignet.

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