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Schleife träumt von Rieseninvestition

Für eine halbe Milliarde Euro sollen eine Kombination von Wärmespeichern und Grüner Energie die Strompreise erträglich machen. Die Investoren wollen keine Fördermittel.

Von Constanze Knappe
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Die Idee: Überschüssiger Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen soll in neuartigen Wärmespeichern mit flüssigem Salz zwischengespeichert werden.
Die Idee: Überschüssiger Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen soll in neuartigen Wärmespeichern mit flüssigem Salz zwischengespeichert werden. © Sebastian Schultz

Ein Ökologisches Kraftwerk (ÖKW) soll in der Gemeinde Schleife auf einer 870 Hektar großen Fläche der Forst Rohne GmbH & Co. KG entstehen. Eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer Investoren plant, regenerative Energien zu kombinieren: 30 Windkraftanlagen, ein Holzenergiewerk und eine Produktionsstätte für Wärmespeicher. Dafür sollen 500 Millionen Euro investiert werden. Fertig sein soll das Ganze 2029, wobei Teilbereiche schon eher ans Netz gehen könnten.

Mehrheitlich hat der Gemeinderat Schleife jetzt die Unterzeichnung einer Absichtserklärung beschlossen, wonach die Gemeinde das Vorhaben begleitet. Zudem wurde Bürgermeister Jörg Funda (CDU) beauftragt, mit den Investoren einen städtebaulichen Vertrag mit den gegenseitigen Rechten und Pflichten auszuhandeln. „Das Vorhaben wäre ein Meilenstein für die Energieregion hier im Nordkreis“, unterstrich Funda angesichts einer Gesamtleistung von 1,0 Terrawatt.

Mit Bürgerstrommodell beteiligt

Die patentierten Wärmespeicher mit Salz, die bereits in Dömnitz (Mecklenburg-Vorpommern) produziert werden, sollen in Schleife hergestellt werden, um überschüssige Energie bei geringem Einsatz von natürlichen Ressourcen zu speichern. Die Energie soll zum einen durch ein Holzenergiewerk erzeugt werden. Zum anderen sollen die von der Solizer Invest GmbH & Co. KG geplanten Photovoltaikanlagen auf der Westkippe sowie an der Bahnstrecke und am Umspannwerk Schleife eingebunden werden. Für diese drei Solarparks hatte der Gemeinderat im vorigen Jahr die Aufstellung von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen beschlossen.

Das Holzenergiewerk soll mit fester Biomasse betrieben werden. Die thermische Energie sei als Heißwasser, Fernwärme und Strom vielfältig nutzbar. Denkbar ist für die Vorhabenträger ein Bürgerstrommodell. Damit hätten die Einwohner von Schleife, Rohne und Mulkwitz, deren Leben seit Jahrzehnten durch Energieerzeugung bestimmt wird, erstmals die Chance auf unmittelbare Teilhabe – in Gestalt niedriger Energiepreise. Auch könnten Schulkomplex, Kitas und andere kommunale Einrichtungen günstig mit Strom und Wärme versorgt werden. Zudem planen die Investoren die Nutzung der Energie für eine neue Art der Landwirtschaft, den Organic Garden. In einem umweltschonenden Kreislaufsystem stünde Energie für biologische Lebensmittelproduktion bereit.

Bis zu 300 Industriearbeitsplätze

Vorgesehen sind in der Produktion von Wärmespeichern 150 Dauerarbeitsplätze des metallverarbeitenden Gewerbes, dazu Ausbildungsplätze. Rechnet man alle Module zusammen, werden nach Aussage der Investoren bis zu 300 Jobs entstehen – damit verbunden eine Perspektive in der Region. Zum Vergleich: Aktuell arbeiten etwa 270 Einwohner der Gemeinde Schleife in Tagebau und Kraftwerk der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag). Das ÖKW sei ein klassisches Strukturwandelprojekt, welches die Investoren jedoch gänzlich ohne Fördermittel angehen wollen, hieß es.

Zwar hätten sie auch Angebote, ihre Pläne anderswo umzusetzen, doch in Schleife scheinen die Bedingungen am günstigsten zu sein. Für Schleife als Investitionsstandort spricht die Kombination aus der Erzeugung von regenerativen Energien, deren Nutzung als Strom und Wärme sowie dem Bau und der Nutzung von Wärmespeichern. Mit der Tatsache, dass die beabsichtigten Flächen zusammenhängend und im Besitz der Forst Rohne GmbH sind und diese als Eigentümergemeinschaft mit an Bord ist sowie einem Bahnanschluss bestehen wichtige Voraussetzungen dafür.

Für ihr Großprojekt erwarten die Investoren allerdings Planungssicherheit. Das schließt die Ausweisung eines Windeignungsgebiets im Regionalplan ebenso ein wie die zügige Erteilung der Baugenehmigungen. Die Gemeinde Schleife will mit der Unterzeichnung besagter Absichtserklärung das ihrige dazutun.

Es wäre der Deal schlechthin. „Damit stoßen wir die Tür für die kommunale Entwicklung für mehrere Jahrzehnte auf“, bekräftigt der Bürgermeister im Gespräch mit TAGEBLATT. Das Großprojekt würde helfen, die auf hohem Niveau befindliche kommunale Infrastruktur zu erhalten, aber beispielsweise auch Vereine zu fördern und andere freiwillige Leistungen zu finanzieren. Jörg Funda verschweigt aber auch nicht, dass er sich anfangs schon gefragt habe, wo der Haken dabei ist. Zu schön, um wahr zu sein, dürfte sich auch manch anderer die Augen gerieben haben.

Im Januar waren die Investoren auf die Gemeinde zugekommen. Zunächst habe man von der Anfrage nicht allzu viel erwartet, da es mittlerweile jeden Monat Anfragen nach Flächen für die Erzeugung von grünem Strom in Schleife und Umgebung gibt. „Aber Leute mit derart ambitionierten und strukturierten Plänen stehen nicht jeden Tag vor der Tür“, so der Bürgermeister. Schon eine Woche später sei man bei Landrat Bernd Lange (CDU) gewesen.

Klares Signal an Investoren

Von Beginn an haben die Investoren Kontakt zum Naturschutzbund gesucht. Es gebe eine klare Flächenbilanz, die Wald-Entnahme sei durch Aufforstung zu kompensieren. Und nicht umsonst handle es sich um ein ökologisches Kraftwerk.

In der Woche vor besagtem Gemeinderatsbeschluss hatten sich die Räte mehr als dreieinhalb Stunden nichtöffentlich mit dem Thema befasst. „Die Investoren brauchen ein Signal, dass das Vorhaben willkommen ist“, betonte Kommunalberater Stefan Vetter in der öffentlichen Sitzung.

Thomas Schwarz (CDU) befürchtet, dass die Zustimmung zur Erklärung von den Investoren missverstanden werden und die Gemeinde unter Druck geraten könnte. „Wenn wir ablehnen, vergeben wir uns eine grundsätzliche Chance. Wenn wir zustimmen, werden 120 Hektar Wald für Solaranlagen und 30 Windräder geopfert“, erklärte er. Mit Verweis auf die Mulkwitzer und ihre Ablehnung von Windrädern habe er große Bedenken, „dass wir uns zu weit herauslehnen, obwohl wir Gutes wollen“.

Noch ganz am Anfang

Für Matthias Lampe (AfD) stellt sich indes die Frage des Standorts. „Wir haben mit dem Tagebau eine riesengroße Brachfläche. Stattdessen sollen wir schon wieder etwas opfern“, sagte er. Daraufhin entgegnete der Bürgermeister, dass es für die Tagebauflächen ganz konkrete Pläne zur Renaturierung und für ein Naturschutzgebiet gebe. „Da habe ich Vertrauen in die Leag, dass die Flächen zum Wohle nachfolgenden Generationen hergerichtet werden, auch wenn es etwas dauert“, sagte Funda.

Die Mulkwitzer sehen die Pläne skeptisch. „Wir haben auf der einen Seite den Tagebau und auf der anderen Seite sollen die Windräder hin. Bei allem Verständnis dafür, dass die Gemeinde Einnahmen braucht, aber das wird schwierig“, erklärte Ortsvorsteherin Manuela Wolf. Der Gemeinderat werde sich die Entscheidung nicht einfach machen, hieß es. Noch stehe man ja erst ganz am Anfang.

Im Staatsministerium für Regionalentwicklung wurden in der Vorwoche die Chancen für eine Ausnahmegenehmigung abgeklopft. 2025 soll die Speicherproduktion beginnen. Die Fertigstellung 2029 sei ein sportliches Ziel. Mit dem Beschluss habe Schleife den ersten Schritt getan: Ein Rat enthielt sich, zwei stimmten dagegen.

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